Text: Stephan Thomas
Klein, aber fein. Man könnte den Begriff «indirekt proportional» anhand von Lüthi Weinbau in Männedorf illustrieren: Aussergewöhnlich kleine Rebfläche, dafür aber rekordverdächtig viele Auszeichnungen, Preise und Medaillen. Tatsächlich liegen Susan und Rico Lüthi mit ihren zwei Hektaren Rebland unter den dreien, die man oft als Minimum für ein Familienauskommen angibt. Das funktioniert, weil man fast alles von Hand bearbeitet und auf diese Weise einen teuren Maschinenpark spart. Etwas anderes ist am steilen und dicht bestockten Stäfner Lattenberg ohnehin keine Option. Dazu kommt, dass man nach einem heute kaum noch praktizierten Modus nicht nur das Rebland, sondern auch die Reben gepachtet hat. Das spart Kosten bei allfälligen Neupflanzungen. Grosses Bild oben: Susan und Rico Lüthi.
Medaillensegen. Die relativ wenigen Flaschen, die aus Lüthis Rebbergen kommen, überzeugen die Juroren an Wettbewerben und Prämierungen umso mehr. Zehnmal in Folge kam der Pinot Noir Barrique am Swiss Vintage Award in die Kränze, der Pinot Gris Barrique und der Blanc de Noirs Brut wurden am Mondial des Pinots vergoldet. Da wundert es nicht, dass Lüthis Flaschen längst kein Geheimtipp mehr sind. Die Liste der Restaurants, die Lüthi-Weine ausschenken, ist eindrücklich und hochkarätig. Vom Müller-Thurgau, bei Lüthis Riesling x Madeleine Royale genannt, ist auch der renommierte Weinsensoriker Hans Bättig begeistert. Eine Vertikale der Jahrgänge 1998 bis 2023 bezeichnete er als «Schlüsselerlebnis», das ihm Eindrücke zu Tage gefördert habe, die er «in dieser Art nicht für möglich gehalten» hätte. Ein Ritterschlag.

Hier würde man auch gerne wohnen: Lüthis Rebberge mit Seeblick.
Im Rebberg passierts. Rico Lüthi bewirtschaftet am Zürichsee geschichtsträchtige Vorzeigelagen. Dabei war ihm das Winzern nicht in die Wiege gelegt. Ursprünglich stammt er aus Grenchen, wo der Weinbau weitgehend ausgestorben ist. Der Winzerberuf faszinierte ihn aber, so dass er eine Lehre absolvierte und auch später im Weinbau arbeitete. Das grösste Vorbild war ihm dabei der unvergessene Hans Ulrich Kesselring vom Weingut Bachtobel, das ihn stilistisch geprägt hat. Lüthis Credo: Wer im Rebberg sauber arbeitet, hat es nachher einfacher. Er muss weniger schwefeln und riskiert beim Extrahieren der Roten keine schroffen Tannine.
Der bessere Sauvignon. Lüthis wären kein richtiges Zürichsee-Weingut, wenn nicht der Räuschling eine grosse Rolle spielen würde. Hier steht ein fadengerader Basiswein neben dem legendären R3, ein Gemeinschaftswerk mit den Weingütern Rütihof und Schwarzenbach. Mit letzteren verbindet Rico Lüthi manches: Er verwendet historische Hefen, die Schwarzenbachs aus altem Räuschling isoliert und wiederbelebt haben. In ihrem Keller ist Rico Lüthi auch fürs Keltern eingemietet. Das zweite Aushängeschild ist der Pinot Noir. Ihn gibt es aus dem grossen Holz und aus dem Barrique. Im Angebot ist auch Scheurebe. Sie ist gewissermassen Ersatz für Sauvignon Blanc, der für Lüthi mancherorts mit einer unnötigen süssen Spitze gekeltert wird. «Bei mir ist die Scheurebe der bessere Sauvignon!»
Coup de Coeur: Räuschling 2008
Das liegt im Keller: Pinot Noir Barrique 2021; Scheurebe 2024; Pinot Gris Barrique 2023
Drei GaultMillau-Köche mit Lüthi-Weinen: Daniel Zeindlhofer im «Igniv» Zürich (17 Punkte). Maria Appel im «Pflugstein» Erlenbach (14 Punkte). Cham Günter in der «Wirtschaft zur Burg» Meilen (16 Punkte) .
Das passt zusammen: Egli meuniere aus dem Zürichsee mit gerösteten Mandeln zu Räuschling, jung oder gereift
Fotos: HO
