Interview: David Schnapp

Antonio Colaianni, wie haben Sie geschlafen nach dem letzten Service im «Ornellaia»?
Wie ein Stein! Ich war erleichtert und erschöpft zugleich.


Waren die letzten Monate leicht für Sie, oder ist Ihnen der Abschied schwer gefallen?
Ich habe es meinen Gästen und den guten Mitarbeitern zuliebe durchgezogen. Wir waren ja seit letztem Oktober immer ausgebucht. Und seit bekannt wurde, dass ich hier aufhöre, hat sich die Geschwindigkeit der Buchungen nochmals vervielfacht. Das war ein schönes Gefühl, und der Zuspruch der Gäste hat mich sehr gerührt.


Was haben Sie von Ihren Gästen am häufigsten gehört?
An fast jedem Tisch wurde ich gefragt, was ich in Zukunft mache.
 

31.10.2022; Zürich: GMC - Ristorante Ornellaia; Antonio Colaianni bereitet den „Kürbisrisotto mit Taleggio und getrockneten Tomaten“ zu. © Valeriano Di Domenico

«Ich habe alles abgesagt»: Antonio Colaianni (53) im Ristorante Ornellaia in Zürich.

Und, Ihre Antwort?
Dass ich zuerst meinen Kopf lüften muss, bevor ich eine Entscheidung treffen kann. Und wie lange das dauert, kann ich nicht sagen. Wenn ich jetzt etwas zusage, könnte es vielleicht die falsche Wahl sein. Ich hatte eine ganze Reihe Angebote, habe aber alles abgesagt. Fürs Erste mache ich sicher mal drei Monate Pause, um mich zu erholen.

Und wenn sich in dieser Zeit nichts ergibt?
Wenn ich nichts finde, was mir wirklich passt, fange ich im September mit Pop-ups an. Auch dafür habe ich viele Anfragen bekommen, und damit würde ich über die Runden kommen.


Könnten Sie sich denn auch ein eigenes Restaurant vorstellen?
Wenn ich einen Geschäftspartner finde, der die Service-Seite übernimmt und mit derselben Leidenschaft dabei ist wie ich selbst, dann würde ich auch den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. 

Heilemann & Friends, Im Alex Lake Zurich, in Thalwil, Orecchiette von Antonio Colaianni

Einer der vielen Colaianni-Klassiker: Orecchiette von Mama Maria mit Burrata.

27.08.2020; Zürich: GM Channel; Portrait von Antonio Colaianni Restaurant Ornellaia; „Bouillabaisse“ alla Colaianni. Allerlei aus dem Meer, serviert mit Rouille & Brotchips. © Valeriano Di Domenico

Französische Welt: Bouillabaisse mit Edelfischen und Rouille.

Sie wirken etwas enttäuscht und erschöpft, warum haben Sie die letzten Monate soviel Kraft gekostet?
Die letzten Monate waren ein reiner Kampf, es war kein schönes Arbeiten mehr. Das habe ich professionell erledigt, aber es war hart. Die Zeiten haben sich verändert, und ich muss mich sicher auch verändern. Aber das mache ich nicht um jeden Preis. Ich habe das ganze Leben viel gekrampft, das kann nicht alles umsonst gewesen sein. Mir fehlt bei vielen Leuten heute etwas die unbedingte Leidenschaft und Passion. Es gibt aber auf jeden Fall auch fantastische junge Mitarbeiter, die Vorbilder für ihre Generation sind.

Müssen Sie Ihren Stil vielleicht auch ändern?
Ich glaube, mein Stil ist mein Glück. Die zwei Welten – die französische und italienische Küche – zusammenzubringen, zeichnet mich aus. Ich könnte auch einfacher kochen, aber ein gewisser Aufwand bleibt einfach.

Was macht den Aufwand aus?
Es geht darum, an die Essenz zu kommen – ansetzen, einreduzieren, konzentrieren. Kochen, so wie ich es verstehe, hat nicht mit kreativer Genialität zu tun, sondern mit solider Arbeit und konsequentem Vorgehen. Es geht um Disziplin und Fleiss, und genau das vermisse ich heute. Dass man pünktlich ist, dass man tut, was man sagt…

31.10.2022; Zürich: GMC - Ristorante Ornellaia; Antonio Colaianni bereitet den „Kürbisrisotto mit Taleggio und getrockneten Tomaten“ zu. © Valeriano Di Domenico

«Kochen hat nicht mit kreativer Genialität zu tun, sondern mit solider Arbeit»: Antonio Colaianni am Herd.

Haben Sie eine Skizze im Kopf, wie Ihr mögliches, eigenes Restaurant aussehen könnte?
Gut essen, gut trinken und gute Stimmung: So soll das Restaurant sein, in dem ich bis zu meiner Pension arbeite. Die Hoffnung in die Spitzenküche habe ich ein wenig verloren. Das ist nicht mehr möglich ohne jemand, der es hilft zu finanzieren. Dann mache ich vielleicht lieber etwas Einfacheres, wo das Essen sehr gut ist, aber das Drumherum etwas reduziert wird.


Hat «Noma»-Chef René Redzepi also recht, wenn er sagt, dass absolute Spitzenküche sich nicht mehr lohnt?
Er hat zu einem Teil recht. Hochstehende Küche ist teuer, die talentierten Köche muss man gut bezahlen. Aber Redzepi hat jahrelang mit kostenlosen Praktikanten gearbeitet, er hatte einen Sponsor an der Seite, deshalb stimmt seine Rechnung im Hinblick darauf natürlich nicht.

Fotos: Valeriano Di Domenico, Nik Hunger