Text: Stephan Thomas Fotos: Pia Grimbühler

Der Ruf der Heimat. Tanya Giovanoli hat Betriebswirtschaft studiert, war in der Textil- und Modebranche, hat in Zürich in Punkterestaurants am Herd gestanden. Doch das Heimweh war stärker. Die Bergellerin erinnerte sich daran, wie sie schon als Dreijährige im elterlichen Metzgereibetrieb geholfen hatte. In Gummistiefeln, das Messer in der Hand. «Das Gerät war wohl grösser als ich selber!» Gelandet ist sie nun im Schloss Reichenau, einem Spot der Genusskultur. Schlossherr ist Gian-Battista von Tscharner, seines Zeichens (Spitzen-)Winzer, Spargelbauer und Schöpfer preisgekrönter Schnäpse - eine kreative Symbiose. Hier stand seit Jahren das historische Gasthaus Adler neben dem Schloss leer. Nun wurstet Tanya Giovanoli in der ehemaligen Restaurantküche, nutzt die vorhandenen Kühlräume und hängt ihre Hartwürste im Gewölbekeller zum Trocknen auf.

Pia Grimbühler Photography

Die Räucherkammer im Schloss Reichenau mit Kirchturmblick. 

Nix Gewürzmischung. «Metzgen wie früher» ist Tanyas Devise. Das bedeutet reine Handarbeit, Himalayasalz statt Konservierungsmittel, kein Bindemittel, alte Rezepturen, Hanfschnüre zum Abbinden. «Das war eine ziemliche Übung, bis wir geeignete gefunden haben.» Auch zugekauftes Fett ist tabu. «Ich nehme lieber selbst gemachtes Schmalz. Ein wunderbares Produkt. Ich verwende es auch gegen trockene Hände und Lippen.» Alle Gewürze mischt sie selber ab. «Nix Päckli aufreissen!»

Kulinarisches Erbe. Dass man in ihrer Familie über mehrere Generationen gemetzget hat, zahlt sich nun aus. Würde sie die getrockneten Blutwürste - eine Bergeller Spezialität - nicht herstellen, täte das heute niemand mehr. Ihre Palette umfasst Bratwürste und Saucissons, Salsiz und Salametti, Beinwürste und Mortadela (nicht zu verwechseln mit der italienischen Mortadella). Sie experimentiert mit Leberpaté und Treberwürsten, und im Reifeschrank liegt Dry aged-Rindskotelett. Als sich der Arbeitskollege aus Kalabrien beklagt, hier wären keine kalabresischen Nduja (Peperoniwürste) zu kriegen, nimmt sie die scharfe Spezialität kurzerhand ins Sortiment auf. «Nose to Tail» ist ein weiteres Motto. So hat Tanya auch Schmalz aus Nierenfett im Sortiment. Oder Rilettes vom Schweinskopf im Glas.

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Keine Bratwurst wie jede andere: Lammwurst!

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Sie weiss, wie man Foodies begeistert: Tanya Giovanoli. 

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Die Vielfalt bringt's: Tanyas Palette ist riesig. 

Frau Metzgerin. Ihren Beruf als Metzgerin sieht Tanya Giovanoli ambivalent. Klar gibt es die Starmetzger wie Ludwig Hatecke, der in Zürich ein Hochglanzlokal betreibt. Im allgemeinen hat der Beruf aber nicht mehr den Stellenwert von früher. «Damals hast du im Dorf als Frau geschaut, dass du den Bauern, den Bäcker oder eben den Metzger heiraten kannst. Da hattest du wenigstens immer zu essen. Und heute? Da wird man in dem Beruf manchmal blöd angemacht, vor allem als Frau.» Das passiert Tanya Giovanoli heute bestimmt nicht mehr, denn nun reissen sich Köchinnen wie Rebecca Clopath um ihr Fleisch. Es hängt im «Berg und Tal» im Viadukt Zürich, und der Alpin-Purist Markus Schenk im durchstartenden Corso St.Gallen schwört auf sie.

Meet the meat. Tanya Giovanolis Unternehmen nennt sich «Meatdesign». Wieso? «Ich interessiere mich für Kunst, Architektur und vieles mehr. Das verbindet spezielle Leute, und von denen hat es viele unter meinen Kunden. Meine Produkte erscheinen auch auf Vernissagen. Meat gleich meet - es geht nicht nur um das Produkt, sondern auch um das Lebensgefühl, die Begegnung. Was uns emotional begleitet, soll auch einen hohen Wert haben.»

 

>> www.meatdesign.ch