Text: Urs Heller Fotos: Ellin Anderegg, Thomas Buchwalder

Genuss zum Wegputzen. Die Indizien sprechen für die Beiz. Wir entdecken Ziegenfrischkäse aus Meierskählen bei Stans auf der Karte. Die liefert Bauer Toni Odermatt nur an wirklich gute Köche. Zu jedem Gang wird ein Löffel eingedeckt. Genuss zum Wegputzen ist also angesagt, nicht Ikebana auf dem Teller. Wir essen bei Moritz Stiefel im «Hopfenkranz», stellen fest: Der Chef, eher Rock ’n’ Roller denn Klosterschüler, hat doch noch seinen Weg gefunden. Drei Jahre kocht er schon hier; das ist für den Moritz schon eine ziemlich lange Zeit. - Grosses Bild oben v.l.: Oscar de Matos, Michèle Meier, Moritz Stiefel. 

Stiefels 2020: Moritz Stiefel

Moritz Stiefel (Hopfenkranz), ist ein Chef, der seine Gäste begeistert und auch mal provoziert. 

Ein Stück Mathilde. So hiess das Schwein. Tacos und Crackers machen andere auch. Aber nicht so ein Tatar! Moritz Stiefel mischt Bio-Rind, Katsuobushi, Wasabi-Pulver und Pilzpulver sehr geschickt, die Schärfe ist sauber ausbalanciert; das beste Tatar der Stadt! Danach gibts ein Stück Mathilde. So heisst das Turopolje-Schwein, das ihm seine Frau Luigina zum Geburtstag geschenkt hat und jetzt Teil für Teil verwertet wird. Wir kriegten schon mal die Schwarte, passend zu einem ziemlich ungewöhnlichen «Raclette»: Der geräucherte Käse wird kunstvoll in eine Zwiebel verpackt, ein Specksud (auch von Mathilde?) dazugegossen. Und wo soll der Trüffel hin? Aufs Ei natürlich. Stiefel bereitet das Eigelb in Nussbutter zu, sorgt mit einem Schwarzwurzel-Ragout für den Kontrast.

Vorsicht, Blutcrème! «Ein Gang im Menü darf auch ziemlich frech sein», droht Moritz Stiefel und will die «Einlage» zur feinen Nüssli-Schaumsuppe erst nach Verzehr deklarieren. Blutcrème! Erst etwas unangenehm im Gaumen, dann, nach kräftigem Löffeleinsatz, tadellos. Der nächste «Akt» (so heissen hier die Gerichte) ist harmloser: Kabeljau, prima Qualität, auf Rahm-Sauerkraut, mit Hummerbisque und Beurre blanc.

Apropos Löffel: Kriegt man im «Hopfenkranz» auch was zu beissen? Später im Menü schon, und das ist auch nötig: Nur «Umami» im Teller verleidet. Ein Bio-Schweinebauch vom lokalen Ueli-Hof wird serviert, dann dreimal Kalb: «Runde Mocke» (falsches Filet), geschmorte Haxe, Milke in dünnem Teig. Stiefel und seine junge Köchin Andrea Troxler schicken noch Käse vom Luzerner «Chäs Chäller» raus ins Kerzenlicht-Restaurant, dann ist es geschafft. Übrigens: Auf Andrea ist Verlass. Ist der Chef als Caterer im Einsatz (und das ist öfter der Fall), schmeisst sie den Laden ganz allein und ziemlich gut.

Oscar de Matos

Er kommt uns spanisch vor: Oscar de Matos überrascht mit raffinierten Tapas.

Al Dente Luzern, Maihöfli

Eine Quartierbeiz, auch für Gourmets: Das «Maihöfli» in Luzern. 

Das «Bahnhöfli» ist jetzt eine Bodega. Noch einer aus der Szene der «jungen Wilden» ist gut unterwegs: Stiefels Nachbar Oscar de Matos. Sein ehrwürdiges «Maihöfli» steht seit 1896 und ist eigentlich ein gewaltiger Irrtum: Das «Maihöfli» wurde als «Bahnhöfli» geplant, mit Bahnhof-Hotel gleich nebenan. Dummerweise fährt der Zug jetzt aber am anderen Ufer des Rotsees vorbei … Oscar de Matos hat einen neuen Bestimmungszweck für das hübsche Lokal gefunden: «Bodega Española»! Kein Zufall, eher Vergangenheitsbewältigung: Matos führt stolz Engagements bei den spanischen Superstars Ferran Adrià («El Bulli», drei Jahre) und die Roca-Brothers («El Celler de Can Roca», Stage) in seinem CV auf.

Und mittags prima Hacktätschli.  Zwei der zehn Tapas, die Partnerin Nadine Baumgartner mit einem fröhlichen Lächeln servierte, waren besonders gut: die in Soja-Sauce marinierte Shiitake-Pilze mit temperiertem Eigelb und Pilz-Pulver, die Kartoffelcrème mit Felchenkaviar. Das «Maihöfli» ist übrigens auch mittags eine coole Adresse: Steinpilzcrème, Spaghetti alle vongole, Erbsenrisotto oder «Hacktätschli» mit Kartoffelstock in bester Qualität. Testnotiz beim Begleichen der unglaublich tiefen Rechnung: Oscar kann wohl besser kochen als rechnen!

Michele Meier Rest. RED, KKL 2019

Noch ist sie ein Geheimtipp: Michèle Meier kocht im KKL Luzern. 

Michèle Meier? Hingehen! Höchste Zeit, von einer jungen Frau zu schwärmen, die eigentlich zur Luzerner Koch-Elite gehört – nur weiss das noch keiner! Michèle Meier (früher «Blinker», Cham) powert seit ein paar Monaten im KKL Luzern. Ihr Restaurant im ersten Stock ist ohne profunde Ortskenntnisse kaum zu finden, aber wer einmal drinsitzt, ist begeistert: von der Aussicht. Und vor allem von der Performance im Teller. Highlights der letzten Karte: Michèles berühmte Ravioli (mal mit Maroni, mal mit Jakobsmuscheln und Chorizo). Wollschweinkotelett mit geräuchertem Kartoffelpüree. Ein Coq au vin vom Bruderhahn! Ob die KKL-Funktionäre doch noch mitbekommen, dass sie ein Juwel im Haus haben? Das ehemalige «Red» wird umgebaut, entschlackt, heisst neu «Lucide». GaultMillau empfiehlt: Hingehen! Michèle Meier und Christian Gujan, ihr souveräner Partner an der Front, werden Sie nicht enttäuschen.

>> www.hopfenkranz.ch 

>> www.restaurantmaihoefli.ch

>> www.kkl-luzern.ch

 

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