Interview: David Schnapp

James Baron, Sie haben schon in England, im Wallis, in Fürstenau, am Arlberg oder in Hongkong gekocht. Was hat Sie zurück in den Kanton Graubünden gezogen?
Hongkong ist eine tolle Stadt und gastronomisch wahnsinnig interessant – mit super Restaurants, wie es sie halt eben nur in einer grossen Stadt gibt. Aber für eine Familie mit kleinen Kindern war die Covid-Zeit in der Stadt nicht ideal: Niemand konnte uns besuchen, wir konnten wegen der Quarantäne-Vorschriften kaum raus. So wurde die Schweiz wieder zum Thema. Ich habe mich in den sieben Jahren, in denen ich zuvor im Wallis und in Graubünden gelebt habe, immer sehr wohl gefühlt. Und heute steht fest, dass es der richtige Entscheid war zurückzukommen.


Wie haben Sie Hongkong als Koch erlebt?
Im Mandarin Oriental habe ich sehr viel gelernt – kulinarisch, aber auch führungstechnisch. Das war eine Maschine mit 25 Köchen und Sieben-Tage-Betrieb und eine tolle Zeit. Leute in einem anderen kulturellen Umfeld zu führen, war eine wertvolle Erfahrung.


Beim ersten Besuch im Sommer 2022 fand der GaultMillau eine überraschend klassische Küche vor. Was inspiriert Sie?
Die Traditionen Graubündens sind für uns wichtig, die ehemalige Säumerei hier spielt eine wichtige Rolle in unserem Konzept. Hier haben sich in früherer Zeit die Leute ausgeruht, bevor sie die grosse Reise über den Albula angetreten haben. Das ist letztlich gar nicht so anders wie die Pubs in England, wo ich herkomme. Die Leute kamen vom Schiff und sind dann im Pub eingekehrt. Kulinarisch gesehen inspiriert mich der Alpenraum, da gibt es sehr viel zu entdecken. In St. Moritz gibt es schliesslich genügend Hummer auf der Karte, da können wir gut etwas eigenes machen. 


Was passen Sie nach der ersten Sommersaison an?
Zum Winter hin haben wir das Fine Dining in einem eigenen Raum untergebracht, es gibt neues Geschirr und Besteck. Es wird einiges anders…

Krone La Punnt

Projekt mit Zukunft: die «Krone – Säumerei am Inn» in La Punt.

Steiner Stuba Krone La Punt

Anpassungen für die Wintersaison: Steiner Stuba in der «Krone».

Ihre Frau Natacha hat thailändisch-schweizerische Wurzeln, ihr habt gemeinsam in Hongkong gelebt. Beziehen Sie sich in Ihrer Küche auf diese Orte beziehungsweise Wurzeln?
Das passiert immer mehr und muss sich entwickeln. Im kommenden Frühling werde ich mit Dominik Flammer hier einen hochalpinen Garten anlegen, ich möchte zum Beispiel unbedingt Szechuan Pfeffer anpflanzen. In Hongkong habe ich mich in diesen Geschmack verliebt. Ich muss aber nicht überall süss-saure Sauce ranmachen. Kochen ist ein Prozess, in dem auch die Mitarbeiter involviert werden müssen. Ich will nicht Rezepte vorgeben, denen man sklavisch folgen muss. Nicht jede Idee muss von mir kommen. Alle sollen hier kreativ sein und sich einbringen können, so kann man Leute begeistern und vor allem halten.


Sie wurden eben zum zweiten Mal Vater, Natacha und Sie führen die «Krone» gemeinsam. Arbeit und Privatleben sind also kaum voneinander zu trennen. Geht das gut?
Wenn ich ein bisschen zu viel arbeite, sagt mir das meine Frau, dann beruhige ich mich wieder. Wir müssen flexibel sein, um genügend Zeit für die Familie zu haben und gleichzeitig einen komplexen Betrieb führen zu können. Meine Tochter Ariya ist immer in der Küche, das ist ganz natürlich. Homeoffice ist in diesem Beruf ja nicht möglich, aber unsere Branche muss sich schon etwas überlegen, damit Arbeit und Familie besser vereint werden können. 


Welches Gericht müssen Sie für Ihre dreijährige Tochter Ariya immer wieder zubereiten?
Palatschinken mag sie sehr gern. In England essen wir das nur mit Zucker und etwas Zitronensaft darüber. So isst sie das auch am liebsten.

James Baron 2022

«Palatschinken mag sie sehr gern»: James Baron mit der dreijährigen Tochter Ariya in der Küche.

Gibt es etwas, was Sie schon lange kochen wollen, es aber noch nicht geschafft haben?
In Südtirol gibt es diese Graukäsefüllung in einem Kartoffelteig mit einer Apfelsauce. Das habe ich ein paarmal probiert zu Hause, aber es ist mir noch nie richtig gut gelungen.


Eine «exzellente neue Alpenküche» wurde dem Publikum bei Ihrem Amtsantritt in der «Krone» versprochen. Was verstehen Sie darunter?
Es geht letztlich um die Komponenten. Ich bringe gerne Säure in die Gerichte, damit kann man auch rustikalen Produkten, einen Kick geben: mit Fermentation, Kornelkirschen oder Verjus zum Beispiel. Man muss halt kreativ sein und daran arbeiten wir intensiv.


Welcher kulinarische Bündner Klassiker spricht Sie besonders an?
Im Sommer hatten wir Birnenravioli im Menü. Das habe ich zum ersten Mal in Flims gegessen und seither nicht mehr vergessen. Wir servieren das Gericht mit brauner Butter, frittiertem Salbei und Salbei-Öl. Das Feedback der Gäste war ausgezeichnet, deshalb werden wir das wohl auch im Winter wieder auf der Karte haben. 

James Baron 2022: Birnen-Ravioli, Salbei, Nussbutter

«Ausgezeichnetes Feedback»: Bündner Birnen-Ravioli mit Salbei und Nussbutter.

Sie waren schon an vielen Orten zu Hause. Ist es nicht hart, immer wieder neu anzufangen?
Das ist natürlich stressig, alleine der Umzug von Hongkong hierher war sehr intensiv. Wir mussten innerhalb von drei Wochen den Betrieb hochfahren und haben monatelang aus Kisten gelebt. Aber wir wollen bleiben, wo wir sind. Ich habe ja auch noch in Kanada und Kambodscha gelebt und würde nichts von alledem missen wollen. Dieser Beruf gibt einem so viele Möglichkeiten, Französisch und Deutsch beispielsweise habe ich alleine durchs Kochen gelernt, ich konnte in kleinen Betrieben arbeiten, aber auch in grossen Häusern. Das sind alles Erfahrungen, die mir niemand mehr wegnehmen kann.


Jetzt haben Sie sich mit Ihrer Familie im Engadin niedergelassen. Womit könnte man Sie von hier wieder weglocken?
Im Moment gibt es ganz sicher nichts, was uns hier wegbringt. Unser Plan ist, für immer hierzubleiben. Wir haben mit diesem Projekt so viele Möglichkeiten, und weil wir nicht in St. Moritz sind, können wir es auch langsam wachsen lassen. Hier können wir einen guten Job machen und wachsen. Und die Lebensqualität in der Schweiz ist unerreicht hoch.


>> Die Channel-Serie zum Jahresende: Sechs begabte Chefs ziehen Bilanz. Heute: James Baron, 37, seit dem Frühjahr Küchenchef und Gastgeber der «Krone – Säumerei am Inn» in La Punt-Chamues-ch (16 Punkte). 

Fotos: Thomas Buchwalder, Sylvan Müller