Text: Kathia Baltisberger

Sie kochen im Sommer in Ascona, und im Winter neu im Schwesterhotel Tschuggen in Arosa. Eine Saison-Eröffnung mit angezogener Handbremse? 
Die Situation war für das ganze Team schwierig. Wir waren zwei Wochen vor Eröffnung in Arosa, um uns vorzubereiten. Wir haben zurückhaltend bestellt, weil man ja nicht wieder alles wegschmeissen will, wenn sich die Corona-Situation ändert. Die Planung war schwierig. Wie viele Eier braucht man? Wieviel Milch?  Ich kalkuliere sorgfältig, als wäre es mein eigenes Restaurant.

 

Kochen Sie in Ascona und in Arosa gleich?
Das Konzept ist dasselbe. Wir arbeiten in Arosa einfach mit Produkten aus den Bergen. Ich habe eine Appenzeller Ente auf der Karte, verwende Kartoffeln aus dem Albulatal, und die Eier kommen von einem Biohof in Chur. Die Menü-Abfolge ist gleich wie in Ascona: Es gibt fünf Snacks, ein Amuse-bouche und dann die einzelnen Gänge. Neben unserem Inspirationsmenü servieren wir noch ein zweites, das aus ganz leichten, gesunden Gerichten wie einer Wurzelessenz, einem Rote-Beete-Salat oder einer Gewürzkarotte mit Linsen besteht.

 

Das klingt vegan.
Ist es auch. Aber das sagen wir nicht so deutlich. Nicht-Veganer sind voreingenommen, wenn sie das Wort vegan hören. Die Gerichte sind gleich aufgebaut wie ein Gericht mit Fleisch: Es braucht Säure, es braucht etwas Cremiges, es gibt oft einen kräftigen Jus. Es muss einfach harmonisch sein. Die Gäste wollen sich wohl fühlen, nicht zu schwer essen und sich gesund ernähren. 

Tschuggen Grand Hotel Arosa

Das Tschuggen Grand Hotel in Arosa. Hier arbeitet Marco Campanella im Winter.

Im Sommer setzten Sie im «Eden Roc» Ascona einen veganen Risotto auf die Karte. Ein Erfolg?
Das Rezept ist auch auf dem GaultMillau-Channel erschienen. Mir haben ganz viele Leute geschrieben, dass sie den Risotto nachgekocht haben. Er sei im Geschmack sehr intensiv gewesen, obwohl kein Käse drin ist. Das hat sie überrascht. Auch die Gäste im Restaurant waren fasziniert. Jetzt im Winter will ich keinen Risotto mehr zubereiten. Stattdessen gibt es Ravioli mit Waldpilzen.

 

Das Tessin wurde im Sommer überrannt von Schweizer Gästen. Was war die grösste Herausforderung?
Die Konstanz!  Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir jeden Tag ausgebucht sind. Aber wir haben uns intern gegenseitig geholfen. Wir sind im «La Brezza» sehr gut eingespielt. Das Hotel Eden Roc ist trotz seiner Grösse sehr familiär. 

 

Und die Buchhaltung ist unter dem Strich zufrieden?
Wir haben sogar einen Rekord geschafft, wir waren konstant ausgebucht. Wir haben im Juni das Restaurant wieder geöffnet und hatten gute Buchungen bis spät in den Herbst hinein. Wir sind zufrieden. 
 

Was war Ihr bester Gang, den Sie dieses Jahr serviert haben?
Da gibt es viele: Den Hummer mit Gurkensud mochte ich gerne. Ich mag es, wenn ein Menü mit etwas Frischem, Säurebasiertem startet. Wir hatten dieses Jahr auch erstmals Holzen-Fleisch aus Ennetbürgen auf der Karte. So ein zartes, kräftiges Fleisch ist etwas Tolles. Dazu gabs einen Sellerie im Salzteig. 

 

Die Starchef-Dichte in Ascona ist ja relativ hoch. Verstehen Sie sich mit Rolf Fliegauf und Mattias Roock? Oder gibt’s einen Konkurrenzkampf.
Überhaupt nicht. Wir haben einen Whatsapp-Chat und schreiben immer mal wieder miteinander. Mit Rolf habe ich ja auch schon zusammengearbeitet. Unser Stil ist sehr unterschiedlich, das ist einfach eine schöne Abwechslung für die Gäste. Nächstes Jahr wollen wir auch ein «Six Hand Dinner» zusammen machen. 

 

Wenn man wieder unbeschwert reisen kann, wo zieht es Sie dann hin?
Ich möchte mit meiner Verlobten nach Japan oder Hawaii. Japan ist kulinarisch sehr interessant mit den ganzen Fischmärkten. Hawaii ist einfach cool zum Relaxen. 

 

Läuten 2021 die Hochzeitsglocken?
Wir haben anfangs 2020 schon überlegt, wie wir heiraten wollen. Dann kam Corona und wir haben gleich wieder alles verworfen. Zum Glück hatten wir noch nichts gebucht. Jetzt werden wir im April standesamtlich heiraten und im November kirchlich in Portugal. Meine Freundin ist Portugiesen und hat eine sehr grosse Familie. Das wird ein Riesenfest.

 

Was machen Sie in Ihrer freien Zeit?
Im Winter fahre ich immer am Sonntag nach dem Service nach Hause ins Tessin und bleibe Montag und Dienstag dort. In Arosa habe ich in eine Personalwohnung. Morgens gehe ich immer Skifahren, am Mittag müssen wir in der Küche stehen. Im Sommer fahre ich viel Motorrad oder gehe in der Maggia baden.

Foto: Joseph Khakshouri 14.07.2018ChannelCaminada Schüler, Marco Campanella, Koch La Brezza im Eden Roc bereitet ein Lamm Gericht vor.Ascona (TI)

Im Sommer kocht Campanella im Eden Roc in Ascona. 17 Punkte gibts dafür vom GaultMillau.

Bei welchen Kollegen wollen Sie nächstes Jahr unbedingt essen?
In der Schweiz stehen drei Kollegen auf der Liste: Tobias Funke in der «Fernsicht» Heiden, Patrick Mahler im Park Hotel Vitznau und Jeroen Achtien im Vitznauerhof. Im Ausland möchte ich nach Holland zu Ollie Schuiling. Er war ja Küchenchef bei Andreas Caminada auf dem Schloss und ist zurück in seine Heimat, hat sein eigenes Restaurant eröffnet.

 

Welches Lebensmittel haben Sie immer zu Hause?
Milch und Kellogg's.

 

Welche Sorte?
Frosties. Ich frühstücke jeden Morgen mit meiner Freundin. Und wenns schnell gehen muss, essen wir Frosties. 

 

Was essen Sie nie?
Ich esse eigentlich alles. Ausser vielleicht Kutteln, das mag ich nicht so.

 

Was war das schönste Kompliment, das Sie dieses Jahr bekommen haben?
Zum einen, dass mich die «Bilanz» mit dem Titel «Hotelkoch des Jahres» ausgezeichnet hat. Solche Auszeichnungen sind natürlich immer schön. Auf der anderen Seite sind es einzelne Erlebnisse: Ein Ehepaar war eine Woche im Tessin in den Ferien, hatte aber in einem anderen Hotel eingecheckt. Es hat ihnen im «La Brezza» so gut gefallen, dass sie eine ganze Woche lang wiedergekommen sind. Die Gäste haben die komplette Karte ausprobiert. Und jetzt sind sie neulich auch im Tschuggen vorbeigekommen.

 

>> Was war, was kommt? Der GaultMillau Channel zieht Bilanz: Mit zehn Starchefs, die in diesem speziellen Jahr mit individuellen, besonderen Herausforderungen konfrontiert waren. Tanja Grandits, Sebastian Zier, Stefan Heilemann, Nenad Mlinarevic, Ivo Adam, Tobias Funke, Laurent Eperon, Bernadette Lisibach, Marco Campanella und Markus Stöckle im sehr persönlichen Chef's Talk.

 

Fotos: Thomas Buchwalder, Olivia Pulver, Joseph Khakshouri