Text: Stephan Thomas I Fotos: Nik Hunger

Das Davaz-Imperium. Andrea Davaz (61) darf mit seinem Lebenswerk zufrieden sein. Zum Familienunternehmen gehört nicht nur das Weingut in Fläsch GR, sondern auch das Gut «Poggio al Sole» in der Toskana und das Unternehmen «von Salis», das mit Wein handelt und auch aus zugekauften Trauben eine Weinlinie gleichen Namens keltert. Beteiligt ist man weiter an «Valentin», dem führenden Weinhandelshaus im Engadin. Einen Coup landete man 2017 mit der Übernahme der Häuser «Rimuss» und «Strada» in Hallau SH. Bild oben: Andrea Davaz mit Tochter Rebecca.

Andrea Davaz, was waren die Meilensteine beim Aufbau ihres Weinimperiums?

Die Sache ist gut geraten, aber es war keineswegs geplant, dass wir am Ende so viele Betriebe beisammenhaben. Es ist nicht im Geringsten so, dass wir a priori eine Wachstumsstrategie verfolgt hätten. Dazu hat eher der Zufall geführt. Mein Bruder Johannes und ich haben in den 80er Jahren nach der Ausbildung in Wädenswil eine schöne Plattform erhalten. Unser Vater ist 1976 von der Landwirtschaft ganz zum Weinbau übergegangen und hat uns später einen gut disponierten Betrieb zur Übernahme bereitgestellt. Mein Bruder und ich, von Natur aus beide Alpha-Tierchen, hatten aber Bedenken, zusammen einen Betrieb zu führen. Da haben wir beschlossen, nach einem zweiten Weingut Ausschau zu halten, irgendwo auf der Welt. Wir haben verschiedene Güter besichtigt, im Burgund, im Rhonetal, im Piemont.

Andrea mit Sohn Luca, Kellermeister, im Barriquekeller

Andrea Davaz mit Sohn und Kellermeister Luca bei den Barriques.

Schliesslich war es die Toskana.

Ja, aber die Verbindung kam zunächst gar nicht über den Wein. Wir haben seinerzeit in den Sommerferien viel Zeit im Grossraum Grosseto - Punta Ala - Castiglione verbracht. Wir waren Surflehrer an einer Schule, die ein Schweizer aufgebaut hatte. Von dort aus machten wir regelmässig Ausflüge ins Landesinnere, immer mit der Idee eines Weinguts im Hinterkopf, das wir gemeinsam kaufen wollten. Nach langer Suche wurden wir 1990 fündig: Ein wunderschön gelegenes Gut, das der Besitzer, ein Goldschmied aus Florenz, altershalber veräussern wollte. Natürlich waren wir nicht die einzigen Interessenten, und es galt schnell zu sein. Nachmittags um vier haben wir das Gut zum ersten Mal gesehen. Abends um acht waren die Vorverträge unterschrieben.

Eine verrückte Geschichte. Wie schafften Sie die Finanzierung?

Ja. Und das Verrückteste dabei: Wir hatten gar kein Geld. Nicht wenig, sondern schlichtweg keines. Wir kamen ja direkt vom Studium. Der Kaufpreis betrug 2,7 Milliarden Lire, das waren 3,24 Millionen Schweizer Franken. Besonders heikel: Die Konventionalstrafe bei Nichteinhalten der Vereinbarung lag bei einer halben Million. In unserem jugendlichen Leichtsinn sagten wir uns, das liesse sich im schlechtesten Fall zu zweit in den vierzig Jahren bis zu unserer Pensionierung schon aufbringen. In der Schweiz gestaltete sich die Sache zunächst schwierig. Natürlich widersprach es den Richtlinien jeder Bank, Kredite in dieser Höhe ohne Eigenmittel oder Sicherheiten zu vergeben, dazu noch im Ausland. Zuletzt stiessen wir auf eine kleine Bank, deren Direktor an uns glaubte und die gesamte Finanzierung übernahm. An ein Zurücklehnen war dennoch nicht zu denken - die Zinsen betrugen damals satte 7,5 Prozent.
 

Andrea Davaz

Die Farbe stimmt: Andrea Davaz mustert den Jungwein.

Fläscher Riesling Silvaner 2022 von Davaz Wein

Nicht nur Pinot und Chardonnay: Riesling-Silvaner, Jahrgang 2022.

Davaz-Wein, Fläsch, Tochter Rebecca, Winzerin auf Rebtraktor

Gerne outdoor und auf Maschinen unterwegs: Tochter Rebecca Davaz.

So ein Kauf ist ja erst der Anfang. Wie ging es mit «Poggio al Sole» weiter?

Wir waren zunächst davon ausgegangen, dass sich das Gut aus der Ferne mit der bestehenden Belegschaft betreiben lasse. Es hat sich aber gezeigt, dass es ohne unsere Präsenz vor Ort nicht ging. Wir beschlossen dann, uns neu aufzustellen: Nachdem wir von 1990 bis 1997 das Gut gemeinsam betrieben hatten, übernahm Johannes 1997 «Poggio al Sole» als alleiniger Besitzer und ging nach Italien, um sich ganz dem Betrieb zu widmen. Ich kam von Rimuss in Hallau, wo ich nach dem Studium zwei Jahre lang Betriebsleiter war, zurück und übernahm das Gut in Fläsch ebenfalls zu 100%. So ist es bis heute geblieben. Wir arbeiten aber nach wie vor eng zusammen.

Erklären Sie uns die Geschichte zum Namen «von Salis».

Es war bald klar, dass wir eine Verkaufsstruktur für die «Poggio al Sole»-Weine in der Schweiz aufbauen mussten. Die bisherige Kundschaft in Italien konnten wir kaum übernehmen. Das war der Startschuss der «von Salis». Nach langer Namenssuche sind wir auf «von Salis» gekommen, weil uns das bündnerisch erschien. Natürlich wollten wir dann auch einen richtigen von Salis im Boot haben. Angeklopft haben wir zuerst beim Conte Sertoli Salis, der in Tirano eines der besten Veltliner-Weingüter geführt hat. Er war von der Idee begeistert und wäre auch eingestiegen. Zu unserem Leidwesen wurde er von seinem Familienrat zurückgepfiffen mit der Begründung, es «zieme sich nicht für einen Sertoli Salis, unter die Weinhändler zu gehen».

Sie fanden trotzdem noch einen «von Salis»

Wir konnten dann Gaudenz von Salis für den Verwaltungsrat gewinnen, einen Agronomen und Dozenten an der landwirtschaftlichen Schule Plantahof in Landquart. Später begannen wir, aus zugekauften Trauben Weine für eine hauseigene Linie zu keltern. Heute kauft «von Salis» zu diesem Zweck die Trauben von 60 Rebbauern aus der Bündner Herrschaft und dem Churer Rheintal. Ein Höhepunkt war die Eröffnung der neuen Maienfelder Vinothek in diesem Jahr.
 

Bleibt die wohl spektakulärste Transaktion, die Übernahme von «Rimuss» und «Strada» in Hallau.

Ich war Betriebsleiter in Hallau, hatte zuvor dort auch die Lehre gemacht. Dass ich Hallau nach zwei Jahren wieder verliess, hat die Verantwortlichen betrübt, es wäre eine längere Dienstzeit vorgesehen gewesen. Dennoch kam 2010 die Anfrage von Robert Rahm, ob ich im Verwaltungsrat Einsitz nehmen wolle, als Fachkundiger für die Sparte Produktion. Als ich 2015 wieder ging, musste ich eine Warnung aussprechen: Es werde in Zukunft nicht ohne Innovation in der Produktion gehen, und dazu brauche es ausgewiesene Produktionsfachleute. Trotz dieser Vorahnungen war ich überrascht, als 2017 ein Telefon kam, es gehe der Firma nicht gut, ob ich nicht helfen und einsteigen wolle. Ich ging mit den Söhnen hin, um zu spüren, wie sie zu der Sache stehen. Sie waren hell begeistert und sahen eine Chance darin, in einen neuen Betriebszweig einzusteigen. So machten wir denn ein Gebot, das angenommen wurde.

Einfach war der Einstieg in Hallau nicht.

Der Anfang war hart, der Zustand der Firma schlechter als angenommen. 2018 kam ich wirklich an den Anschlag, ab 2019 ging es dann bergauf. Gerettet haben uns Innovationen in der Produktion, besonders die Schaumweine, für die wir uns durch einen Spezialisten aus dem Piemont beraten liessen. Unsere beiden neuen Strada-Schäumer haben an den Prämierungen sofort eingeschlagen, wir haben überall Gold geholt. Wichtig ist auch die alkoholfreie Sparte beim Wein, die wir stark entwickeln - der moussierende Traubensaft ist ja bestens etabliert, 95 Prozent der Schweizerinnen und Schweizern ist die Marke «Rimuss» ein Begriff. Bis 2023 war ich CEO in Hallau, dann hat Sohn Micha übernommen. Sie sehen, bei unserem Unternehmen hat sich aus innerer Notwendigkeit eines zum anderen gefügt. Von einer grundsätzlichen Expansionslust kann keine Rede sein.
 

Davaz-Wein, Fläsch,Andrea mit Tochter Rebecca im Chardonnay-Rebberg

Prächtige Trauben: Rebecca und Andrea Davaz freuen sich über den Chardonnay.

Andrea Davaz, wir sitzen zusammen hinter einem Glas Pinot Noir «Uris» 2021 vom Weingut Davaz - ein fadengerader Wein, der uns überzeugt, obwohl er aus einem eher schwierigen Jahr stammt. Wie muss ein Wein beschaffen sein, damit er ihr Gefallen findet? Gibt es vielleicht sogar ein konkretes Vorbild? Welcher Wein kommt ihnen nicht ins Glas?

Das grösste Weinerlebnis hatte ich auf Romanée-Conti, wohin wir mit der Winzervereinigung «Vinotiv» gereist waren. Ein La Tâche aus dem Fass, die Frucht betörend, aber nicht kitschig, insgesamt so etwas von klar und präzise, am Gaumen dicht. Pinot kann ja manchmal etwas auseinanderfallen - der Geschmack immer noch da. Ich habe es gerne präzise. Viele denken, man könne Wein aus dem Bauch heraus machen, aber das ist ein Präzisionshandwerk, besonders im Rebberg. Nichts anfangen kann ich mit Designerweinen, die meistens süss und klebrig sind. Meine Lieblingssorten sind ganz klar Pinot Noir und Chardonnay. Dafür sind wir hier in Graubünden hervorragend aufgestellt. Eine kleine Neuigkeit kann ich noch ankünden: Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal 1200 Kilo Completer geerntet.

www.davaz-wein.ch