Fotos: Fabienne Bühler

Erfinder des «Ittinger Klosterbräus». Martin Wartmann ist mit allen Wassern, oder besser gesagt, mit allen Bieren, gewaschen. Der 78-Jährige hat das Brauereihandwerk vor 60 Jahren in Frauenfeld erlernt, arbeitete zeitweise für den Heineken-Konzern. Er war der «Erfinder» des inzwischen legendären Original Ittinger Klosterbräus, das Schweizerinnen und Schweizern den malzigen Amber-Stil näherbrachte. Seit 2015 braut der Senior-Brauer mit einem siebenköpfigen Team im Kloster Fischingen TG die Hopfensäfte von «Pilgrim». Teilweise mit zweistelligem Alkoholgehalt, teilweise mit Fasslagerung. Und Wartmann ist davon überzeugt, dass solche Biere vermehrt auch in der gehobenen Gastronomie ausgeschenkt werden sollten. 

«Triple Ambrée» anstelle eines leichten Pinots. Seine Geheimwaffe: das «Bière d`Abbaye Triple Blonde» mit rund zehn Prozent Alkohol: «Eine perfekte Alternative zum Cüpli oder zu Weisswein», findet Wartmann. Es passe zu weissem Fleisch oder zu Fisch. «Damit kann man sogar Risotto ablöschen oder ein Fondue zubereiten!» Ein weiteres Bier, das in 3,5-Dezi-, 7-Dezi- und in Magnumflaschen mit Champagnerkorken abgefüllt wird, ist das «Triple Ambrée»: Es passt zum Hackbraten mit Biersauce und Kartoffeln, so wie er an diesem Mittag im Restaurant des Klosters aufgetischt wird. «Hervorragend anstelle eines leichten Pinot Noirs», so der Brauer. Spannend ist auch ein ganz dunkles Bier: das «Chili-Stout», das aromatisch leicht an Kaffee erinnert, eine merkliche Schärfe mit sich bringt und das man sich gut zu asiatischen Spezialitäten vorstellen kann. Es hat mehrere Monate in einem Whiskyfass gereift, in dem zuletzt eine Hot Sauce war. Wo liegen denn die rund 70 Fässer von «Pilgrim»? 

Passt bestens zu Bier: Hausgemachter Hackbraten mit Kartoffeln und Gemüse.

Passt bestens zum Kloster-Bier: Hausgemachter Hackbraten mit Kartoffeln.

Martin Wartmann, Bierbrauer, Besuch in seiner Brauerei PILGRIM, Firschingen TG, 29. Oktober 2025

Gebraut werden die Pilgrim-Biere im idyllischen Benediktinerkloster Fischingen.

17,2 Prozent! Das stärkste Bier der Schweiz. Ein paar steinige Treppenstufen geht es vom Klosterhof hinunter in den Fasskeller, in dem früher die Weine der Benediktinermönche ruhten. Hier wacht nicht nur der vermeintliche «Schutzheilige» der Brauer, Gambrinus, im Gewände, hier liegen auch die eindrücklichen Fässer, in denen die sogenannten Grand-Cru-Biere schlummern. Es handelt sich hierbei um nummerierte Limited Editions: Da kommt beispielsweise ein «Triple Blonde» mit Waldkräutern ins Tequilafass. Oder die Biere reifen im Cognacfass und tragen Jahrgänge, was beliebt ist bei Männern, die gerade Vater geworden sind und eine langlebige Spezialität auf die Seite legen möchten. Die Haltbarkeit sei fast unbegrenzt: «Auf der Etikette der Grand Crus mit Jahrgang vermerken wir, dass sie bis 2099 geniessbar sind.» Unvergessen: das 2019er mit 17,2 Alkohol, das gemäss Martin Wartmann noch immer das stärkste Bier ist, das in der Schweiz je gebraut worden ist. Ein Sammlerstück! «Wir gehen inzwischen nicht mehr über die 15 Prozent hinaus – weil wir für ein Bier keine Schnapssteuer bezahlen wollen.» 

Martin Wartmann, Bierbrauer, Besuch in seiner Brauerei PILGRIM, Firschingen TG, 29. Oktober 2025

Gambrinus, «Schutzheiliger» der Bierbrauer, wacht in Fischingen über die Fässer.

Martin Wartmann, Bierbrauer, Besuch in seiner Brauerei PILGRIM, Firschingen TG, 29. Oktober 2025

Dank des Champagner-Verschlusses lässt sich der Biergenuss zelebrieren.

Martin Wartmann, Bierbrauer, Besuch in seiner Brauerei PILGRIM, Firschingen TG, 29. Oktober 2025

Hat auch das legendäre Ittinger Klosterbräus «erfunden»: Martin Wartmann, hier in Fischingen.

Käse, Pralinés, Fondue – alles mit Bier. Wenn ihm ein besonderes Fass angeboten wird – zum Beispiel eines, das zuvor mit Walnuss-Sirup gefüllt war –, kann Wartmann fast nicht nein sagen. Kauft es, füllt es mit Bier. Denn er ist ein Mann der vielen Projekte: Speziell ist sein Bierkäse, für den in der Landkäserei Neuwies (Lütisburg SB) das Imperial Russian Stout noch vor dem Lab der Milch zugegeben wird. Oder die Pralinés, die zusammen mit der Konditorei Voland in Bauma ZH realisiert wurden. Da erstaunt es eigentlich kaum noch, dass bei «Pilgrim» im Winter auch ein Bier-Fondue im Sortiment ist. 

Den Segen vom Gastropapst. Was Martin Wartmann aber einfach nicht richtig gelingen will: Sein Bier in der gehobenen Gastronomie unterzubringen. Und er kann auch nicht recht erklären, weshalb: «An der Kohlensäure dürfte es nicht liegen, denn sie ist nicht allzu ausgeprägt und gut eingebaut.» Mit einem Mit einem Schmunzeln erinnert sich der Bierbrauer an ein Gespräch, das er vor über 30 Jahren mit dem legendären GaultMillau-Herausgeber Silvio Rizzi geführt hat. Dieser habe damals zugegeben, dass es einem Punkterestaurant wirklich nicht anstehe, bloss ein hundskommunes «Lager» einer Grossbrauerei auf der Karte zu haben. Für Rizzi gab es nämlich durchaus Speisen, bei denen sich Hopfensaft als Getränkebegleitung anbietet. Dies seien etwa Salate und andere Gerichte mit hohem Essiganteil, die sich kaum mit Wein vertragen. Dies seien aber auch bittere und scharfe Gerichte. «Das Problem war also vor dreissig Jahren schon erkannt.» 

Keine Zeit, alt zu werden. Wie hält es Wartmann selber mit Bier? Nach mehr als einem halben Jahrhundert in der Branche? «Ich trinke am Samstag jeweils das letzte Bier der Woche, am Dienstag dann das erste», gibt er Auskunft. Er und seine Frau hätten zu Hause nie Alkohol getrunken, auch um den drei (inzwischen erwachsenen) Kindern ein gutes Vorbild zu sein. Ist die allwöchentliche Bierpause vielleicht sein Geheimnis, warum er noch so fit und agil ist? Er sagt: «Dank meiner Tätigkeit bei Pilgrim hatte ich bisher gar keine Zeit, um alt zu werden. Meine Gesundheit nehme ich als Teil meiner Gage hier.» Sprich: Gemütlichkeit herrscht bei ihm noch lange nicht. Darauf ein Prosit! 

>> www.pilgrim.ch