Text: David Schnapp Fotos: Thomas Buchwalder

Tiefenentspannt. Esben Holmboe Bang schlendert gestern Nachmittag tiefenentspannt in die Küche seines Gastgebers Heiko Nieder: schwarze Jeans, blütenweisse Kochjacke mit langen Ärmeln, unter denen die schwer tätowierten Arme erahnt werden können. Der grossgewachsene Däne ist einer des Stars bei dem von BMW präsentierten The Epicure, dem exklusiven Gourmetfestival im Swiss Deluxe Hotel «The Dolder Grand». Bangs Restaurant «Maaemo» (Mutter Erde) eröffnete 2010 in Oslo, schon 2016 bekam es den dritten Michelin-Stern und war mit dem «Geranium» in Kopenhagen das erste Haus in Skandinavien überhaupt, das diese Auszeichnung erhielt.

Heiko Nieder, Esben Holmboe Bang 2019

Denkwürdiger Abend: Esben Holmboe Bang mit Heiko Nieder im «The Restaurant».

Erst Familie, dann Arbeit. In Zürich ist er an diesem Donnerstag eben erst angekommen. «Ich musste meine beiden Söhne noch zur Schule bringen», erklärt er in aller Ruhe. Aber Bang und seine beiden Köche, die vorausgereist sind, wirken perfekt vorbereitet. Und Gastgeber Heiko Nieder sagt: «Eine so angenehme Zusammenarbeit ist selten.» Für seinen Kollegen aus Norwegen ist das eine Frage des Respekts: «Ich möchte ja nicht in eine fremde Küche kommen und für Chaos sorgen, das wäre ziemlich unkollegial. Ich möchte perfekt vorbereitet sein.»

 

Nordische Disziplin. Wir begleiten Esben Holboe Bang durch den Abend und erleben einen klugen Koch, der ziemlich genau weiss, was er will und seine Ziele erreicht, ohne dabei jemals die Haltung zu verlieren. Jeder Handgriff ist überlegt und vorgesprochen, die drei Skandinavier arbeiten exakt und sauber. Zwischendurch ist zu beobachten, wie Bang den Geschirrwagen putzt, auf dem Heiko Nieders Köche dreckige Pfannen und andere Küchenutensilien deponieren, bevor sie zum Spülen abgeholt werden. Das habe er in sechs Jahren Epicure noch nie gesehen, sagt Heiko. Und für Esben ist es eine natürliche Art zu arbeiten: «Wir haben eine Küche, die etwa so gross ist wie die von Heiko. Dort stehen mit allen Stagiaires aber etwa 20 Leute. Wenn man da nicht sehr sauber und diszipliniert vorgeht, herrscht schnell Chaos, und das will ich nicht.»

Geschmack durch Öl. Der 37-jährige Däne bereitet jetzt ein erstes Gericht vor, Heiko Nieder geht im zur Hand: In eine kleine Schale kommt eine Austerncreme, die mit einer Scheibe Austerngelee abgeschlossen wird. Darauf kommt später eine Austern-Muschel-Dillöl-Emulsion, was für einen reichhaltigen, salzig-jodigen Meeresgeschmack sorgt. Öle sind ein wichtiges Element in Bangs Küche, die intensiv schmeckt, aber mit wenigen Komponenten pro Gericht auskommt. Zu den bloss mit Salz marinierten Jakobsmuscheln gibt es ein Öl aus gerösteten Zwiebeln und eine Vinaigrette mit Aquavit, der norwegischen Spirituose. Selbst im Dessert – Blaubeeren mit Ziegenmilcheis und Fichtengel – kommen zwei Öle zum Einsatz: Lavendel und Rhabarberwurzel.

Königskrabbe und Rentierherz. Das stärkste Gericht des Abends ist allerdings Bangs Hauptgang: Königskrabbe, die in einer cremigen Sauce auf Basis eines Hühnerfonds leicht gegart wird. Die spezielle fleischige Umami-Note gibt aber geräuchertes, getrocknetes Rentierherz, mit dem der Fond aromatisiert wird. Auch hier sorgt ein Öl von gerösteter Hühnerhaut für ein besonderes Parfüm. Eine optisch eher unscheinbare, geschmacklich aber umwerfend gute Kombination.

 

«Ich wollte nie einen Investor.» Er habe immer eine persönliche Küche machen wollen, sagt Esben über seinen Stil. «Als junger Koch war ich Küchenchef in einem Osloer Ein-Sterne-Restaurant. Und alle haben dasselbe gekocht: französische Zutaten, französisch zubereitet. Ich hätte in jedes andere Restaurant dieser Art in der Stadt gehen und ohne die Karte zu kennen, mitkochen können», sagt er. Deshalb habe er sich für seinen eigenen Weg entschieden, «und wir haben damit etwas in Gang gebracht». Auf seiner Reise an die Spitze hat sich Esben Holmboe Bang vor allem auf sich selbst verlassen. «Ich wollte nie einen Investor, ich wollte mir meinen Erfolg erkämpfen», sagt er.

 

Das «Maaemo» zieht um. Zu seinen unerschütterlichen Vorstellungen vom richtigen Weg zum Erfolg, gehört es auch, Familie und Arbeit gleichwertig zu gewichten. Das «Maaemo» hat heute nur an vier Tagen geöffnet, im Februar 2020 zieht das Restaurant um: «Wir werden dann von Montag bis Freitag geöffnet haben, und für die Angestellten ist das, als würden sie in einer Bank arbeiten», sagt Bang. Die nordische Coolness hat auch an diesem Abend in Zürich nur positive Auswirkungen: «Das ist der entspannteste Abend, den ich in sechs Jahren bei diesem Festival erlebt habe», sagt Heiko Nieder.