Interview: Kathia Baltisberger Fotos: Pascal Grob/Valeriano Di Domenico
Elif Oskan, Sie hatten ein aufregendes Jahr. Was war Ihr persönliches Highlight?
Ich kann es gar nicht auf etwas beschränken. Aber ich glaube, es sind die Menschen, die mich beim Projekt Gül begleitet haben. Es ist so schön, wie offen meine Generation das Thema Kulinarik angeht. Alle machen mit. Und wir können zeigen, dass Ethno-Food auch seinen Platz hat. Und jetzt, fast ein Jahr später, sind alle noch dabei.
Ging mit dem «Gül» ein Lebenstraum in Erfüllung?
Die echten Träume sind wohl eher die, die man nicht als solche definiert. Ich bin glücklich, dass alles so gekommen ist. Das weiss man im Vorfeld nie. Dass das «Gül» nicht mein erstes Projekt war, hat sicher geholfen. Es war einfacher, als ich es mir erträumt hatte. Vielleicht weil ich es nicht so ernst nehme. Was soll schon passieren? Wir sind so gesegnet. Und das «Gül» hat mir gezeigt, wenn man Begeisterung und Passion hineinsteckt, kommt auch etwas zurück. Jetzt geht es darum, diese Begeisterung aufrecht zu erhalten. Am Anfang ist immer alles cool. Schwierig wird es, wenn der Alltag und die Realität eingetroffen sind.
Hat Sie auch etwas enttäuscht?
Man ist mit ganz unterschiedlichen Sachen konfrontiert. Hier sind schliesslich Menschen involviert und Kommunikation ist dabei das Wichtigste. Aber es gibt in einem Neubau auch immer wieder Herausforderungen, die nerven. Und wir mussten der türkischen Küche erst mal dieses dönerbehaftete Take-away-Bewusstsein nehmen.
Man hörte immer wieder, das «Gül» sei zu teuer. Stimmts?
Ich denke, das ist eine Frage der Bedürfnisse. Hier in Zürich bezahlt man für einen lauwarmen Gin Tonic gerne 18 Franken. Für qualitativ hochwertiges Essen ist man nicht bereit, einen angemessenen Preis zu bezahlen. Mit einer Bar könnte ich sicher viel mehr Gewinn machen. Aber ich möchte ja eine Küche von ihrer schönen Seite zeigen, ein Thema ein Land näherbringen. Und ich finde es muss auf allen Seiten stimmen. Wo soll ich denn die Preise drücken? Beim Bio-Bauern? Natürlich haben wir Anpassungen gemacht. Wir hatten ein Poulet auf der Karte, das wir wieder streichen mussten, weil die Gäste nicht bereit waren, den Preis zu bezahlen. Es muss zu einer Veränderung kommen. Auf der anderen Seite haben wir so viele Stammgäste, die die Qualität schätzen.
Ihr Lebenspartner, Markus Stöckle, ist auch ihr Geschäftpartner. Ist das eigentlich schlau?
Ich kann nur für mich reden. Und ja, für mich stimmts. Wir haben uns bei der Arbeit kennengelernt. Wir wissen, wer welche Stärken hat. Markus ist wild, ich bin bei der Arbeit strukturiert. Für ihn gibt es keine Grenzen, er ist mutig. Und ich überlege mir, wie wir die Ideen in eine Form bringen können. Und zusammen funktionierts. Ich arbeite so gerne mit Markus. Wenn ich einen Tag nicht mit ihm arbeite, vermisse ich ihn. Er ist einfach ein geiler Typ!
Gibt’s manchmal auch Ärger?
Eigentlich wenig. Wir können uns sagen, wenn etwas nicht stimmt. Und ich habe gelernt mich mitzuteilen, bevor ich einen emotionalen Zusammenbruch habe. Klar ist man nicht immer einer Meinung, aber wegen Kleinigkeiten mache ich mich nicht wahnsinnig.
Wer von Ihnen ist der bessere Koch?
Markus! Ja, doch. Ich find schon. Er würde vermutlich sagen ich. Aber nein, definitiv er. Wir kochen schon seit fünf Jahren miteinander. Wenn wir eine Sauce ansetzen, machen wir das genau gleich. In der Pâtissierie gebe ich dann aber schon Stichentscheide.
Wir vom GaultMillau schickten im Oktober 14 Punkte ins «Gül».
Der erste Dönerladen mit Punkten! Yeah! Das hatten wir nie vor und hätten auch nicht gedacht, dass wir Punkte bekommen. Ich hatte an diesem Montag frei. Mir hatten alle gratuliert. Ich wusste gar nicht, was das soll. Denken die, ich bin schwanger? Erst am nächsten Tag hatte ich es verstanden. Wir hatten alle so Freude.
Sie haben sich etabliert in der Szene. Wie schwierig ist es als Frau in diesem Business wirklich?
Man wird oft unterschätzt und auch anders behandelt. Ich habe mich immer gegen diese Sicht gesträubt, aber es ist so. Wir sprechen eine andere Sprache. Aber im Betrieb ist ganz klar: Jeder ist gleich. Ich habe einen 50-jährigen türkischen Bäcker, der mich als junge Chefin respektiert. Man erlebt sicher auch andere Sachen. Aber mal ehrlich: Es ist doch gut unterschätzt zu werden; du kannst nur gewinnen.
Was wünschen Sie sich für das Jahr 2020?
Ich hoffe, dass mein Vater weiterhin bleibt. Er ist jeden Tag hier. Er kam einfach mal, weil er nicht sicher war, ob wir einen Plan haben. Seither ist Baba Entertainer, hilft beim Servieren, bereitet den Tee vor. Für mich ist das wunderschön. Ich hole die letzten 15 Jahre nach, als ich weg war. Meine Mutter stört das nicht. Sie schimpft sogar, wenn er zu früh nach Hause kommt. Sie hilft übrigens bei komplizierten türkischen Pasten. Wir sind ein richtiger Familienbetrieb. Es kann alles so bleiben, wie es ist.
Und bei welchem Kollegen werden Sie nächstes Jahr sicher essen?
Markus und ich gönnen uns einen Monat Ferien. Ich hoffe, wir gehen dann nach Japan. Wo wir essen, wissen wir noch nicht. Und sonst? Ich könnte jederzeit wieder ins «Mugaritz» in San Sebastian oder ins «Noma» in Kopenhagen. Solche Orte motivieren dich und das braucht man, damit man nicht schrumpft und im eigenen Mikrokosmos bleibt.