Text: Max Fischer Fotos: Nik Hunger

Martinigans, Stiefels Hopfenkranz, in Luzern, Moritzn unf Luigina Stiefel, in ihrer Gaststube

Hochsaison im «Hopfenkranz»: Luigina und Moritz Stiefel servieren ihr Martini-Menü.

Die goldene Gans. Im Luzerner Hopfenkranz wird an Martini kein Märchen der Gebrüder Grimm aufgetischt. Moritz Stiefel serviert ab 11. November seinen Gästen zum Auftakt seines traditionellen Gans-Menüs einen echten Gänsekopf. Er hat ihn fein säuberlich geputzt und golden lackiert. Vorher hat er das Hirn entfernt, es in Buttermilch eingelegt, dann mit Mehl und einer Gewürzmischung paniert und gebraten. Serviert wird die Delikatesse mit Mayonnaise, über die Stiefel pulverisierte violette, getrocknete Rüebli streut. Für Stiefel ist das Amuse-bouche mehr als ein Gag. «Ich kämpfe schon seit langem gegen Food-Waste und bin bestrebt, möglichst alle Stücke eines Tieres zu verwerten.»

Martinigaense, auf Hof von Cyrill Sueess, in Ballwil LU

Schnatternd und im Gänsemarsch: Die Gänse aus Ballwil.

Schnattern wie Wöschwiiber. Moritz Stiefel und seine Frau Luigina beziehen ihre Gänse seit Jahren von der «Weidefarm» von Cyrill Süess in Ballwil LU. Die Gänse sind quickfidel und schnattern beim Besuch um die Wette. Als wüssten sie, dass bald ihr letztes Stündchen geschlagen hat. Die Küken kommen im Alter von drei Wochen im April aus einer Schweizer Brüterei nach Ballwil. Die Gänse verbringen den ganzen Sommer auf den grünen Wiesen im Luzerner Seetal, geschützt von vielen Hochstammbäumen. Sie haben immer freien Zugang zu Wasser, können jederzeit trinken und baden. «Auf eine Gans kommt eine Fläche von 100 Quadratmetern», sagt Bauer Cyrill Süess.

 

Auch Gänse sind Feinschmecker. Jeden Tag sind sie auf der «Weidefarm» draussen, fressen Gras und pflegen die Weiden. «Und sie lieben die heruntergefallenen Äpfel, die Birnen hingegen lassen sie liegen», sagt Cyrill. «Sie sind echte Feinschmecker.» Sieben Monate leben die Gänse auf der «Weidefarm». Industriegänse werden nach zwei, drei Monaten geschlachtet. Die lange Weidedauer, natürliches, artgerechtes Futter und ausreichend Bewegung sind das Geheimnis für das geschmackvolle und zarte Fleisch. Kurz vor dem 11. November werden die Gänse in einer spezialisierten Geflügelmetzgerei geschlachtet und verpackt.

Martinigans, Stiefels Hopfenkranz, in Luzern, Amuse-Bouche Gänsehirn in Gänseschädel

Hammergericht für Fortgeschrittene: Golden lackierter Gänsekopf. Mit Gänsehirn.

Martini-Schmaus. «Acht Gänse und 50 Gänseköpfe habe ich dieses Jahr bestellt», verrät Moritz Stiefel. Ab Martini geht´s los. «Das Fleisch ist super, die Tierhaltung vorbildlich und Cyrill und seine Familie tolle Typen», schwärmt Moritz. In der Tat: Gehalten werden die Gänse nach den strengen Richtlinien des Vereins weidegans.ch. Mit gutem Gewissen sagt Cyrill: «Es ist das Ziel des Vereins und von uns Produzenten, dass die wichtigsten Ansprüche der Nachhaltigkeit erfüllt werden: Das Tierwohl und der Bezug zur Region.»

 

Ungestopfte Leber. Nach dem Amuse-bouche mit dem Hirn folgt im «Hopfenkranz» das nächste Highlight: «Eine ungestopfte Gänseleber», so Moritz. Zuerst brät er die Leber scharf an. Dann mixt er zusammen mit Brandy, karamelisierten Schalotten und Birnell eine luftige Masse. Diese serviert er auf Quittengelee-Stückchen, arrangiert mit getrockneten Birkenblättern.

Schenkelpraline & Vollmond-Nüsse. Als Hauptgang gibt´s Gänseschenkel. Diese sind vorher 48 Stunden in ihrem eigenen Fett gegart worden, dann gezupft und als runde Pralines serviert. Zusammen mit einer Gänsebrust, begleitet von Rotkraut mit konfierten Bitterorangen, garniert mit gepickelten und konfiertem Kürbis, Apfelscheiben, Mousse und Pulver von Pommes fidèles, rohen Marroni-Scheibchen sowie schwarzen Nüssen. «Ein Freund von mir wässert grüne Baumnüsse bei Vollmond und fermentiert sie anschliessend mit einer Zuckermasse», verrät Moritz.

 

Schweinchen «Mathilda». Auch die Schweine beziehen die Stiefels von der Ballwiler «Weidefarm». «Schweine sind die Lieblingstiere von Moritz», sagt Luigina. «Er verarbeitet sie am liebsten.» Deshalb überraschte sie ihren Mann zu dessen 37. Geburtstag mit einem lebendigen Säuli. Sie machten einen Ausflug auf die «Weidefarm», dort durfte Moritz eine Sau aussuchen. «Ich wählte natürlich die feisseste», sagt Moritz schmunzelnd. Die «Mathilda» war’s und bereicherte fortan die «Hopfenkranz»-Karte, bis hin zur Schwarte.

Das Projekt «Weidesöili». 2015 haben Cyrill und Freundin Kathrin mit ihrem gemeinsamen Projekt «Weidesöili» begonnen. «Seither erfreuen wir uns jeden Tag an unseren lebenslustigen und intelligenten Hofgenossen.» Die Ferkel beziehen sie mit 12 Wochen von den Gebrüdern Fuchs am Baldeggersee. Diese züchten sie nach den strengsten Richtlinien der Schweiz. «Die Weideschweine der Rasse Duroc weiden gern an der frischen Luft auf der Wiese, sie suhlen sich im Schlamm und pflügen den Boden um», so Cyrill. Und wenn es regnet, verziehen sie sich ins warme Strohbett im Stall.

 

Hof-Metzgete. Seit Frühjahr 2018 hat der gelernte Bauer und Metzger Cyrill Süess seine eigene Metzg auf der «Weidefarm». Sie ist mit modernsten Maschinen ausgestattet und erfüllt höchste hygienische Ansprüche. «Besonders wichtig sind die speziellen Geräte fürs Wursten», sagt Cyrill. Die braucht´s, um beliebte Spezialitäten wie die beliebte Pizza-Wurst herzustellen. Zur «Weidefarm» gehören weiter Weidepoulets, Stier Norway und 30 Mutterkühe - «unsere Chicas mit ihren Kälbern», lacht Cyrill. Sie liefern bestes Salers Beef.

 

>> www.hopfenkranz.ch www.weidefarm.ch