Fotos: Remy Steiner
Grillen mit Rost? Langweilig! Zuerst die Zahlen: Die «Villa Hundert», ausgezeichnet mit neu 16 Punkten, liegt in Engelberg auf ziemlich genau 1208 Metern über Meer. Zwei smarte Jungs sorgen sich dort um die Gäste, sie heizen zwei Green Eggs ein und haben tausend Ideen, was man an diesem wunderbaren Herbsttag darauf zubereiten könnte. Nicht zu vergessen: Im Keller liegen tausende Früchte und Gemüse, die fermentiert, getrocknet und eingelegt worden sind. Herauskommen werden vier Gerichte. Und lernen wird man als Beobachter acht unterschiedliche Techniken fürs Kochen auf dem Feuer: «Wer jetzt denkt, dass man beim Green Egg alles nur auf den Rost legen muss», so formulieren es John Jezewski und Christian Brangenfeldt gleich zu Beginn, «der täuscht sich ganz gewaltig!»
Direkt auf dem Feuer des Green Egg wird eine «Alpen-Bisque» reduziert.
Kartoffeln im Buchenlaub gegart. Auf los geht's los bei John und Chris: Küchenchef John hängt eine Rindszunge mit einem Fleischerhaken übers Feuer, die Technik 1 an diesem Tag. Und so gart diese im Bauch des grünen Eis langsam im Rauch vor sich hin. Gastgeber Chris geht bisweilen ein paar Arvennadeln sammeln, weil darin – die Technik 2 – eine Forelle in einem Gusseisentopf schmoren soll, der direkt auf die Glut gelegt wird. In die gleiche Richtung geht übrigens Technik 3: Kartoffeln werden zusammen mit noch feuchtem Buchenlaub ebenfalls in einen Topf gegart. Der herbstlich erdige Duft soll dabei auf die Knollen übergehen. Die Kartoffeln werden allerdings, dies sei hier schon verraten, auch mal kurzzeitig vergessen.
Freestyle macht Freude! Ja, die zwei Schweden haben sich im Vorfeld für diese herbstliche «Green Egg Session» so einiges überlegt, haben beispielsweise Forelle und Damhirschrücken bei Bianchi bestellt. Aber im grossen Ganzen, merkt man auch bald, sind die leidenschaftlichen Snowboarder doch ziemlich «Freestyle» unterwegs. Und haben Spass, wie es sich bei einem BBQ gehört. Überall zischt und knackt es, rund um den Grillplatz riecht es rauchig und verführerisch zugleich. Was dabei rauskommt? Nur so viel: Es kommt um Längen besser, als man denken könnte.
Auf Brennholz gegrillter Damhirsch mit fermentierter Hollunder-Cassis-Heidelbeersauce.
In Arve gegarte Forelle mit gebratenen Brennesseln, 3-jährigem Bärlauch und Wald-Kartoffeln.
A-la-minute-geräucherte Shrimps mit «Alpen-Bisque» mit fermentierten rohen Bohnen und Cornichons.
Hoch im Kurs bei John & Chris: Siebgrillen. Weitere Techniken, die im folgenden eine Rolle spielen: Gleich mehrfach machen John und Chris das, was sie «Siebgrillen» nennen, die vierte Technik. Mit einem Sieb kann man fermentierte Pilze, eingesalzene Beeren, aber auch Marroni ganz nahe, fast direkt über die Glut halten, so dass sie in grösstmöglicher Hitze ziemlich schnell gar werden. Und Lucky Shrimps aus Winterthur werden auf einen Zweig gespiesst und mit Heu («Erster Schnitt der letzten Ernte») «à-la-minute-geräuchert», das direkt in die Glut kommt. Dafür wird die untere Lüftungsluke des Green Eggs geschlossen, damit die Temperatur nicht allzu stark steigt. Das ist die Technik 5!
Wo Rauch ist, ist auch Feuer: Chris Brangenfeldt am Big Green Egg.
Zweite Geheimwaffe neben den Grills: das Archiv mit Eingelegtem im Keller.
Daheim geht auch mal Sauerkrautsaft als Basis. «Komm, wir nennen es Alpen-Bisque», entscheidet John spontan, «der Ausdruck gefällt mir!» Es handelt sich dabei um eine Sauce, die über dem Feuer in einer Bratpfanne (Technik 6) mit Krebsschalen, Zwiebeln, Knoblauch und Kräutern aromatisiert wird – alles mit der Axt zerkleinert. Spass muss schliesslich sein. Als Basis dienen verschiedene Säfte, in denen Gemüse und Beeren fermentiert worden sind. Wie kann man die denn zu Hause ersetzen? «Notfalls kann man auch die Flüssigkeit im normalen Sauerkraut verwenden», sagt Chris. Die Shrimps kommen mit der Alpenbisque, fermentierten rohen Bohnen und Cornichons auf den Teller. Ein aromatisch unglaublich tiefes Gericht!
Grillen auf der Glut. Man muss wissen, dass die beiden «Villa Hundert»-Jungs normalerweise nicht mit Grillholzkohle arbeiten, sondern mit normalem Chemineeholz, was hier als Technik Nummer 7 durchgehen soll. Und ein ganz besonderes Augenmerk verdient Technik 8: Es ist die vielleicht faszinierendste Art, wie man Fleisch auf dem Feuer zubereiten kann. Feine Tranchen Rehfleisch werden direkt auf glühende Holzscheite gelegt. «Das Fleisch muss mit ordentlich Öl bepinselt werden, damit es nicht am brennenden Holz kleben bleibt!» Nach wenige Sekunden wird das Fleisch wieder aus der Hitze genommen. Es hat ein besonders feines Raucharoma bekommen und macht sich wunderbar beim zweiten Gericht: Auf Brennholz grillierter Damhirschrücken mit fermentierter Hollunder-Cassis-Heidelbeersauce – ein Gedicht.
Wohlfühlklima für fermentierte Pilze: Diese Technik nennen die Jungs «Siebgrillen».
Zwei Schweden in Engelberg: John Jezewski & Christian Brangenfeldt (v.l.).
Mit Wacholder glasierte Rindzunge vom Feuer mit roher Petersilienpaste, Marroni und Pilzsauce.
Am Ende gibt’s Flaschenbier. Die weiteren nordisch angehauchten Green-Egg-Herbstgerichte: In Arvennadeln gegarte Forelle mit gebratenen Brennnesseln, 3-jährigem Bärlauch und Wald-Kartoffeln. Respektive mit Wacholder glasierte Rindszunge vom Feuer mit roher Petersilienpaste, Marroni und eingelegten Pilzen. Das Fazit beim anschliessenden Bier, getrunken aus der Flasche: So ein alpines Freestyle-BBQ mit dem Big Green Egg macht doppelt Freude, wenn das Schweizer Mittelland im Nebel liegt. Und führt zu herbstlichen Geschmackerlebnissen der ganz besonderen Art. Wie sagt es ein altes schwedisches Sprichwort, das man auch in unseren Breitengraden kennt? Nichts ist unmöglich!