Text: David Schnapp Fotos: Rémy Steinegger

2360 Punkte in 13 Jahren. Das beliebte Gourmetfestival San Pellegrino Sapori Ticino hat schon viele grosse Köche aus dem In- und Ausland erlebt. Tausende Gerichte in unterschiedlichsten Kochstilen wurden während des jeweils rund einen Monat dauernden Festivals schon aufgetischt. In Zahlen: 13 Jahre mit 2360 GaultMillau-Punkten und 240 Michelin-Sternen. Aber noch nie wurden an dieser Tessiner Genussparty Gerichte zum Teilen aufgetischt.

 

Premiere für Silvio Germann. Aber Sapori-Initiant Dany Stauffacher wollte für die jüngste Auflage des Festivals jüngere interessante Köche engagieren, einer seiner Mitarbeiter empfahl Silvio Germann. Der talentierte Luzerner hat Andreas Caminadas Sharing-Konzept «Igniv» im Grand Resort Bad Ragaz in kürzester Zeit zum Hot Spot auf der Schweizer Gourmetlandkarte gemacht. Und nun ist er der erste, der bei San Pellegrino Sapori Ticino Gerichte zum Teilen servierte.

Igniv Sapori Ticino

Zwei Teams: Francesco Benvenuto und Silvio Germann, «Igniv» (6. und 7.v.l.), «Seven»-Chef Claudio Bollini (8.v.l.).

Restaurant exportiert. Im «Seven», dem Restaurant im dritten Stock des Casinos mit unverbaubarer Seesicht wurde am Montagabend sogar der berühmte Candy Shop mit den Süssigkeiten zum Schluss aufgebaut. «Wir haben praktisch unser ganzes Restaurant einmal verladen und ins Tessin gefahren», erzählt Germann. Denn die Vorgabe seines Chefs Andreas Caminada war klar: Die Gäste sollen das volle «Igniv»-Erlebnis haben und keine lauwarme, abgespeckte Variante davon. Für Germanns Team gab das ein paar Extrastunden, das Menü für 80 Gäste musste vorproduziert werden: 19 Gerichte, Dutzende von Komponenten.

 

Eigenes Geschirr dabei. «Wir haben unser Geschirr mitgebracht und selbst die speziell angefertigten Rechauds wurden verladen», erzählt Silvio Germann, während er in der «Seven»-Küche von Claudio Bollini Foie Gras-Terrine portioniert. «Hoffentlich habe ich genügend Terrine dabei», sagt Germann lachend und gesteht: «Für so viele Gäste habe ich noch nie gekocht. Aber es sollte schon klappen, wir sind gut vorbereitet.» Zur guten Vorbereitung gehörte auch das Falten von vielen, vielen Brasato-Ravioli – eine Art Liebeserklärung ans Tessin.

Notstand in der Küche! Die grösste Herausforderung sei es, die Gerichte in einem guten Rhythmus tischweise zu schicken, damit auch an Zehnertafeln alle gleichzeitig zu essen anfangen können, und dass warme Gerichte heiss serviert werden, erklärt Germann. Fazit nach den ersten Kleinigkeiten und Vorspeisen: Es klappt hervorragend. Vom kurzen Notstand in der Küche, der entsteht, weil von den hübschen gläsernen Vorspeisenplatten nicht genügend vorhanden sind, merkt niemand etwas. «Wir mussten einfach die zurückkommenden Platten schnell abwaschen und gleich wieder anrichten», sagt Silvio Germann nach dem Service.

 

«Mit den Händen essen?» Bei den 80 Gästen steigt mit jedem neuen Teller, der zum Teilen auf den Tisch kommt, die Begeisterung. «Wir müssen unbedingt dieses Igniv besuchen», sagt die Frau eines Weinproduzenten und nimmt sich noch etwas von der Foie Gras mit Schokolade und dem luftig-buttrigen Brioche. Dabei mussten sich die Tessiner Gäste erst an die «Sharing»-Idee gewöhnen. «Soll man das wirklich mit den Händen essen?», ist eine Frage, die zu Beginn des Abends öfters gestellt wird. Am Ende, nach der Baiser-Bombe mit Schokoladen-Himbeermousse darunter, nach der Pfirsich-Tarte und nach dem Besuch im «Candy Shop» sind die Meinungen gemacht: «Das war eines der besten Essen meines Lebens», sagt zum Beispiel die Weinproduzenten-Gattin. Jetzt hat auch San Pellegrino Sapori Ticino seine «Sharing Experience».