Warum lohnt es sich, Wildpfeffer selber zuzubereiten?
Ich muss gestehen, dass ich eher mal Wild-Ragout und darum selten Pfeffer mache. Diese Zubereitung hat ja eigentlich drei Ziele.
Und die wären?
Erstens geht es um die Haltbarmachung, was mit den heutigen Kühlmöglichkeiten eigentlich entfällt. Zweitens geht's darum, den Wildgeschmack zu bändigen. Und drittens soll das Fleisch zarter und mürber werden. Letztere beiden Punkte entfallen, wenn das Wild nicht aus den herbstlichen Treibjagden stammt, bei denen das Tier Stresshormonen ausgesetzt ist. Und wenn man auf einen guten Jäger zählen kann.
Wie kommt man zu Fleisch aus einheimischer Jagd?
Googeln Sie nach den regionalen Jagdgesellschaften und fragen Sie dort, wer Ihnen beispielsweise ein halbes Rehs liefern kann. So wird es auch preislich interessant. Und: Man braucht dann nicht bis in den Herbst zu warten, bis man etwa Reh-Carpaccio, eine Haxe «al barolo» oder Bao Buns mit Pulled-Wildschwein zubereiten kann.
Zurück zum Wildpfeffer: Empfehlen Sie’s trotzdem, sich daheim daran zu wagen?
Aber sicher! Weil man ihn dann so würzen kann, wie man’s möchte. Bekanntlich steht nicht jeder auf zu viel Nelke oder Wacholder. Und wenn’s nach mir geht, muss auch das Binden der Sauce mit Blut vom Hausschwein nicht unbedingt sein. Was hat ein Schwein mit einem Reh zu tun?
Welche Fleischsorten kommen für einen Pfeffer infrage?
Man kann ihn unter anderem aus Reh, Hirsch, aber auch Wildschwein machen. Sogar Dachs und Hase kommen infrage. Verwendet werden meist gut durchzogene Stücke wie Hals, Haxe oder Schulter.
Was kommt sonst in die Beize?
Als Basis dient ein anständiger, kräftiger Kochwein, den man mit Gewürzen wie Pfeffer, Wacholder, Lorbeerblättern und Wurzelgemüse ergänzt. Weil man die Sauce nach dem Beizen ein, zwei Stunden kocht, würde ich da wirklich keinen allzu teuren Tropfen verwenden. Es ist sinnvoller, die Sauce dann kurz vor dem Servieren mit einem Schuss desjenigen Weins abzuschmecken, den man auch dazu trinkt. Das darf dann schon Barolo, Bordeaux oder Humagne Rouge sein.
Adresse für Fleisch- und Wildfreunde: Taverne Johann in Basel-Stadt.
Chris Hartmann schmort auch gern eine ganze Reh-Haxe im Rotwein.
Wie lange bleibt das Fleisch in der Beize?
Zwischen sieben und zehn Tagen, danach passiert irgendwann nicht mehr viel. Natürlich ist die Grösse der eingelegten Stücke entscheidend. Und: Wer zu lange zuwartet, ich spreche da von drei Wochen oder so, wird merken, dass das Fleisch etwas mehlig werden kann.
Gibt es Alternativen zum Kühlschrank? Kiloweise Fleisch samt Beize brauchen daheim viel Platz!
Ein kühler Keller mit maximal zehn Grad tut’s in diesem Falle auch. Aber auch den hat leider ja nicht jeder.
Wie koche ich den Pfeffer, wenn das Beizen vorüber ist?
Ich trenne Fleisch, Gemüse und Beize. Wichtig ist, die Fleischstücke gut abzutrocknen, dass beim anschliessenden Anbraten in etwas neutralem Öl oder Bratbutter auch wirklich Röstnoten entstehen. Wer möchte, stäubt noch ein wenig Mehl darüber – auch so entstehen Röstaromen, und die Sauce bindet besser. Abgelöscht wird mit der Beize und mit Wildfond. Danach lässt man alles köcheln. Etwa eine halbe Stunde, bevor das Fleisch gar ist, kommt das Gemüse hinzu.
Die Sauce muss noch abgeschmeckt und gebunden werden. Wie mache ich das daheim am besten?
Trübstoffe schöpft man mit einer Schaumkelle weg. Die Bindung kommt wie beschrieben vom Mehl und vom Kollagen im Fond. Darüber hinaus kann man auch etwas dunkle Schokolade beigeben. Oder Preiselbeerkonfitüre, die auch geschmacklich gut passt. Mit der gleichen Kochmethode, das ist mein Geheimtipp, könnte man auch mal eine ganze Rehhaxe zubereiten.
Muss ich die Beilagen selber machen?
Wer sich die Mühe macht, einen Reh- oder Hirschpfeffer selber zu machen, sollte am Ende auch die Extrameile gehen. Auch wenn ein Herbstteller mit selbstgemachten Spätzli und Rotkraut, zugegeben, schon sehr aufwändig ist. Der grosse Vorteil solcher Gerichte: Man kann sie wunderbar am Vortag schon fertigstellen!
>> Chris Hartmann ist Küchenchef in der Taverne Johann in der Stadt Basel und dort mit 13 Punkten ausgezeichnet. Vor einigen Tagen hat er seinen Jagdschein gemacht und kann endlich seinen lang gehegten Traum erfüllen: den Gästen selbst gejagtes und zerlegtes Wildfleisch auftischen.
Fotos: Shutterstock, Lucia Hunziker