Punkte, Stern & Titel. Savièse, ob Sion. Das beste Restaurant im Ort heisst wie der Chef, der hier arbeitet: Gilles Varone. Dass er hervorragend kocht, hat sich herumgesprochen. Die wenigen Holztische im puristisch eingerichteten Saal sind heiss begehrt. Varone kocht mit regionalen Produkten, für 17 Punkte und für einen Stern. Seine Partnerinnen an der Front: Ehefrau Letizia und die Französin Lise Donier-Meroz, GaultMillaus «Jungsommelière des Jahres 2026».
Eigentlich wollte sie nur englisch lernen. Als Lise Donier-Meroz im Sommer 2017 für einen Sprachaufenthalt nach Grossbritannien reiste, konnte sie nicht ahnen, dass die kommenden Monate ihr Leben auf den Kopf stellen würden. «Ich hatte vor, eine Karriere im Hotel-Management einzuschlagen und wollte als Servicemitarbeiterin im Drei-Sterne-Restaurant ‹L’Enclume› nur meine Englischkenntnisse vertiefen», erklärt die junge Französin. Dann aber nahm sie an freien Tagen ein paar Mal an Treffen des Sommellerie-Teams teil und fing Feuer für das Degustieren und Analysieren. «Als ich einen Orange Wine aus dem Friaul probierte, realisierte ich das erste Mal, wie spannend und vielschichtig Wein ist», erzählt Lise. In der Folge tauchte sie immer tiefer ins Thema ein und erhielt im Sommer 2018 die Chance, als Assistenz-Sommelière im «L’Enclume» anzufangen. Ende 2019 – inzwischen mit dem WSET-Diplom in der Tasche – wurde sie zur vollwertigen Sommelière befördert, wenige Monate später sicherte sie sich eines der begehrtesten Stipendien für Sommellerie-Talente in Grossbritannien.
Sie liebt das Kochen & Essen: Lise Donier-Meroz probiert jedes Menü ihres Chefs, um das perfekte Getränke-Pairing zu finden.
«Ein enormes Privileg.» 2021 folgte der Wechsel in die Schweiz. Zunächst arbeitete Lise bei Damien Germanier in Sion, dann im «Les Touristes» in Martigny, wo sie den Keller aufbauen durfte. Seit Februar 2024 ist das Restaurant von Gilles Varone in Savièse ihr berufliches Zuhause. «Mit einem so kreativen Koch wie Gilles an Pairings tüfteln zu können, ist ein enormes Privileg», betont sie. «Wir beide fühlen uns der Region sehr verbunden, möchten die Gäste mit dem Geschmack des Wallis und der Alpen begeistern.» Angenehmer Nebeneffekt des Traumjobs: Lise, die auch das Essen und Kochen liebt, darf jedes neue Menü des 17-Punkte-Chefs probieren. «Gut für mich – und gut fürs Fine Tuning bei der Getränkeauswahl», sagt sie und lacht. Als moderne Sommelière beschränkt sich ihr Aufgabengebiet aber nicht nur auf Wein und Spirituosen. Die alternative Getränkebegleitung wird immer wichtiger und macht ihr grossen Spass. «Die sensorische Herangehensweise ist ähnlich wie beim Wein. Vom Kefir bis zum Kombucha bereiten wir diverse Getränke selbst zu», erklärt sie.
«Ich habe in Fully eine kleine Parzelle.» So rasant Lise die Karriereleiter emporgeklettert ist, so schnell hat sie sich im Wallis eingelebt. Vier Jahre nach ihrer Ankunft im Kanton zählt sie schon zu den profundesten Kennerinnen der dortigen Weinlandschaft. «Nur Walliserdeutsch beherrsche ich noch nicht. Ich bin aber ehrgeizig und möchte zumindest ein paar Brocken lernen, auch wenn man bei uns im Ort französisch spricht», sagt die Sommelière. Wenn sie nicht gerade ihre Passion auf die Gäste überträgt oder hinter den Kulissen des Restaurants wirkt, trifft man sie häufig in den Rebbergen an. «Ich habe sogar das Glück, in Fully eine kleine Parzelle mit rund 1000 Quadratmetern Fläche bewirtschaften zu dürfen», erzählt sie mit leuchtenden Augen. Diesen September kann sie zum ersten Mal Trauben ernten: Gamay, Chasselas und Pinot noir.
Lise und die Flaschen: bis zu 100 Weine probiert GaultMillaus «Jungsommelière des Jahres 2026» – pro Woche!
Von Petite Arvine bis Syrah: Lise Donier-Meroz gehört zu den profundesten Kennerinnen der Walliser Weinlandschaft.
«Ich habe Superkräfte.» Um die Bibliothek in ihrem Kopf stetig zu erweitern, probiere sie pro Woche zwischen 50 und 100 Weine, sagt Lise. Ist das nicht unheimlich anstrengend? «Ich habe Superkräfte», scherzt sie – und schiebt nach: «Meine Neugier und meine Freude an diesem Job sind so gross, dass ich mich über jeden guten Wein, über jede neue Entdeckung freue. Diese Freude ist mein Treibstoff.» Spricht Lise über Wein, sprudelt es nur so aus ihr heraus. Nachdenklich wird sie nur bei der Frage nach den Namen von Winzerinnen oder Winzern aus der Schweiz, deren Weine man unbedingt einmal probieren sollte. «Es gibt doch so viele grossartige Leute in diesem Business», sagt sie mit einem Seufzer. «Marion und Jacques Granges von der Domaine de Beudon in Fully gehören aber sicher zu den spannendsten Persönlichkeiten. Ihre Weine haben mich schon fasziniert, als ich noch in England lebte, sie sind sehr alpin und mit grosser Sensibilität gemacht.» Weitere Favoriten von Lise sind Alex Stauffer (GaultMillaus «Rookie des Jahres 2025»), der in Flanthey Dôle der Extraklasse keltert, und Romain Favre aus Chippis bei Sierre, der unter anderem die sehr seltene, trockene und säurereiche Rebsorte Rèze anbaut.