Interview: Kathia Baltisberger Fotos: Thomas Buchwalder/Nik Hunger

Moritz Stiefel, Sie durften nicht kochen im zweiten Lockdown. Untätig waren Sie aber trotzdem nicht. 
Der erneute Lockdown war ein Schock. Wir waren immer ausgebucht, richtig motiviert. Als wir schliessen mussten, wurde ich fast ein bisschen depressiv. Wir haben uns auch bewusst gegen einen Take-away entschieden – das wäre zu kompliziert gewesen. Dafür habe ich Private Dinners für zwei oder vier Personen angeboten. Das kam auch sehr gut an. Ausserdem habe ich einen Lehrling, den wir extrem geschult haben. Wir haben mehrere Testessen veranstaltet. Einmal kam auch Michèle Meier («Köchin des Jahres 2021», Anm. d. Red.) vorbei und hat probiert. Da war mein Stift extrem nervös, aber alle waren begeistert. Das kommt gut bei den Abschlussprüfungen im Sommer. 

 

Und wie steht es finanziell um den «Hopfenkranz»? 
Wir machen das jetzt seit fünf Jahren, hatten alle Schulden abbezahlt und dachten: 2020 wird ein Superjahr. Jetzt haben wir unsere Reserven aufgebraucht. Also haben wir ein Crowdfunding gestartet und innerhalb von wenigen Tagen schon sehr viel erreicht. Es gab verschiedene Angebote: Rezepte für zu Hause oder eine Stage im «Hopfenkranz». Auch die Beizen-Tour mit mir kam sehr gut an. Es kamen über 30'000 Franken zusammen. 
 

Martinigans, Stiefels Hopfenkranz, in Luzern

Um über die Runden zu kommen, startete Moritz Stiefel ein Crowdfunding für den «Hopfenkranz».

Sie mussten auch harte Entscheidungen treffen und Mitarbeiter entlassen. 
Das war der Tiefpunkt der Krise. Ich habe offen kommuniziert, dass es wirtschaftlich einfach nicht mehr gehe und sie haben das verstanden. Die betroffenen Mitarbeiter sind mittlerweile auch woanders untergekommen, eine Kollegin arbeitet zum Beispiel im «Culinarium Alpinum» in Stans. Im Sommer war ich mit dem Lehrling alleine in der Küche, das war ziemlich streng. Jetzt kann ich wieder Personal anstellen. Ein ehemaliger Souschef aus einer anderen Küche fängt jetzt an. Ich bin wieder voll motiviert.  

 

Haben Sie auch mal daran gedacht, alles hinzuschmeissen?
Natürlich haben wir diese Option besprochen. Lohnt es sich überhaupt weiterzumachen? Für die Selbständigen ist die Situation wirklich der Horror. Ich bezahle meine Lieferanten immer pünktlich, aber wegen Corona musste ich sie auch schon vertrösten. Aber wir haben entschieden, dass wir weitermachen. Wir starten jetzt halt einfach wieder bei null. 

 

Sie skizzieren ihre Gerichte. Hatten Sie während des Lockdowns Zeit, kreativ zu sein? 
Zunächst hat es mir wirklich den Boden unter den Füssen weggezogen. Aber ich bin immer sehr kreativ und am Hirnen, was wir Neues machen könnten. 

 

Was ist dabei rausgekommen?
Ich habe jetzt mit ein paar Freunden zusammen einen Schrebergarten, wo wir unser eigenes Gemüse anbauen können. Meine Kollegen verstehen etwas davon und da freue ich mich sehr drauf. 

 

Sie konnten einmal auf der Rigi im Kräuter Hotel Edelweiss kochen. Wie war das?
Das war ein Traum! Wieder mal ganz normal arbeiten. Ich konnte neue Gerichte ausprobieren. Es sind viele Gastronomen gekommen, Sebastian Rösch vom «Mesa» in Zürich war auch da. Am nächsten Abend haben wir noch bei Markus Burkhard gegessen. Das hat wirklich gutgetan. 

Moritz Stiefel Stiefels Hopfenkranz Luzern

Zusammenhalt unter Gastronomen: Oscar de Matos («Maihöfli»), Michèle Meier («Lucide») und Moritz Stiefel.

Haben Sie die Gastro-Szene in dieser Zeit als besonders solidarisch wahrgenommen? 
Es ist ein extremer Zusammenhalt. Ich habe mich häufig mit Luzerner Gastronomen getroffen. Wir haben uns über Themen wie Kurzarbeit ausgetauscht. Aber wir haben uns auch gut zugeredet und uns unterstützt. Ich weiss nicht, ob es ohne diese Gespräche gut gekommen wäre. 

 

Was haben Sie geplant, sollte es bald wieder losgehen?
Vor Corona servierten wir noch À-la-carte-Gerichte. Mittlerweile haben wir nur noch ein Menü, das man ab drei Gängen bestellen kann. Es gibt eine Vegi- und eine Fischalternative. Auch vegan ist möglich. Wir haben gemerkt, dass die Gäste das wollen und mir da auch vertrauen. Wegen den Abstandsregeln haben wir weniger Platz. Das ist gut so. Es gibt eine Entschleunigung. Die Gäste haben mehr Platz, wollen sitzen bleiben und trinken noch eine Flasche Wein. So machen wir fast mehr Umsatz. 

 

Wie sieht das erste Menü aus?
Wenn ich weiss, wann es genau losgeht, brauche ich nur wenige Tage, um das Menü zu schreiben und das Restaurant wieder hochzufahren. Wir müssen auch nicht zwangsläufig am Tag 1 aufmachen – lieber gemächlich als ein Schnellschuss. Ich werde aber sicher ein Gericht aus Karotten machen. Ich werde sie dehydrieren und mit Rüeblisaft rehydrieren. Dazu gibt etwas Hummer und eine Hummerbisque. Aber ich freue mich auch auf den Frühling. Wir sind bereits am Bärlauch sammeln und einmachen. 

 

Und bei welchem Kollegen reservieren Sie zuerst einen Tisch?
Bei Marius Frehner vom «Gamper» in Zürich. Oder bei Jeroen Achtien im «Vitznauerhof». Aber vermutlich wird’s die «Casa Tolone» hier in Luzern – ein einfacher Italiener.

 

www.hopfenkranz.ch