Text: GaultMillau Schweiz | Fotos: Salvatore Vinci
LUKAS ALLEIN AM HERD. Burgdorf besitzt zwei grosse Attraktionen: die zauberhafte Altstadt aus der Zähringer-Zeit und die «Gedult» am Fusse derselben. Verantwortlich für die kulinarischen Höhenflüge im charmanten Restaurant mit dem Charme eines französischen Bistros ist Lukas Kiener, einer der besten Alleinköche im Land. Zur Begrüssung und zur Verabschiedung der Gäste kommt der junge Mann aus der Küche, sonst aber werkelt er lieber im Stillen. Mit bewundernswerter Hingabe und grossem Geschick übrigens. Schon seine Amuses Bouches sind kleine Kunstwerke, das eigentliche Menü sowieso. Bild oben: Lukas Kiener in der Türe seines Restaurants.
Kalbeljau mit Kürbis und Kumquats: Ein typischer «Kiener».
Tief verwurzelt: Lukas Kiener liebt regionale Produkte.
Hier lang: Dieses Schild weist den Weg zu exzellentem Essen.
VIER, FÜNF ODER SECHS GÄNGE? Diese Frage sollte man unbedingt mit «sechs» beantworten. Man würde sonst den Käsegang verpassen, der in der «Gedult» immer ein besonderes Highlight ist. Bei unserem letzten Besuch lässt Chef Lukas einen mit Sauerampferschaum überzogenen Vacherin-Windbeutel auf einer Winterberg-Käse-Creme auftragen. Klingt vorzüglich und schmeckt noch besser! Mit Vorliebe setzt Kiener besondere Produkte aus dem Kanton Bern in Szene. «Ämme Shrimps» zum Beispiel, die auf einem Bauernhof in Burgdorf gezüchtet werden. Er kombiniert die Krustentiere mit einer kräftigen Bisque aus ihren Schalen, Zitrone (als Filets und Perlen) und frittierten Kapern. Die Eier, die er verarbeitet, kommen aus Ersigen, der Käse aus Sumiswald, das Fleisch prinzipiell aus der Schweiz. Es darf aber gerne auch ein wenig exotisch sein. Zum Beispiel mit Kumquats zu Kabeljau und Kürbis.
Kleine Küche, grosse Leistung: Der Chef der «Gedult» in seinem Reich.
GRAPEFRUIT TRIFFT SKREI. Sein Stil sei leicht und verspielt, sagt der «Gedult»-Chef. Dem können wir nur zustimmen! Ein wunderbares Beispiel: der glasig gegarte Skrei auf Selleriepüree an einer luftigen, mit Grapefruit verfeinerten Hollandaise aus dem aktuellen Menü. Abgerundet wird das Gericht mit den feinen Bitternoten von Grapefruit-Gel und -Filets. Das Rind zum Hauptgang ist bei Kiener kein langweiliges Filet, sondern ein charaktervolles Flanksteak, dem eine fruchtige Peperonicreme Leichtigkeit verleiht. Für Spannung sorgt ein Zwiebelconfit mit geröstetem Buchweizen, wie eine Umarmung wirkt die Beilage, eine cremige Krokette mit Belper Knolle. Ein weiteres Markenzeichen der «Gedult»: kleine Aufmerksamkeiten wie ein hausgebackener Mini-Zopf oder eine winzige Dubai-Schoggi zum Mitnehmen.
Lust auf einen Apéro? Vor der «Gedult» hat es eine Mini-Terrasse.
Vegetarisch à la Kiener: Schwarzwurzel mit Feige, Yuzu, Zwiebel, Zitronengras und Pistazie.
Liebe zum Detail: In der «Gedult» sind die Servietten hübsch bestickt.
PLACE TO B. Von Dienstag bis Samstag (18 bis 23 Uhr) zieht Lukas Kiener in der «Gedult» seine beeindruckende Show ab. Das Menü gibt es stets auch in einer vegetarischen Variante, die ebenso viel Freude bereitet. In der warmen Jahreszeit kann man auf der kleinen Terrasse vor dem Lokal Platz nehmen. Drinnen punktet das beste Restaurant im Emmental mit dem Charme eines französischen Bistros und tiefen Fenstern. Das Haus, in dem die «Gedult» untergebracht ist, stammt aus dem Jahr 1716. Um mit XXL-Appetit zu Tisch zu sitzen, empfiehlt sich ein Spaziergang in die feudale Oberstadt zwischen Schloss und Kirchenhügel. Und dann die grosse kulinarische Oper! GaultMillau-Rating: 17 Punkte.
Die GaultMillau-Tester stellen im Auftrag der UBS jede Woche einen «Place to b.» vor: Adressen für den gepflegten Businesslunch, für den Brunch am Wochenende, für ein Essen mit Freunden, für Trendsetter & Entdecker, für Verliebte. Bereits erschienene «Tipps der Woche» finden Sie hier.