Fotos: Samuel Müller
Besonderer Charme. Seit wenigen Monaten ist Manuel Zaugg für das «Du Bourg» in der Altstadt von Biel zuständig, vom GaultMillau gab es gleich zum Start 15 Punkte und vom «Guide Michelin» bereits den ersten Stern. Schaut man auf diese Weise auf die Arbeit des Kochs, könnte man einfach einen weiteren ambitionierten jungen Küchenchef vermuten. Aber schon nach wenigen Minuten im Gespräch wird klar, Manuel Zaugg ist ein eher stiller Vertreter einer neuen Generation von Köchen, was – neben seinen wirklich überzeugenden Gerichten natürlich – viel vom besonderen Charme seines Restaurants ausmacht.

Ein lustiges Quartett: Petra Christen, Fyan Bohnen, Manuel Zaugg und Julian Streit führen gemeinsam das «Du Bourg» in Biel.
Harmonisches Miteinander. Der 31-Jährige, aufgewachsen im alpin-ländlichen Saanen, hat für die Übernahme des «Du Bourg» beispielsweise eine Firma gegründet, an der alle beteiligt sind, die im Restaurant arbeiten: zwei Leute in der Küche, zwei an der Front. «Für mich war es ein schöner Gedanke, dass alle am Restaurant beteiligt sind und jede und jeder ein Stimmrecht hat. So gibt man mehr Herzblut rein, als wenn man nur angestellt ist und für einen Chef arbeitet», begründet er das Vorgehen. Das harmonische Miteinander habe noch einen weiteren Vorteil: «Wir sind ein kleines Team, und ich kann mich auf das Kochen konzentrieren. Wenn du zehn Mitarbeiter hast, ist immer einer krank oder hat andere Sorgen. Das würde mir schlaflose Nächte bereiten», sagt er.

«Mehr Herzblut»: Manuel Zaugg beim Anrichten der kalten Vorspeisen.

Klein, aber fein: 16 Gäste finden Platz im «Du Bourg».
«Es funktioniert.» Manuel Zaugg, der zuvor Küchenchef in der «Steinhalle» von Markus Arnold in Bern war und zusammen mit Simon Apothéloz das Restaurant Olympia eröffnet hat («Pop des Jahres») sieht sich als typischer Vertreter seiner Generation. «Wir denken anders», sagt er. Wenn man schon 16 Stunden in einem Betrieb arbeite, sollte man ihn so gestalten, dass die Motivation hoch bleibt, findet Zaugg. Er gibt aber auch zu, dass ein kleines Restaurant mit 16 Plätzen, vier Mitarbeitern und fünf Services pro Woche besser für eine solche Organisationsform geeignet sei als ein grosser Laden: «Es funktioniert, weil das ‹Du Bourg› klein und das Wachstum beschränkt ist.»

Spektakulär auf den zweiten Blick: konfierter Saibling aus Lüscherz mit viel Umami.
Wahrheit auf dem Teller. Dass das Arrangement auch aus Sicht des Gastes funktioniert, zeigt sich zweifellos auf dem Teller, wo in einem ambitionierten Restaurant letztlich die Wahrheit liegt: Die Gerichte sind gleichzeitig kreativ und nachvollziehbar, elegant, aber nicht überdesignt, geschmackvoll und raffiniert. Bei der Kombination aus Rettich, Kohlrabi, und Honigmelone ist es eine Vinaigrette auf Basis geschmorter Zwiebeln mit Buttermilch, Sesam, Chili und Korianderöl, die für ein frisches, überraschendes und ausgewogenes Geschmacksbild sorgt. Viel natürliches Umami verbindet Manuel Zaugg beim konfierten Saibling aus Lüscherz, den er mit Gerstenrisotto, Tomatenpulver, Tomaten-Beurre-Blanc, Basilikumöl sowie einer zweiten Sauce aus eingelegten gelben Tomaten und Salzzitronen kombiniert – ein Teller so gut, dass man kurz darüber nachdenkt, die guten Manieren zu vergessen und ihn auszulecken.

Regionale Produkte mit asiatischer Note: Chawanmushi mit grillierten Erbsen aus dem Sommermenü.

Überzeugend: Kohlrabi, Rettich, Honigmelone und Zwiebelvinaigrette.
Von der Baustelle in die Küche. Er habe grosse Sympathien für handwerkliche Küche, sagt Manuel Zaugg über seine Herangehensweise als Koch. «Eine perfekte Pastete beeindruckt mich mehr als Duzende Blumen auf dem Teller», sagt er und erwähnt als eines der besten Gerichte, die er je gegessen habe ein Steinpilz-Soufflée im Restaurant Eckstedt in Kopenhagen, wo alles auf Holzkohle und Feuer gekocht werde. Der Mut, etwas so heikles wie ein Soufflée der Unsicherheit dieser rustikalen Garmethode auszusetzen, habe ihn tief beeindruckt, so Zaugg. Schon als Jugendlicher hatte Zaugg einen sehr handwerklichen Zugang zum Leben, wenn man so will. Er sei ein sehr mittelmässiger Schüler gewesen und habe lieber mit dem Vater, der ein Gipsergeschäft führte, auf der Baustelle gearbeitet, erzählt er. Ein Leben als Maler konnte sich Manuel Zaugg dann aber doch nicht vorstellen. Als 14-Jähriger machte er eine Schnupperlehre im Posthotel Rössli in Gstaad und fand schnell Gefallen an der besonderen Welt des professionellen Kochens.

Eine besondere Adresse: Das Restaurant Du Bourg in der Bieler Altstadt.
Schwieriger Start als Chef. Manuel Zaugg musste schnell Verantwortung übernehmen und war auch als Lehrling in der Lage, die Gäste auf der Terrasse am Nachmittag im Alleingang zu versorgen. Dass er ein «eher ruhiger Mensch» sei, habe es ihm später nicht immer einfach gemacht, gibt er zu. «Als Chef ist es vor allem am Anfang schwieriger, wenn man keine tiefe Stimme und raumfüllende Präsenz hat», sagt Zaugg. Aber auch mit seiner stillen Art überzeugt der Berner dank konsequent guter Arbeit. Und seine Persönlichkeit, bei der die Substanz hinter einer vielleicht unspektakulären Fassade zu finden ist, drückt sich durchaus in seinen Gerichten aus. «Wenn ein Teller 40 Komponenten hat, habe ich Mühe. Ich habe lieber wenige Sachen auf dem Teller, aber diese zwei müssen dann vollständig überzeugen. Und ich mag es, wenn es schlicht aussieht, die Gäste dann aber überrascht sind, wie viel sich dahinter verbirgt», sagt Manuel Zaugg über die Art, wie er gerne kocht. Und dann serviert er ein Dessert, das alles zu belegen scheint, was er zuvor theoretisch erklärt hat: Ein Sorbet von grünem Apfel mit Zitrusöl, Wasabi, einem Gel aus Apfelschalen und Mascarpone ist perfekt ausbalanciert, bitter, süss, sauer, cremig, knackig und knusprig. «Ich überzeuge durch meine Arbeit, das funktioniert meistens gut», sagt Manuel Zaugg über seine Rolle als Chef. Es gibt keinen Grund, ihm da widersprechen zu wollen.
>> GaultMillau und American Express scouten junge, begabte Köche, die die Zukunft vor sich haben, für die Liste «Talente 2026». Fortsetzung folgt.

