Kritik am Küchenchef. Das Schweizer Fernsehen hat zum 100. Geburtstag der weltberühmten «Kronenhalle» eine dreiteilige DOK-Serie gedreht. Zauberhaft! Aber einer kam in der ersten Folge schlecht weg: Peter Schärer, seit 30 Jahren Küchenchef. Wie er vor laufender Kamera mit Mitarbeitern und Lieferanten umsprang, war ungewöhnlich, löste in der GaultMillau-Community heftige Reaktionen aus. Ein Rüpel in weiss oder einfach nur ein Chef alter Schule, der im harten «Kronenhalle»-Alltag Kante zeigt, seine Linie durchsetzt und von seiner 33-köpfigen Brigade trotzdem sehr geschätzt wird? Das Interview.

Peter Schärer, würden Sie sich als Chef «alter Schule» bezeichnen?

Meine Lehre habe ich 1979 angefangen, die klassische französische Küche ist meine Grundlage. Meinem Lehrmeister im Restaurant Berghalde in Zürich Witikon bin ich bis heute verbunden, wir tauschen uns immer noch regelmässig aus. Wenn Sie das mit «alte Schule» meinen, dann ja. 

SRF DOK Inside Kronenhalle – Luxus und Tradition im Kultrestaurant Folge 1 Kronenhalle: Seit genau 100 Jahren werden in der Kronenhalle prominente Gäste aus aller Welt bewirtet. 2024 Copyright: SRF

Eine grandiose Adresse, seit genau 100 Jahren: Die «Kronenhalle» in Zürich. SRF drehte eine fantastische DOK. Zweite Folge heute Abend!

Der Hintergrund der Frage ist Ihr Auftritt im SRF Dok, der viel zu reden gegeben hat. Wie sehen Sie Ihre Rolle als Chef?

Ich bin ein Verfechter von Disziplin: Dinge wie Pünktlichkeit, Sauberkeit und ein gepflegtes Erscheinungsbild sind mir wichtig, da gehe ich mit gutem Beispiel voran. Ich lebe das, was ich von meinen Leuten verlange, vor. Von meinen drei Sous-Chefs arbeitet jener, der am wenigsten lang hier ist, seit 23 Jahren mit mir zusammen. Mein Führungsstil scheint also zu funktionieren. Es gibt in einer Küche nichts Schlimmeres, als wenn die Leute nicht wissen, was der Chef will.

HO via Presselink Kronenhalle, Byline Thomas Engler

Peter Schärer am Pass. 150 Gäste am Mittag, 200 am Abend. Siebentage-Woche. 

Wie führen Sie als Küchenchef, was sind Ihre Prinzipien?

Mein oberstes Prinzip ist das Gleichheitsgebot. Jeder und jede wird gleichbehandelt, niemand wird bevorzugt. Zwei Regeln sind zentral: Gegen die Kollegialität zu verstossen, geht nicht. Da bin ich strikt. Und Abmachungen nicht einzuhalten, ist auch nicht in Ordnung. 

SRF DOK Inside Kronenhalle – Luxus und Tradition im Kultrestaurant Folge 1 Natasha Djukic, Chef de Rang: «Die Kronenhalle ist der Holy Grail of Hospitality». 2024 Copyright: SRF

Sympathieträgerin in Folge 1: Natasha Djukic, Chef de Rang.

SRF DOK Inside Kronenhalle – Luxus und Tradition im Kultrestaurant Folge 1 Josephine de Felice ist im 2. Lehrjahr. Ihr Ziel: Irgendwann will sie ein eigenes Restaurant führen. 2024 Copyright: SRF

Sympathieträgerin in Folge 1: Josephine de Felice, im zweiten Ausbildungsjahr.

Was sagen Sie einem Lernenden, der bei Ihnen anfangen will?

Ich frage Ihn, warum er Koch werden will. Die Antwort, er koche gerne, reicht mir aber nicht. Das setze ich voraus und erwarte schon etwas mehr. Wir machen Schnupperlehren von fünf Tagen, damit die jungen Leute wirklich sehen, worum es geht. Wenn es ihnen gefällt, kommen sie noch einmal fünf Tage und werden etwas mehr gefordert. Und wir schenken reinen Wein ein: Die Kronenhalle hat sieben Tage geöffnet und wir arbeiten auch an Feiertagen, das muss man akzeptieren. 
 

Sie bewahren das Erbe von Gustav Zumsteg, dem 2005 verstorbenen, früheren Besitzer der Kronenhalle. Wie haben Sie den langjährigen Patron in Erinnerung, in welcher Beziehung standen Sie zueinander?

Ich hatte ein sehr gutes Verhältnis zu Gustav Zumsteg. Er war für mich wie ein dritter Grossvater, wir haben viel über die Kunst und das Kochen gesprochen. Und er schätzte mich als verlässlichen Partner: Er wusste, dass ich dazu Sorge trage, die Küche über seinen Tod hinaus so zu führen, wie er sich das gewünscht hat. Das habe ich ihm auch versprochen. Am Anfang habe ich mich mit dieser Verantwortung aber ehrlicherweise schwergetan.
 

Was ist der Kern der Kronenhalle-Küche?

Die Ausrichtung bleibt im Kern klassisch-französisch. Wir kreieren aber immer wieder neue Gerichte wie die Ravioli mit Scampi, die sich mit der Zeit zum Klassiker entwickelt haben. Schon Gustav Zumsteg hat mich, wie die Kronenhallen-Leitung heute, immer unterstützt in der Entwicklung neuer Gerichte. 

SRF DOK Inside Kronenhalle – Luxus und Tradition im Kultrestaurant Folge 2 Der Platz unter dem Varlin-Porträt von Kronenhalle-Gründerin Hulda Zumsteg ist bei den Gästen besonders begehrt. Copyright: SRF

Der begehrteste Platz in der «Kronenhalle»: Der Tisch unter dem Varlin-Porträt von Hulda Zumsteg.

Wie sind Sie überhaupt in die Kronenhalle gekommen?

Eigentlich wollte ich Ende der Achtziger Jahre, wie viele Berufskollegen damals, nach Asien. Ich konnte mit meinem damaligen Chef Max Keel im Mandarin Oriental Bangkok kochen und wäre gerne geblieben. Weil man mich aber in das hektische Hongkong schicken wollte, habe ich mich dagegen entschieden und in der Schweiz einen Job gesucht. Mein Vorgänger als Küchenchef der Kronenhalle, Hans Lichtenberg, hatte jemanden gesucht, der Fisch kochen kann. Das passte und so kam ich hierher.

Sie kochen seit über 30 Jahren die gleichen Gerichte. Verleidet Ihnen das nie?

Wenn man in der Kronenhalle arbeitet, muss man sich bewusst sein, dass Tradition hier eine grosse Rolle spielt. Trotzdem entwickeln wir die Rezepte sanft weiter. Zum Beispiel verwenden wir heute weniger Mehl als früher. Aber ganz ehrlich, einen schönen Ossobuco zu kochen, verliert für mich nie an Reiz.
 

Besteht nicht die Gefahr, dass die «Kronenhalle» zu einem gastronomischen Museum wird?

Nein. Es gibt ja einige Restaurants, die eine Tradition pflegen. Wir kochen durchschnittlich für rund 150 Gäste am Mittag und 200 Gäste am Abend, also machen wir etwas richtig. Und weil wir unsere Gerichte weiterentwickeln, werden sie auch nicht museal.

SRF DOK Inside Kronenhalle – Luxus und Tradition im Kultrestaurant Folge 2 Seit 40 Jahren Koch in der Kronenhalle: Robert Zeller ist der Grossneffe von Hulda Zumsteg. Copyright: SRF

Einer von drei Souschefs: Robert Zeller, Grossneffe von Hulda Zumsteg.

SRF DOK Inside Kronenhalle – Luxus und Tradition im Kultrestaurant Folge 1 Wein: Die teuerste Flasche im Sortiment der Kronenhalle kostet 23'000 Franken. 2024 Copyright: SRF

Die teuerste Flasche im «Kronenhallen»-Keller: Romanée-Conti, 23’000 CHF.

Wie wichtig ist Kreativität in der Küche?

Kreativität ist eine Grundvoraussetzung, ein wichtiger Impuls, den es als Koch braucht, um Lebensmittel miteinander verbinden zu können. Ohne Kreativität, Geschmackssinn und einem Auge für die Ästhetik wird man kein guter Koch.

Was ist eigentlich das Geheimnis Ihres Zürcher Geschnetzeltes?

Es ja eigentlich kein «Züri Gschnätzlets», sondern ein «Kalbsfilet geschnetzelt Kronenhalle». Im Originalrezept für «Züri Gschnätzlets» verwendet man Kalbsbäggli, -Nieren und Champignons zu gleichen Teilen. Wir bereiten es aber ohne Nieren und mit Filet zu und pürieren die Pilze für die Rahmsauce. Das ist ein einfaches, sehr gutes Gericht, welches die Kronenhalle verkörpert.

Ist die vegane Variante mit «Planted» ein Zugeständnis an den Zeitgeist?

Wir haben neben dem veganen «Züri» in den letzten Jahren ein Dutzend vegane oder vegetarische Gerichte entwickelt, weil es eine Nachfrage gibt. Trotzdem sind wir kein vegetarisches Restaurant. Aber auch fleischlose Gerichte passen zu Kronenhalle. Wir waren beispielsweise die ersten, die das neue «Planted»-Steak aus Erbsenprotein serviert haben. Es wird angebraten, wie ein Tagliata aufgeschnitten und mit einem veganen Jus aus Zwiebeln, Sanddorn, einem sehr guten Wein und Haferflocken zum Binden serviert.

SRF DOK Inside Kronenhalle – Luxus und Tradition im Kultrestaurant Folge 2 Elio Frapolli arbeitet als Voiturier und Sommelier in der Kronenhalle. Copyright: SRF

Mit der Voiture unterwegs, seit Jahren schon: Elio Frapolli.

Die «Kronenhalle» verfügt als eines der letzten Restaurants im Land über eine «Voiture». Welche Bedeutung hat der Wagen?

Nach Corona ist das «Voiture»-Angebot etwas reduziert worden und ist von Mittwoch bis Samstag jeweils mittags auf dem Menü. Wir haben uns aber auch da weiterentwickelt und mit Niedergarmethoden und Schockfroster experimentiert. Das Gemüse und das Geflügel bereiten wir zum Beispiel sous-vide zu, das ist geschmacklich und optisch die bessere Methode.

Was gehört zum Bollito Misto auf dem Wagen?

Das klassisch zubereitete Siedfleisch und der Kalbskopf sowie sous-vide gegarte Poulet-Schenkel und -Brüstchen, dazu Sellerie, Lauch, Rüebli und Wirz, Zampone (gefüllter Schweinsfuss), Schüblig, Kalbszunge und Markknochen. Dazu gibt es Salsa Verde und eine Knoblauch-Mayo. Das wurde schon vor meiner Zeit so serviert.

Wie wichtig ist der «Wagenführer»?

Elio Frapolli, der die «Voiture» bedient, ist ein erfahrener Fachmann, der abends auch im Service arbeitet und viel von Wein versteht. Er hat eine wichtige Rolle, auch weil er den Gästen natürlich das Voiture-Angebot erklären können sollte. 

Stammgäste haben in der «Kronenhalle» einen gewissen Stellenwert. Kochen Sie für jeden gleich gut?

Selbstverständlich, das gehört zu meinem Berufsethos. Jeder Gast ist gleich.

Gibt es Gerichte, die Sie nur für bestimmte Gäste zubereiten?

Jeder Gast kann den Service nach einem Gericht fragen. Wenn wir die Zutaten dahaben, bereiten wir es selbstverständlich zu. Sie können das gerne einmal ausprobieren! Wir wollen allen Gästen gerecht werden, weil wir möchten, dass sie sich wohlfühlen und wiederkommen.

Was würden Sie jemandem empfehlen, der zum ersten Mal in die «Kronenhalle» kommt, was soll der bestellen?

Dazu müsste ich den Gast etwas kennen. Im Herbst und Winter servieren wir beispielsweise Rinderfilet mit selbstgemachter Trüffelbutter. Und selbstverständlich kann ich die Klassiker: Kalbsfilet geschnetzelt, Entrecôte Café de Paris und Filetgulasch Stroganoff empfehlen, diese Gerichte esse ich selber auch immer wieder gern. 

Wenn die Ära Peter Schärer irgendwann zu Ende geht: Wer ist bereit, in Ihrem Sinne das kulinarische Erbe der «Kronenhalle» zu bewahren?  

In der Kronenhalle könnte ich auch über das Pensionsalter hinaus arbeiten und wenn es die Gesundheit zulässt, kann ich mir das auch gut vorstellen. Aber natürlich gibt es eine klar geregelte Nachfolgeplanung, die intern bekannt ist und gelebt wird. Ich könnte mir ja das Bein brechen und ausfallen. Dann muss es in der Küche der Kronenhalle auch ohne mich weitergehen, ohne dass unsere Gäste eine Veränderung merken. 


>> Peter Schärer (61) ist seit 2002 Küchenchef der Kronenhalle in Zürich und arbeitet seit 1991 im Traditionsbetrieb, wo er für 33 Köchinnen und Köche, darunter zwei Lehrlinge, verantwortlich ist. Schärer hat seine Lehre im Restaurant Berghalde in Zürich-Witikon gemacht und danach für die grossen Köche Max Keel und Heinz Witschi gearbeitet. Er ist verheiratet und Vater eines Sohnes.

>> Die weiteren Ausstrahlungstermine der dreiteiligen Dok-Serie: 
Freitag, 12. April, 21.05 Uhr, SRF 1 und Freitag, 19. April, 21.05 Uhr, SRF 1.
 

Fotos: Marc Wetli / 13Photo, Thomas Engler, SRF, HO


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