Text: Kathia Baltisberger Fotos: Lucian Hunziker

Zürich im Jahr 1853: Die Stadt an der Limmat boomt, avanciert zum Handelszentrum der Schweiz. Seit 1838 steht das Hotel Baur en Ville am heutigen Paradeplatz. Das erste «Fremdenhotel» der Stadt. F.V. Veit ist der erste Küchenchef im vornehmen Gasthaus. In besagtem Jahr entschliesst der Koch, ein Buch über sein Schaffen herauszugeben. «Die Bürger-Küche für Stadt und Land», heisst es. Es sei ein «allgemein verständliches und leichtfaßliches Kochbuch». 

 

Bücherschatz. Rolf Laible, aktueller Küchenchef in den Restaurants des Savoy Baur en Ville, ist im Besitz dieses Werks. «Es gehörte einem Freund von mir. Der hatte keine Verwendung dafür, also kaufte ich es ihm ab», erzählt Laible. Das Buch stellt sich als kleiner Schatz heraus. Von der einfachen Suppe über klassische Fleischgerichte bis hin Desserts bietet es einen spannenden Einblick in die Kochkünste der damaligen Zeit. «Damals interessierte man sich ja noch nicht für Kalorien oder Kohlenhydrate. Und trotzdem machte man sich Gedanken, was verträglich ist. Ein schweres Stück Wild kombinierte man auch damals mit Birne.»
 

Rolf Laible Hotel Savoy Baur en Ville Zürich

«Die Bürger-Küche» von F.V. Veit. Die Fettflecken weisen auf eine rege Nutzung hin.

Für «Frauen und Jungfrauen». Ein über 160 Jahre altes Kochbuch ist natürlich nicht ganz so leserfreundlich, wie wir uns das gewohnt sind. Listen mit Mengenangaben sucht man vergebens. Die Anleitungen sind dennoch genau und beginnen oft schon bei der Schlachtung eines Tieres. So heisst es bei der Taube mit Blut: «Wenn die Tauben abgeschlachtet werden, so fängt man das Blut auf und verrührt es mit etwas Essig.» Veit schlägt auch einen befehlsmässigen Ton an und bezeichnet die Anleitungen als «Vorschriften». Er propagiert die Wichtigkeit Ordnung, Pünktlichkeit und Reinlichkeit. Das Buch ist aber nicht für jedermann. Es ist «für solche Frauen und Jungfrauen bestimmt, denen sich keine schickliche Gelegenheit bietet, die für Führung einer Haushaltung unumgänglich nöthigen Kenntnisse provisorisch erlernen zu können.» Wer bislang durch «falsche und verderbte Koch-Methoden auf Abwege geführt» wurde, der sollte vielleicht auch mal einen Blick hineinwerfen. 

Rolf Laible Hotel Savoy Baur en Ville

Ein altes Gericht neu interpretiert. Fasan mit Feigen und Sauerkraut.

Alte neue Trends. Und dennoch ist das Buch aktueller denn je. Während «Nose to tail» bei uns im Trend liegt, ist das 1853 der Köche täglich Brot. Auch Foodwaste ist ein Thema – auch wenn die Verbreitung dieses Begriffs damals noch in weiter Ferne lag. Am Ende jedes Kapitels gibt es nämlich Rezepte die lehren, wie man «übrig gebliebene Stücke wieder auf die schmackhafteste und beste Art» wiederverwendet. Und falls Sie ob der erheblichen Anzahl Kochbücher den Überblick verlieren, Autor Veit ging es damals nicht anders. Er berichtet von «unter uns überhandnehmenden Kochbüchern» und bemängelt auch gleich noch deren Qualität. 

 

Neuinterpretation. Chef Laible bekam von Hotel-Direktor Werner Knechtli den Auftrag, etwas aus dem Buch auf die Teller der Gäste zu zaubern. Keine einfache Aufgabe. «Ich musste etwas kreieren, das die Gäste auch bestellen wollen», sagt Laible. Er entscheidet sich für einen Fasan. «Den habe ich schon seit Jahren nicht mehr zubereitet.» Statt das Fleisch zu dämpfen, wie von Veit vorgeschrieben, brät Laible das Fleisch. Dazu serviert er eine Feigensauce und Sauerkraut nach Rezept von 1852. «Ich habe die Rezepte nicht 1:1 übernommen. Aber sie sind von damals inspiriert, entsprechen aber unserem Essverhalten.» 

 

>> Das «Orsini» bietet dieses Gericht im Rahmen der 180-Jahr-Feier des Savoy Hotel Baur en Ville bis am 23. Dezember an. 


>> F.V. Veit: Die Bürger-Küche für Stadt und Land. Zweite Auflage. Zürich, 1853.

 

>> Orsini 
14 Punkte
Am Münsterhof 
8001 Zürich

www.savoy-zuerich.ch