Interview: David Schnapp Fotos: Lucian Hunziker

Antonio Colaianni, wobei störe ich Sie gerade?
Nichts Aufregendes: Ich habe gerade Menüvorschläge für ein Bankett notiert: Es gibt einen Apéro mit Laurent-Perrier Rosé auf der Dachterasse, dazu verschiedene Tartines aus unserem Café Gustav. Dann ist eine Vorspeise mit Swiss Alpine Lachs geplant und schliesslich eine geklärte, gelierte Gazpacho mit knusprigen Einlagen und marinierten Jakobsmuscheln.

 

Was kann man sich darunter vorstellen?
Eine etwas andere Gazpacho – kälter, raffinierter und geschmacksintensiver. Dafür mache ich eine klassische Gazpacho, hänge sie in einem Gazetuch über einer Schüssel in den Kühlschrank und lasse sie über Nacht abtropfen, damit ein klarer Fond entsteht. Der wird leicht geliert, und es kommen Tomatenwürfel, Gurkenröllchen sowie verschiedene Perlen aus Gurken, gelber und roter Paprika sowie gelben und roten Tomaten dazu, die im flüssigen Stickstoff gefroren werden. Und ganz zum Schluss gebe ich knusprige Croutons dazu. 

 

Wie entwickelt sich Ihre Küche zurzeit?
Ausschlaggebend ist immer das Produkt. Früher habe ich ein leeres Blatt Papier genommen und zufällig etwas aus der Saisontabelle ausgewählt, um darum herum ein Gericht zu komponieren. Eigentlich funktioniert es immer noch so: Zuerst ist das Produkt, etwa der Swiss Alpine Lachs, mit dem ich und mein Sous-Chef Julian herumgespielt haben. Daraus ist eine geräucherte Variante entstanden mit gekochten Randen, Sauerrahm, Mandelcrumble, gepickelten Stachelbeeren und frischem Meerrettich. 

 

Warum passen Lachs und Randen eigentlich so gut zusammen?
Das hat schon immer gepasst, im Norden ist das ja ein Klassiker. Wenn man die Randen leicht säuerlich abschmeckt, bindet die natürliche Süsse und die zusätzliche Säure der Randen den fettigen Geschmack des Lachses. Ich bin eigentlich gar kein grosser Randenfan, aber die Frühernte, die es jetzt gibt, schmeckt grossartig.

 

Sie sind bekannt für Signature Dishes wie das Tatar mit lauwarmer Kartoffel-Espuma. Wie kam es dazu?
Das Tatar habe ich im «Casale» in Wetzikon zunächst im Mittagsmenü mit Kartoffelstock, Spiegelei, Schnittlauch, Meerrettich und Brotcroutons gemacht. Das ist so oft bestellt worden, dass ich nach einer leichteren eleganteren Variante für das Abendmenü gesucht habe. Daraus entstand die Version, bei der das Fleisch mit einer Gabel aufgeschlagen und erst mit Olivenöl und dann mit brauner Butter aufmontiert wird. Das Tatar wird temperiert in warmen Schalen serviert, damit es schön geschmeidig bleibt. Dazu kommen eine Nussbutter-Mayo, der lauwarme Kartoffelschaum, Croutons, Schnittlauch und Tomatenflocken oder schwarzer Trüffel. 

 

Ist Ihnen das Gericht noch nicht verleidet?
Es wurde schon so oft kopiert – auch in Zürich habe ich es einige Male gesehen –, dass ich es als Kompliment ansehe. Und weil zehn Köche mit einem Rezept zu zehn unterschiedlichen Resultaten kommen, bereite ich weiterhin mein Tatar zu (lacht). 

 

Woran arbeiten Sie zurzeit?
Ich habe gerade Wasserbüffelschulter geschmort, aber das Resultat war viel zu trocken, weil der Wasserbüffel kaum Fett hat. Dann habe ich das Fleisch dünn geschnitten und wie ein Millefeuille in eine Form mit Lardo und Schmorfond geschichtet, im Ofen nochmals 2 Stunden bei 80 Grad ziehen lassen, gepresst, wieder geschnitten, in spanischen Räucherschinken gewickelt und im Ofen langsam mit Jus glasiert.  Am Schluss wurde aus einem zunächst enttäuschenden Resultat ein ziemlich gutes Gericht. 

 

>> Antonio Colaianni, 50, ist Leiter Gastronomie im «Gustav» an der Europaallee in Zürich, wo er seit März 2016 arbeitet. Er ist verantwortlich für das Café, die Patisserie, eine Bar sowie ein Restaurant (16 Punkte). 

 

www.gustav-zuerich.ch