Text: David Schnapp Fotos: Rémy Steinegger

Nur Produkte aus den Bergen. Norbert Niederkofler gilt als einer der Miterfinder der modernen Alpenküche, eine Art René Redzepi der Berge. «Cook the Mountain» (Koch den Berg), heisst das Konzept, das er 2009 etabliert hat. Seither kocht der Südtiroler nur noch mit Produkten aus der alpinen Region. Auch im Tessin.

Niederkofler Bassan

Gipfeltreffen: Norbert Niederkofler mit Gastgeber Luca Bassan vor Mario Bottas Prachtsbau «Fiore di Pietra».

Mit der Zahnradbahn auf den Gipfel. Am Samstag verlegte der 56-Jährige seine Küche für einen Abend von den Südtiroler in die Tessiner Berge. Am Gourmetfestival S. Pellegrino Sapori Ticino gab er mit Gastgeber Luca Bassan im «Fiore di Pietra» eine Kostprobe seines Schaffens ab. Das Setting dafür war spektakulär! Die Gäste mussten zuerst mit der alten Zahnradbahn auf den Monte Generoso gebracht werden, wo auf 1704 Meter über Meer in Mario Bottas Monumentalbau aufgetischt wurde.

Erster Dreisterne-Koch im Südtirol. Die Zutaten für den Tessiner Abend habe er von zu Hause mitgebracht – von Berg zu Berg sozusagen, erzählt der frisch gebackene 3-Sterne-Koch. Das erste Mal überhaupt gibt es im Südtirol einen Koch mit 3 Sternen und 19 GaultMillau-Punkten. «Ich hätte nicht gedacht, dass das mit unserem Konzept möglich ist. WIr verwenden ja kein einziges französisches Produkt», sagt Niederkofler.

Norbert Niederkofler

Falsche Tomate: Aus fermentierten Pflaumen macht Niederkofler einen Brotaufstrich.

Lokale Produzenten, tiefe Kosten. Über Jahre hat Niederkofler seine regionale Bergküche entwickelt, hat mit Produzenten intensiv gearbeitet. «Heute haben wir 450 Gemüsesorten zur Verfügung», sagt der Chef. Und abgesehen davon, dass es sinnvoll sei, mit regionalen Produkten zu arbeiten, würden so auch die Food-Kosten sinken. «Es gibt wohl wenig Dreisterne-Köche mit Warenkosten von unter 30 Prozent», sagt Niederkofler lachend.

Apéro am Sapori Ticinio

Apéro in luftiger Höhe: Häppchen, Champagner und eine grandiose Weitsicht auf 1704 Meter über Meer.

Fonds und Fermentation statt Salz. Der Südtiroler verzichtet nicht nur auf exotische Zutaten sondern auch weitgehend auf Salz. Das sei bei den ersten zwei Gängen vielleicht noch irritierend, «aber dann nimmt man die natürlichen Aromen viel besser wahr», findet Niederkofler. «Wir arbeiten wie die Japaner viel mit Fonds, Essenzen und Fermentation, die eine natürliche Salzigkeit haben», erklärt er.

Blutemulsion, Renke, Kalbszunge, Taube, Gianduja. Und Niederkoflers Menü für 85 Gäste auf dem Monte Generoso? «Falsche Tomaten», die in Wahrheit fermentierte Pflaumen sind, eine Art Tortilla mit Blut-Emulsion, Nose-to-Tail-Tatar inklusive knuspriger Schuppen und Gräten von der Renke – ein lachsartiger Fisch –, Risotto mit Graukäse, Kalbszunge mit Preiselbeeren, Taubenbrust und Taubenschenkel am Spiess sowie ein Dessert aus Schokolade und Gianduja. Festival-Direktor Dany Stauffacher war stolz über den Auftritt des Starchefs: «Es war eine anspruchsvolle kulinarische Reise mit Norbert, aber sie sich in jedem Moment gelohnt.»