Text: David Schnapp Fotos: MG_RTL_D
Tim Mälzer, was macht einen guten Fernsehkoch aus?
Er muss, über die fachliche Kompetenz hinaus, verbalisieren können, was er macht. Fernsehen ist Unterhaltung, das sollte man also schon auch können. Es braucht Leidenschaft fürs Kochen, denn die Zuschauer merken, wenn man die nicht hat. Und beim Kochen vor der Kamera geht es um das Produkt. Es geht nicht darum, sich über andere zu erheben, etwas besser zu machen als der andere.
Sind Fernsehköche besser als ihr Ruf?
Vielleicht werden sie etwas unterschätzt. Auch Top-Chefs wie Andreas Caminada haben dem Publikum viel zu erzählen, wenn es darum geht, etwas Einfaches hervorragend zu kochen. Spitzengastronomie hat ja auch eine Aufgabe: Sie soll ihr enormes Wissen über Ästhetik und Geschmack weitergeben. Sonst ist es wie in der klassischen Musik, wo man gerne im etwas elitären Kreis unter sich bleibt.
Wenn die Leute immer mehr Kochsendungen schauen, hält man sie dann nicht von der Küche fern, oder kochen sie tatsächlich besser?
Beides ein bisschen. Das Niveau der Hobbyköche in Sendungen wie «Die Küchenschlacht» ist mittlerweile enorm, die wissen ja oft mehr als ich (lacht). Es gibt aber auch Sendungen wie «Grill den Profi», die reine Unterhaltung sind. Andere Formate vermitteln schon den einen oder andere Trick. Ich glaube, dass Kochsendungen und Fernsehköche ihren Teil zu einem kulinarischen Qualitätsempfinden der Zuschauer beitragen. Aber die einzige Lösung dafür, dass die Zuschauer besser und bewusster kochen, sind Kochshows sicher nicht.
Sie pflegen sorgsam das Bild des einfachen Mannes, der den schlichten kulinarischen Genüssen zugetan ist. Worum geht es Ihnen?
Ich liebe Essen und Trinken, und dass ich durch «Kitchen Impossible» so viele kulinarische Orte besuchen darf, finde ich sehr bereichernd: Reisen, lernen, essen und geniessen. Es muss auch nicht immer ein besonders originelles Gericht sein. Das Wienerschnitzel von Johann Lafer im Kräutergarten etwa ist einfach, aber dennoch schön. Es definieren ja nicht nur die grossen Restaurantführer, was gute Küche ist. Es gibt nicht nur EIN gutes Kochen, und das ist ja das Schöne daran. Eine Bratwurst, perfekt gewürzt, auf der richtigen Holzkohle gebraten, ist manchmal schon genug.
Gehen Sie eigentlich heimlich in Sternerestaurants?
Nein, überhaupt nicht. Ich gehe sogar gerne in Sternerestaurants, ich mag diese Atmosphäre. Kürzlich hatte ich ein tolles Erlebnis in der «Traube Tonbach» und habe gemerkt, dass ich über meine eigenen Bewertungskriterien mal wieder nachdenken sollte. Ich hatte fälschlicherweise ein spiessiges Bild von diesem Restaurant, das ich dringend revidieren musste.
Was ist Kochen für Sie?
Die Essenz des Kochens ist für mich die Atmosphäre: Ich stehe nicht mehr täglich in der Restaurantküche, aber immer wenn ich rausgehe und sehe, wie die Leute glücklich am Tisch sitzen und miteinander kommunizieren, ist für mich klar, dass es darum geht. Du siehst die Leute lachen und schmusen - das ist die beste Belohnung überhaupt. Ich möchte Menschen berühren, und für mich sind wir Köche moderne Geschichtenerzähler. Wenn ich einen tollen Linseneintopf koche, und die Gäste sich später an den Moment erinnern, als sie den gegessen haben, dann habe ich einen guten Job gemacht.
Wie hat sich Ihr Verständnis vom Kochen in den letzten Jahren entwickelt, welche wichtigen Lektionen haben Sie gelernt?
Es gab prägende Momente in meiner Karriere, die ich klar benennen kann. Ich war in der Ausbildung ja ein Einserschüler, habe Wettbewerbe gewonnen und ging danach ins «Ritz» in London. Aber wirklich wichtig war zum Beispiel die Begegnung mit einem italienischen Koch, der mir eine wichtige Lektion erteilt hat: Am Ende muss es einfach schmecken. Auch von Jean-Georges Vongerichten und Tim Raue habe ich viel gelernt über Aromen, die ich eigentlich nicht so mochte. Ausserdem hat Eckart Witzigmann mir bei einem gemeinsamen Kochbuchprojekt gezeigt, was echte Produktliebe ist: Warum Rahm nicht gleich Rahm und Butter nicht gleich Butter ist. Ein Dressing für einen Serviettenknödelsalat wurde bei ihm zu einem richtigen Ereignis. Da habe ich so richtig verstanden und erleben dürfen, was ihn zum Jahrhundertkoch macht.
Und heute?
Ich werde immer wieder von Entwicklungen mitgenommen. Die japanische Küche zum Beispiel fasziniert mich gerade sehr – nicht wegen der Produkte, sondern wegen der Herangehensweise an das Kochen. Die ist glasklar und lässt immer dem Produkt den Vortritt. Kochen muss nicht zwangsläufig kreativ sein. Ein Ratatouille ist ein Ratatouille, da braucht es für die Wahrnehmung der Qualität keine grossen Ideen. Essen muss eine Geschichte erzählen: Ein richtiges Barbecue, bei dem das Fleisch 24 Stunden im Smoker gegart wurde, kann man gerne mit den Händen essen. Wenn man das Fett und die Sauce an den Fingern hat, ist das Teil des Ganzen. Sushi wiederum sollte man nicht im Take Away holen, dazu gehört einfach die Geschichte des Kochs, der es für einen zubereitet. Dieses Erlebnis geht beim Take Away verloren.
Seit 2016 machen Sie «Kitchen Impossible», die Sendung wurde mehrfach ausgezeichnet. Wie erklären Sie jemandem, der es noch nie gesehen hat, das Format?
Es geht darum, dass sich zwei Köche gegenseitig vor kulinarische Herausforderungen stellen und sich dabei beobachten, wie sie scheitern oder im besten Falle triumphieren. Jeder Koch hat einen sehr hohen Anspruch an sich und will die unerreichbare Note zehn bekommen. Selbst mit neun Punkten ist man dann nicht so richtig zufrieden. Deshalb ist das Scheitern schon etwas vorprogrammiert. Besonders spannend ist das bei Sterneköchen zu beobachten. Die brauchen ja sechs Monate für ein neues Gericht, und diese sechs Monate werden ihnen bei «Kitchen Impossible» weggenommen. Sie haben dann nur noch vier Stunden und damit beginnt häufig schon das Drama...
In «Kitchen Impossible» haben Sie es mit der deutschsprachigen Kochelite zu tun. Was lässt sich über den Zustand der Haute Cuisine bei uns feststellen?
Ich habe den Eindruck, dass wir technisch-handwerklich zu den Besten der Welt gehören. Manchmal wünsche ich mir aber mehr Mut zur eigenen Handschrift. Leute wie Andreas Caminada oder Tanja Grandits haben einen unverkennbaren Stil, aber bei vielen anderen Köchen vermisse ich das. Die klassischen und die sozialen Medien fördern auch eine gewisse Eindimensionalität, indem sie nur einen kleinen Teil abbilden, der sich zu sehr in der Technik verliert. Plötzlich ist alles sous-vide zubereitet, Fleisch ist nur noch weich und butterzart. Es braucht auch nicht in jedem Gericht ein Knusperelement, Säure oder Süsse. Einfaches Salz tut es oft auch.
Wo essen Sie gerne, wenn Sie in der Schweiz sind?
Andreas Caminada hat mich schon beeindruckt, aber ich mag auch die «Kronenhalle» oder das Kalbskotelett von Jacky Donatz. Und zu den grossartigsten Erinnerungen gehört auf jeden Fall eine Heusuppe, die ich irgendwo auf einer Alphütte gegessen habe.
Ihre Karriere verlief nicht gleichmässig steil nach oben, Sie hatten ein Burnout, es gab geschäftliche Rückschläge. Sehen Sie da einen Zusammenhang zu «Kitchen Impossible», wo Sie regelmässig an Ihre Grenzen gehen?
Das Leben ist halt sonnig und schattig, alles andere ist massiver Selbstbetrug. Zuviel Glamour mag ich nicht. Eine Prüfung bei «Kitchen Impossible» hat alles, worum es im Leben auch geht: Kampf, Trauer, Wut, Niederlagen, Erfolge. Egal wie es ausgegangen ist, am Ende sitzt man am Tisch und klopft sich gegenseitig auf die Schultern. Es ist einfach ein tolles Gefühl, dass man sich der Herausforderung gestellt hat und auch erleichtert, dass es geschafft ist. Und ja, das hat irgendwie auch mit meiner Geschichte zu tun. Ich bin froh, dass ich diese verschiedenen Seiten zeigen kann.
Posten Sie auch Bilder vom Essen auf Instagram?
Nein, gar nicht. Ich fotografiere auch kein Essen, ich esse um zu essen. Ich möchte den Moment erleben und geniessen. Die Schnelllebigkeit des Internets und von Social Media ist meiner Meinung nach auch nicht gut für die jungen Köche. Sie müssen sich heute zu wenig erarbeiten, und sie nehmen sich kaum mehr die Zeit, um sich ein Fundament aufzubauen. Bei mir war das Tempo einiges gemächlicher. Ich musste noch Bücher kaufen, um in neue kulinarische Welten zu reisen wie jene von Marco-Pierre White, der mich mit seiner Leidenschaft wirklich geprägt hat. Ich bin informiert, was die kulinarischen Trends angeht, aber nicht überinformiert.
Zum Schluss noch ein paar Halbsätze, die Sie bitte ergänzen: Wenn man mich als Deutschlands Jamie Oliver bezeichnet, ist das…
… ein Riesenkompliment.
Zu einem guten Ragù a la Bolognese gehört…
…Fleisch und Zeit.
In meinem Kühlschrank habe ich immer…
… Parmesan, Speck, Butter, Jogurt, Tomaten, Eier, dazu im Vorrat Risotto-Reis und Pasta, Zwiebeln und Knoblauch.
Eierlikör ist…
… eine verkannte Schönheit.
Ein Brot zu backen bedeutet…
…unfassbares Handwerk. Richtiges Brot ist der Kern der Küche. Mit so wenigen Zutaten so viele Varianten zu schaffen, das ist pure Magie. Deshalb mache ich es auch nicht, ich habe zu viel Respekt davor.
Die wichtigsten Grundnahrungsmittel sind…
…Obst und Gemüse
Eine gute, einfache Mahlzeit bereitet man zu mit…
…Pasta, Knoblauch, Chili und Olivenöl oder Pellkartoffeln und Quark.
>> Kitchen Impossible, noch bis 25. März 2018 sonntags, 20.15 Uhr auf VOX.