Text: Daniel Böniger I Fotos: David Birri

Nervös, trotz bestem Wetter. Es ist der wohl spannendste Moment des Jahres auf dem Weingut Bianchi: die Bergung des Käfigs mit den Schaumwein-Flaschen aus dem Luganersee. Zehnköpfig ist die Bootscrew samt Tauchern, die sich an diesem Sonntagmorgen im Oktober in Riva San Vitale trifft. Das Wetter ist prächtig. «Trotzdem bin ich auch beim inzwischen sechsten Mal noch angespannt», gibt Gabriel Bianchi zu. Schliesslich hat niemand die 283 Behältnisse seit dem Kontrolltauchgang im Juli mehr gesehen. Haben sie die gesamthaft zwölf Monate, rund 20 Meter unter der Wasseroberfläche, schadlos überstanden? Nach einem ausführlichen Briefing aller Anwesenden wird abgelegt, es ist inzwischen 9.30 Uhr. Das GPS-Gerät lotst das Schiff zur richtigen Stelle im Gewässer. Grosses Bild oben: Martino & Gabriele Bianchi mit einem der Taucher (v.l.n.r.).

 

Taucher. Bianchi, Azienda Agricola Bianchi, Weinkäfig im Luganersee, Tessin. Aufgenommen am 15.10.2023

Einer der Taucher brieft die Crew, die bei der Bergung des Schaumweins dabei ist.

Ideal: Konstante Temperatur unter Wasser. Die Idee dieses aussergewöhnlichen Schaumweins kam den Brüdern Gabriele & Martino Bianchi vor einigen Jahren. Sie wollten auf der einen Seite «den See, den wir tagtäglich sehen und der uns prägt» in ihren Wein packen. Auf der anderen Seite suchten sie den direkten Kontakt zur Kundschaft: Vom ersten Jahrgang des «Marà del Lago» hätten sie darum sämtliche Flaschen höchstpersönlich zu den Käufern gebracht. Und was soll daran bio sein? «Es ist für uns ein sehr naturnaher Reifungsprozess. Und weil der Schaumwein unter Wasser bei konstant 6 bis 9 Grad lagert, entfällt eine Energie schluckende Kühlung.» Ebenso clever am Prozess, den die Bianchis für diesen speziellen Wein anwenden: Durch den stetigen leichten Seegang – der Käfig wird in der Nähe eines Zuflusses abgesenkt - erübrigt sich das «Rütteln», das zur klassischen Methode der Schaumweinbereitung gehört.  

 

Bianchi, Azienda Agricola Bianchi, Weinkäfig im Luganersee, Tessin. Aufgenommen am 15.10.2023

Kaum hat man abgelegt, steigt die Spannung ins Unermessliche.

Bianchi, Azienda Agricola Bianchi, Weinkäfig im Luganersee, Tessin. Aufgenommen am 15.10.2023

Sobald die Taucher über Bord sind, gilt es nochmals eine Stunde zu warten.

Gabriele und Martino Bianchi, Azienda Agricola Bianchi, Weinkäfig im Luganersee, Tessin. Aufgenommen am 15.10.2023

Der Wein ist dreifach geschützt: Mit GPS-Sender, mit einer Versichtung - und einem Schloss.

Zurück an Land: viel Handarbeit! Zurück aufs Boot: Inzwischen sind die Taucher ins Wasser gesprungen und in der Tiefe verschwunden, nur Luftblasen verraten ihre ungefähre Position. Nun gilt es ungefähr eine Stunde zu warten, bis der Käfig mit viel Vorsicht an die Wasseroberfläche gebracht wird. Danach wird er vorsichtig Richtung Land gestossen. Dort muss schliesslich Flasche um Flasche von Hand aus dem Wasser gehoben werden. «Das hat zwar etwas Romantisches, aber es ist ziemlich viel Arbeit», so Gabriele. Das Glück ist den Brüdern bei diesem Jahrgang einmal mehr hold. Nicht eine einzige Flasche, die es noch von Dreck und Muscheln zu befreien gilt, ist beschädigt! 

 

Bianchi, Azienda Agricola Bianchi, Weinkäfig im Luganersee, Tessin. Aufgenommen am 15.10.2023

Ans Boot angemacht werden die Flaschen zurück zum Ufer gestossen.

Bianchi, Azienda Agricola Bianchi, Weinkäfig im Luganersee, Tessin. Aufgenommen am 15.10.2023

Stück für Stück werden sie dann an Land gebracht.

Ungewöhnlich: Cabernet-Sauvignon-Traube als Basis. Weinfans, die sich über den «Marà del Lago» genauer informieren, dürfte auffallen, dass der Schaumwein auf einer Varietät von Cabernet Sauvignon basiert. Tatsächlich lässt sich dies aufgrund von Cassis- und Waldbeerennoten bei der Verkostung sogar erahnen. Dies habe mit der Geschichte der Azienda Agricola Bianchi in Arogno zu tun, erklärt Gabriel Bianchi. Seine Eltern hätten den Landwirtschaftsbetrieb, der zudem Honig, Obst, Gemüse und Oliven produziert, schon vor 25 Jahren zertifiziert. Dafür sei damals für den noch kleineren Weinbereich eine möglichst resistente Traubensorte notwendig gewesen. «Als mein Bruder und ich übernahmen, waren die Trauben also schon gepflanzt.» 

 

Bianchi, Azienda Agricola Bianchi, Weinkäfig im Luganersee, Tessin. Aufgenommen am 15.10.2023

Auf dem Biobetrieb Azienda Agricola Bianchi wird auch Honig und Gemüse kultiviert.

Und wie schmeckt der geborgene Wein? Was an diesem Sonntag auch noch erledigt werden muss: Der neue Jahrgang wird gleichentags, erneut an einer geheimen Stelle, von den Winzern, dem Kapitän und den Tauchern im See versenkt. Keine Angst vor Dieben? «Der Käfig ist mit einem Sender versehen. Wir wissen jederzeit, wo er ist», sagt der Weinbauer lächelnd. «Und gut versichert sind die Flaschen auch.» Trotzdem gibt er zu, dass er während der nächsten zwölf Monate regelmässig an den Weinschatz im See denken wird. Entweder, wenn er seinem Hobby nachgehe: der Fischerei. Oder wenn er von Kunden darauf angesprochen werden, was nicht selten vorkommt: Schliesslich wurden sämtliche Flaschen des aktuellen Jahrgangs bereits vor der Bergung verkauft! Schmeckt der «Marà del Lago» denn so gut? Um dies zu erfahren, ist noch ein weiteres Male im diesem aussergewöhnlichen Prozess Geduld gefragt: «Erst in drei Wochen, wenn die Hefe sich abgesetzt hat, können wir degorgieren. Und degustieren.» Dies werde wiederum mit den Kunden gemacht. Bis jetzt sei der Unterschied zwischen dem Schaumwein aus dem Keller und dem Schaumwein aus dem See jedes Jahr ziemlich offensichtlich gewesen. 

 

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