Text: David Schnapp | Fotos: Thomas Buchwalder
Fische im Quellwasser. Für die Fische sind die kühlen Temperaturen an diesem Morgen ideal, aber für die Besucher, welche sich die Wärme der Küche gewohnt sind, ist zumindest warme Kleidung von Vorteil. Auf Einladung von Luca Bianchi haben sich eine Handvoll Küchenchefs in einem Wohnquartier im aargauischen Bremgarten eingefunden, wo Thomas Rüppel acht verschiedene Fische – Forellen, Saiblinge oder Lachsforellen – aufzieht. Dass die langen Becken für die verschiedenen Fische in unterschiedlichen Wachstumsphasen sich zwischen Wohnhäusern befinden, habe einen einfachen Grund, erklärt der Inhaber: «Direkt neben unserer Anlage befindet sich ein Quellwasser-Zugang, womit man früher die ganze Stadt Bremgarten mit Trinkwasser versorgt hat», erklärt Rüppel. Heute mache das Quellwasser den entscheidenen Qualitätsunterschied bei seiner Fischzucht. (Grosses Bild oben, v.l.: Benjamin Plsek, Michaela Frank, Manuel Steigmeier, Luca Bianchi, Andi Bolliger und David Heimer.)
Bio-Richtlinien. Der gelernte Architekt hat früher für die Swiss gearbeitet und unter anderem ganze Flughäfen in Indien gebaut, bis er 2003 die Fischzucht gekauft hat, in der er schon als 14-Jähriger mitgearbeitet hat. Aspekte wie Wirtschaftlichkeit und gute Planung waren Thomas Rüppel beim Aufbau seines neuen Geschäfts ebenso wichtig wie hohe Anforderungen an die Aufzuchtbedingungen. Sie entsprechen Bio-Richtlinien, auch wenn die Anlage nicht zertifiziert ist, weil das zu hohe Kosten nach sich ziehe, wie Rüppel sagt. Auf Antibiotika beispielsweise wird verzichtet und auch das Platzangebot entspreche den Bio-Vorgaben. «In einem konventionellen Betrieb würden in Becken gleicher Grösse fünfmal mehr Fische schwimmen», so der Züchter.
Nachhaltiges Wachstum. «Die Zucht von Thomas ist langsam gewachsen, deshalb ist die Qualität und die Konstanz heute sehr hoch», sagt Luca Bianchi. Seine Firma arbeitet seit Anfang an mit Thomas Rüppel zusammen und beliefert viele Restaurants mit ultrafrischem Fisch aus dem Aargau. «Ich kann nach dem Service um Mitternacht bei Bianchi Aargauer Forellen bestellen und bekomme sie schon am nächsten Morgen so frisch, dass die Fische noch Totenstarre haben», sagt «Josef»-Küchenchef und -Mitinhaber David Heimer aus Zürich. Die Lachsforellen legt der gebürtige Schwede für zehn Stunden in Salzlake ein, danach werden sie über Nacht im Kühlschrank getrocknet und zum Schluss geräuchert. «Nachhaltige Produkte in konstant hoher Qualität sind schwer zu finden. Deshalb ist eine Zucht wie diese für uns ein Glücksfall», findet Heimer.
Weisse Saiblinge fürs Schloss. Nur zwei, drei Kilometer Luftlinie von der Bremgartner Fischzucht entfernt, betreibt Manuel Steigmeier sein Restaurant Fahr in Künten-Sulz (17 Punkte). «Die Fische findet man bei uns natürlich immer wieder im Menü. Zurzeit gibt es gerade Bachforelle, die wir in Nussbutter bei 41 Grad konfieren und dann mit einer Meerrettich-Beurre-blanc, Rettich, Apfel und Dill servieren. Aber 90 Prozent des Gerichts besteht aus dem Fisch», so Steigmeier. In der Zusammenarbeit mit Köchen entwickelt Luca Bianchi wiederum im Austausch mit Züchter Thomas Rüppel das Angebot. «Weissfleischige Saiblinge zum Beispiel haben wir auf Anfrage von Andreas Caminada zuerst nach Fürstenau ins Schloss Schauenstein geliefert», sagt Bianchi. Heute gehört der weisse Saibling zum festen Angebot. Auch die grösseren, rotfleischigen Lachsforellen seien auf Nachfrage aus der Gastronomie entstanden.
Höchste Sorgfalt. Einen regen Austausch gibt es am Rand der Becken über die Frage, welche Bedeutung die Herkunft von Fisch und Fleisch im Restaurant mittlerweile haben, und wie sich der Konsum tierischer Produkte verändert hat. «Wir haben Gäste, die sich zu Hause vegetarisch ernähren, bei uns aber Fisch und Fleisch bestellen», erzählt beispielsweise Benjamin Plsek, seit drei Jahren Küchenchef im Zürcher «Maison Manesse» (16 Punkte) ist. Man vertraue also dem Restaurant, dass es bei der Beschaffung der Produkte höchste Sorgfalt walten lasse. «Wir nutzen die freien Tage oft, um Produzenten oder Winzer zu besuchen», sagt Michaela Frank, die das Kulturrestaurant «Am Rank» (13 Punkte) im Niederdorf verantwortet. Sie ist mit ihrem Kollegen Andi Bolliger angereist, der im «Rechberg 1837» (14 Punkte) in Zürich konsequent nur regionale Zutaten – viele davon von einem einzigen Hof – verwendet. Die Frage, woher die Zutaten für die Küche kommen, werde immer wichtiger, ist Michaela Frank überzeugt. Und bisweilen, das zeigt der Besuch im Aargauer Wohnquartier, kommen die besten Produkte aus überraschen naheliegenden Quellen.