Text: Siméon Calame I Fotos: Julie de Tribolet
Über 100-jährige Geschichte. Ein sonniger Aprilnachmittag. Stéphane Chollet empfängt uns mit Strohhut und einem breitem Lächeln auf dem Weingut Vitis Musicalis mit Blick auf den Genfersee. Seit 2019 ist er im Betrieb zugegen, den sein Schwiegervater Alain Chollet aufgebaut hat. Die Geschichte der Domäne beginnt schon 1921, als Alains Urgrossvater Auguste das Anwesen ersteigerte. Das Besondere daran? Das Weingut baut auf die Säulen Wein und Musik. Grosses Bild oben: Stéphane & Alain Chollet (v.l.) im Weinkeller.
Jazz, Klassik & «Protéodien» für guten Wein. «Nicht die Barriques lassen unsere Weine reifen – sondern die Musik», sagt Stéphane Chollet mit einem Augenzwinkern. Meint es aber dennoch ziemlich ernst: Während der Vinifikation, von November bis Ende Januar, spielt Schwiegervater Alain Saxophon im Keller. Und übers ganze Jahr erklingt dort 24 Stunden täglich über Lautsprecher Jazz und Klassik. Die Idee dahinter ist simpel: Die Schwingungen fördern in den Fässern die gewünschte Mikrooxidation, die den Wein komplexer, die Tannine weicher macht. Auch in den Reben kann man Musik hören: Zweimal täglich werden dort sogenannte «Protéodien» abgespielt – Kompositionen, die auf Aminosäure-Sequenzen von Proteinen basieren. Diese Stücke sollen das Pflanzenwachstum positiv beeinflussen.
Nur ein Teil der Familie Chollet: Johanne, Anaëlle, Alain, Corinne, Stéphane und Lexie (v..l.).
Diese umgebauten Weinfässer können für Fondueabende (im Welschland auch im Sommer!) gemietet werden.
Auf dem Weingut gilt: Gäste willkommen! Als klar wurde, dass keine von Alains Töchtern den Betrieb übernehmen wollte, sprang Schwiegersohn Stéphane ein. Der gelernte Landschaftsgärtner absolvierte eine Winzerausbildung in Marcelin VD und brachte frischen Wind ins Weingut. Bereits Alain war ja mit seinem «Lavaux Express», der Touristen bis heute durch die Weinberge gondelt, ein Pionier des Oenotourismus – zusammen entwickelten die beiden Männer verschiedene neue Angebote: Fondue-Abende in alten Weinfässern, Apéro-Pétanque mit Seeblick oder einen Dom für winterliche Raclette-Events.
Fondue im Fass – ein Erlebnis! Zwei liebevoll umgebaute Holzfässer mitten im Rebberg bieten Platz für zwei bis sechs Personen. Im Pauschalangebot enthalten: eine Flasche Wein, eine Fondue-Mischung von Käser Didier Bovet aus Corcelles-le-Jorat und alles notwendige Zubehör. Optional können Geniesser das Paket mit Apéro, Dessert und, selbstverständlich, einer zweiten Flasche Wein ergänzen. «Anfangs dachten wir nicht, dass das die Idee einschlägt«, sagt Stéphane. Inzwischen sind die Plätze dafür heiss begehrt – mehrere Hundert Kilo Käse werden in Bourg-en-Lavaux zwischen den Reben geschmolzen.
Ganz offensichtlich der Stolz des Weinguts: die Presse von 1902.
Bis heute im Einsatz: Weinpresse von 1902. Wesentlich älter als die Fonduehütten – und ein besonderes Schmuckstück auf dem Weingut – ist die alte Weinpresse von 1902. Sie wird bis heute für jede Ernte verwendet, denn sie presst das Traubengut langsam und sorgfältig: «Der Most ist viel klarer als bei modernen Pressen», so Stéphane Chollet. Das brauche zwar viel Zeit, drei Pressvorgänge pro Charge sind notwendig: «Aber wir machen das abends mit Freunden und Familie – bei einem Gläschen Wein. Ein geselliges Ritual!»
Coup de Cœur: «Der Galotta 2023, der sowohl Fruchtigkeit als auch schöne Tannine zeigt – macht jetzt schon Freude und wird auch in 10 Jahren noch begeistern.»
Das liegt im Keller:
Weiss: Chasselas (klassisch & «Vitis Musicalis»), Chardonnay, Viognier, Cuvée «Musicalis»
Rot: Pinot Noir, Plant Robert, Divico, Galotta, Cuvée «Musicalis» aus Divico, Galotta, Diolinoir
Rosé: Rosé de Pinot Noir
Schaumwein: Musicalis Brut (Pinot Noir & Chardonnay)
Das passt zusammen: «Plant Robert und Grilladen! Es ist ein leichter, fruchtiger Rotwein für warme Tage mit würzigen, pfeffrigen Noten. Er passt hervorragend zu Würsten, Koteletts oder Geflügel!»
