Text: Urs Heller

Spitzenkoch. Solokoch. Entertainer. Franco Körperich, 38, der Mann aus Görlitz (grosses Bild oben), macht im denkmalgeschützten «Löwen» Menzingen ZG einen ausserordentlich guten Job. Er kocht allein, er präsentiert trotz Stress seinen Gästen alle Gerichte persönlich und auch ein wenig stolz am Tisch. Der älteste Gasthof des reichen Kantons ist auch der beste weit und breit. Körperich ist talentiert und sehr fleissig zugleich; Tanja Körperich, 32, ebenfalls gelernte Köchin, ist seine starke Partnerin an der Front. Dass der «Löwen» wirklich nur ein «Fall für zwei» ist, spürt man in der Gaststube und am Herd nicht. Die Erfolgsformel: Gute Vorbereitung. Gute Nerven. Zwei, die harmonieren.

 

Liebe auf den zweiten Blick. Tanja Körperich heuerte vor ein paar Jahren in der «Sonne» Scheunenburg BE an und lernte gemäss Website-Eintrag «viel Neues kennen». Einen Neuen ebenfalls: Franco Körperich kochte gleichzeitig im wunderschönen Landgasthof. Liebe auf den ersten Blick war’s nicht, «aber wenn man zwölf Stunden zusammenarbeitet, freundet man sich auch privat an», sagt der Chef. Der Funke sprühte später, beim zweiten gemeinsamen Job im «Löwen» Menzingen. Endstation Standesamt.

Ehepaar in schwarzer Uniform in historischer Gaststube

Sie führen den «Löwen» gemeinsam: Tanja und Franco Körperich.

Neff, Mösching, Weder. Dass sich die beiden im romantischen Landsgasthof Sonne in Scheunenberg kennenlernten, ist kein Zufall. Franco Körperich, der ehrgeizige Mann aus dem Osten Deutschlands, arbeitete konsequent nur bei guten Köchen. Kurt Mösching ist einer seiner Mentoren, aber auch Markus Neff (früher «Fletschhorn» Saas Fee, heute «Gütsch» ob Andermatt). Auch bei René Weder schaute er genau hin, ehe er von ihm 2019 den «Löwen» übernahm. Inzwischen räumt Körperich selbst ab: 16 Punkte im GaultMillau, ein Stern im Michelin, Neumitglied bei den «Jeunes Restaurateurs».

 

Kobe Beef, Kichererbsen, Kaviar. «Prolog» heisst Körperichs Einstieg ins Menü (drei bis acht Gänge), und natürlich hat es da ein paar ganz komplizierte und kostbare Dinger dabei: Die japanische Waffel etwa mit Tuna und einer Tranche Kobe Beef oder eine kühle Kichererbsen-Kugel, gefüllt mit Rauchaal-Crème. Uns imponierte der kleine Flammkuchen (zweimal gebacken!) mit würzigem Schwarzwälder Schinken am meisten. Dass man aus einem so simplen Gericht so viel herausholen kann, ehrt den Chef. Der schaltet schnell einen Gang höher: Gambero rosso mit Buttermilch. Der Crunch im Teller? Die frech gebackenen Krebs-Extremitäten.

Fassade des historischen Gasthauses Löwen in Menzingen ZG

«Löwen», Menzingen: der älteste Gasthof im Kanton Zug.

Runder weisser Teller mit einem Raviolo bedeckt von fein gehobeltem Trüffel

Unter der Cloche: Ossobuco-Ravioli, Sommertrüffel.

Innenansicht einer historischen, mit Holz getäferten Gaststube

Elegant und wohnlich: die historische Gaststube im «Löwen». 

Prädikat Instagram-tauglich. Wir bestellten einen Pinot blanc von Patrick Adank und konnten ihn zu drei Fischgerichten prima kombinieren. Beim leicht pochierten «Brüggli»-Saibling mit eingelegter Gurke und japansicher Lauch-Öl-Crème bleibt uns vor allem die «Deko» in Erinnerung. Der Chef versteckt den Saibling unter einem riesigen, instagram-tauglichen Gebäck und scheut beim Kaviar mittendrin keine Kosten: Oscietra Gold von Kaviari! Den Rouget ersetzt er spontan durch eine «geile Makrele», legt Mönchsbart, Vulkanspargeln, Reisflocken und Fichten-Schösslinge dazu. Die Beurre Blanc kriegt einen spannenden Frische- und Säuretouch: «Kawachi Bankan», eine neue japanische Zitrone, erobert gerade den Markt; muss ja nicht immer Yuzu sein. Auch der Rocklobster, mit sicherer Hand gebraten, kriegt angenehme Begleitung: Blattspinat und Bisque!

Sot-L’y-Laisse im Agnolotti. Was ist genau drin in den kleinen, feinen und hübsch geformten Agnolotti del Plin? Die Antwort liegt im Teller. Franco Körperich steckt Sot-L’y-Laisse und Eierschwämmchen nicht nur in die Füllung, sondern legt ein paar besonders schöne Exemplare auch noch drum herum. Im Miso-Schaum entdecken wir noch geschälte und halbierte Erbsli; der Chef arbeitet wirklich fürs Leben gern. Für den Hauptgang ist Holzen vom Bürgenberg der Lieferant. Wir kriegen je eine Scheibe Kalbsfilet und Tafelspitz, mit Rafzer Spargeln und Bärlauch-Gnocchi; das Selleriepüree ist wohl das berühmte Element zu viel. Besonderes Merkmal beim Filet: Die kräftige Kruste! Im «Löwen» kommt das Kalb nicht sous-vide aus dem Plastiksack. Körperich ist auch Pâtissier des Hauses: Walderdbeeren, Walderdbeeren-Mousse, Waldmeister, Sauerklee-Sorbet, darüber ein ziemlich gewaltiger Erdbeer-Schaum. «Badewasser-Schaum» sagt Körperich selbstironisch dazu. – Im Sommer Service in einem hübschen Gärtli. Am Sonntagmittag geöffnet.

 

>> GaultMillau und American Express scouten junge, begabte Köche, die die Zukunft vor sich haben, für die Liste «Talente 2023». Fortsetzung folgt.

 

www.loewen-menzingen.ch

 

Fotos: Ellin Anderegg, HO