Text: Stephan Thomas Fotos: Rémy Steinegger

Metzger der Spitzenköche. «Das ist meins!» Küchenchef Alessandro Boleso hat ein wunderschön marmoriertes Tomahawk-Steak in der Hand, als müsste er es verteidigen. Wir stehen in der Metzgerei Prada in Bioggio - der letzten, die im Luganese noch auf höchstem Niveau arbeitet. Mauro Prada ist über 70, hat seinen Betrieb auch schon den Brüdern Domenico und Francesco Gabbani verkauft. Direttore ist er aber nach wie vor. Mit Herzblut und Passion, sonst wäre er längst in Pension. «Wenn er einmal aufhört, wird es echt schwierig», sagt Frank Oerthle, der zweite Chefkoch aus der «Villa Castagnola». Daran denkt jetzt aber niemand. Wir stehen vor den vielen Köstlichkeiten, etwa den Seiten vom Wagyu-Rind. Die ältesten hängen hier seit drei Monaten. Federico, ein weiterer Koch, zeigt mit glänzenden Äuglein auf das Wagyu-Fleisch: «Schau, wie schwarz!». Unser Fotograf Rémy Steinegger fragt nach dem Preis der Seite: «1200 Franken, hast Du gesagt?» Mauro lächelt nur nachsichtig: «Nein, 12'000.» Klar, dass das meiste Fleisch dieser Kategorie in die Spitzengastronomie geht. Auch die Miéral-Poularden, die Mitarbeiterin Raffaella in atemberaubendem Tempo ausnimmt.

LUGANO, 20.05.2021 - Mauro Prada (Prada alimentari Bioggio) und Alessandro Boleso (Chef Grand Hotel Villa Castagnola). copyright by www.steineggerpix.com / photo by remy steinegger

Zwei Chefs im Park: Mauro Prada und Alessandro Boleso.

BREGANZONA, 20.05.2021 - Galloway Rinder. Mauro Prada (Prada alimentari SA, Bioggio) besucht mit Alessandro Boleso (Chef Grand Hotel Villa Castagnola) und Frank Oerthle (Chef Ristorante Galleria Arte al Lago) die Azienda Crespera von Guido Bernasconi. copyright by www.steineggerpix.com / photo by remy steinegger

Neugierig & Zottelig: Die Galloway-Rindli von Guido Bernasconi.

Tessiner Galloway, Tessiner Wagyu. Es versteht sich, dass Mauro sein Fleisch nur bei ausgesuchten Züchtern aus der Region bezieht. Etwa bei Guido Bernasconi in Breganzona, der sich auf Galloway-Rinder spezialisiert hat. Die zottigen Tiere sind nicht gerne für einen Fototermin zu haben. «Die merken halt, dass du der Metzger bist», witzelt Francesco zu Mauro. Mit einem gut gefüllten Kübel Futter lassen sie sich aber zu einem Gruppenfoto bewegen. «Wir produzieren ein Nischenprodukt, das ist uns bewusst. Wir sehen es aber als unsere Aufgabe, das Publikum an guten Geschmack zu gewöhnen», erklärt Guido. Nachher sind wir bei Giulia Quadroni in Origlio. Ihre Wagyu teilen sich den grossen Stall mit lautstarken Schwalbenfamilien und frei laufenden Hühnern. Sie wirken zufrieden und geniessen ihren riesigen Auslauf im Grünen, inmitten der zauberhaften Tessiner Landschaft.

Kochen im Paradies. Manche der schönsten Stücke aus Mauros Metzgerei landen im Grand Hotel Villa Castagnola in Lugano. Das Hotel in Traumlage mit Seeblick beherbergt drei Restaurants. Im altehrwürdigen Stammhaus ist Alessandro Boleso für die Restaurants «La Rucola» und «Le Relais» verantwortlich. Er kocht für uns ein Diaframma, ein Zwerchfellstück. Minimal angebraten und dünn aufgeschnitten trifft es auf gezupftes Rindsbäckchen im Schalottenschiffchen, Würfel von Piemont-Schmelzkartoffel, Kalbsjus und Sardellensauce - ein Signature Dish im «Le Relais» (14 GaultMillau-Punkte). Verzehren kann man es auf der sonnigen Terrasse oder drinnen, wo originale Grafiken von Goya an der Wand hängen. Unten am See, gewissermassen mit den Füssen im Wasser, befindet sich das Gourmetlokal «Galeria Arté al Lago». Der Ausblick auf den Lago di Lugano samt Monte San Salvatore macht das «Arté» sicher zu einem der schönsten Restaurantplätzen in der Schweiz. Hier wirkt seit 2001 Frank Oerthle, der sich 16 GaultMillau-Punkte erkocht hat. Für uns serviert er ein kugelförmiges Tatar vom Wagyu in Parmesangelee. Begleitet wird es von geriebenem konfiertem Eigelb, zweifarbiger Tomate, Portulak und einer hübschen Waffel, deren Form an eine Alge erinnert. Alle Produkte ausser dem Parmesan stammen aus der Gegend. Frank ist gebürtiger Stuttgarter, wirkt aber schon dreissig Jahre im Tessin und hat sich perfekt assimiliert. «Das hier ist schon ein kleines Paradies. Wenn man einmal hier ist, will man nicht wieder weg.»

 

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