Interview: Kathia Baltisberger | Fotos: Thomas Buchwalder & Karin Heer

Zwei Michelin-Sterne, 18 GaultMillau-Punkte und eine Tochter. Bei Ihnen läufts.
Das ist wirklich crazy. Die Punkte und Sterne hätte ich nicht erwartet. Es ist alles innerhalb von drei Wochen passiert. Und ich habe es auch noch nicht richtig realisiert. Momentan dreht sich alles um unsere Tochter Enola. Meine Frau Sarah ist eine Super-Mama. Wir haben sieben Nichten und Neffen und sie ist bereits ein Profi. Ich bin ein absoluter Amateur. Aber ich versuche, meine Frau zu unterstützen, wo es geht. Und ich werde von Tag zu Tag besser. 

Immer mehr junge Väter wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Wie werden Sie Familie und Beruf unter einen Hut bringen? Nicht ganz einfach als Koch.
Das stimmt, zumal ich im Winter in Arosa bin und meine Familie nicht. Zum Glück leben wir in einem Jahrhundert, wo wir Facetime haben. Sarah hat Unterstützung von der Familie. Und ich muss mich öfter mal ausklinken. Wenn ich nach dem letzten Hauptgang des letzten Services der Woche gleich losfahre, habe ich zwei volle Tage in Ascona. Dazu muss ich meinen neuen Souschef so aufbauen, dass ich gewisse Dinge abgeben kann und an meinen freien Tagen nicht noch ständig am Handy sein muss. Gleichzeitig möchte ich im Beruf noch mehr Gas geben, es ist ja meine Leidenschaft. Das zu kombinieren, wird sicher eine Herausforderung. 

Mattias Roock und Marco Campanella kochen bei Rolf Fliegauf 2022

Marco Campanella reiht sich neu in die Liste der 18-Punktechefs in Ascona ein. 

Mattias Roock und Marco Campanella kochen bei Rolf Fliegauf 2022: Parmesan Rvioli, Nzssbutter, schwarzer Trüffel (Marco Campanella)

Ravioli kann der Mann: Hier mit Parmesanfüllung und Trüffel. 

Ihre «zweite Familie», Ihre Brigade, zieht mit Ihnen von Ascona nach Arosa. Wie schaffen Sie es, dass alle einem Strang ziehen?
Wir haben alle das gleiche Ziel vor Augen: Wir wollen die Gäste glücklich machen und uns jeden Tag verbessern. Wir sind ein junges, energiegeladenes Team. Die meisten sind seit zwei oder drei Jahren bei mir. Sie rotieren ständig die Posten, sodass es nie langweilig wird und jeder viel lernt. Und in Arosa fangen wir erst mittags an. Das heisst, man kann am Morgen auf die Piste!

Die Saison in Arosa beginnt im Dezember. Dort haben Sie einiges zu tun, schliesslich gibt es noch einen Punkt aufzuholen, um mit Ascona gleichzuziehen. 
Ich will in Arosa die gleiche Stabilität haben wie in Ascona. Wir sind jetzt in der dritten Saison oben und wissen, wo wir uns verbessern müssen. Die Küche ist eigentlich die gleiche. Aber die Produkte sind anders. Natürlich mag ich auch Winterprodukte wie Wirsing, Rotkraut, Topinambur oder Schwarzwurzel. Aber man muss damit Stabilität finden. Wir haben im Sommer ganz viel Gemüse dehydriert, fermentiert und eingemacht. Zum Beispiel Cocomero pugliese, eine Mini-Melone aus Apulien. Oder auch Spargeln. Den Gästen muss man natürlich erklären, dass die seit April eingelegt sind und nicht von irgendwoher kommen. 

Aufsteiger des Jahres 2023, (v.l.n.r.) Dominik Hartmann, Silvia Manser und Marco Campanella; Benoit Carcenat wird Koch des Jahres 2023

Die Aufsteiger des Jahres 2023: Dominik Hartmann, Silvia Manser und Marco Campanella (v.l.n.r.).

Die Tschuggen Collection ist im Besitz der Familie Bechtolsheimer-Kipp. Haben Sie «Familienanschluss»? 
Die Familie ist sehr viel da und isst oft bei uns. Durch das Moving-Mountain-Programm habe ich vor allem viel mit Dr. Götz Bechtolsheimer zu tun. Er hat auch ein Fotobuch mit Extrembergsteiger und Fotograf Robert Bösch gemacht, bei dem ich mitgearbeitet habe. Da fühlt man sich schon zugehörig. 

Das Eden Roc und das Tschuggen Grand Hotel sind beides grosse Luxushotels. Träumen Sie nicht von Ihrem eigenen kleinen Restaurant?
Mein Bruder Tommy und ich hatten immer den Traum, einmal etwas gemeinsam zu machen. Dieser Traum existiert immer noch. Aber er hat die «Osteria Ticino» in Ascona. Ich schicke meine Gäste für die beste Pizza zu ihm. Und er schickt seine Gäste zu mir. Das fühlt sich an, als würden wir gemeinsame Sache machen. Aber im Moment fühle ich mich in meinen zwei Hotels sehr wohl. Man fragt mich stets, was ich will und was meine Ziele sind. Vor einigen Jahren habe ich gesagt, es wäre cool, das «La Brezza» in die Berge zu versetzen. Ein Jahr später hat man das möglich gemacht. 

Marco Campanella

Traute Zweisamkeit ist vorerst gestrichen. Die kleine Enola wirbelt das Leben von Marco und Sarah Campanella auf. 

Veganismus spielt eine immer wichtigere Rolle und Sie können das richtig gut. Aber wie oft wird das tatsächlich bestellt?
Wir haben 2020 damit angefangen. Damals war das eine richtige Challenge, weil ich mich zuvor nicht mit veganer Küche auseinander gesetzt hatte. Also habe ich eine Stage bei Andreas Krolik («La Fleur», Frankfurt) gemacht. Dort habe ich gelernt, wie man einen veganen Fond ansetzt, vegane Saucen macht. Die Gäste hatten sich zu Beginn noch nicht so an das Menü herangetraut. Heute ist es ganz anders. Gäste, die sonst Fleisch und Fisch bestellen, essen auch vegane Gerichte. Und die staunen immer, was man aus Gemüse machen kann. Positives Feedback ist schön, denn die vegane Küche ist aufwendiger und es passieren mehr Fehler. 

Vorausgesetzt, Sie finden einen geeigneten Babysitter: Bei welchem Kollegen gehen Sie als nächstes essen?
Die Kleine hat jetzt sicherlich Priorität. Auswärts essen muss noch ein bisschen warten. Aber wenn, dann gehe ich zu Silvio Germann in den «Mammertsberg». Zu Dominik Hartmann ins «Magdalena» und zu Sebastian Zier im «Einstein» wollte ich auch immer mal. Und wenn ich es ins Ausland schaffe, gehe ich zu Giuseppe D’Errico ins Piemont, der im «La Madernassa» kocht. 

 

www.tschuggencollection.ch