Text: Fabien Goubet
Titouan Claudet, vor einem Jahr wurden Sie von GaultMillau zum «Patissier des Jahres» gekürt. Wie verlief dieses Jahr?
Die Zeit ist extrem schnell vergangen. Wenn ich mir vorstelle, dass die GaultMillau-Zeremonie in Ascona im letzten September schon ein Jahr zurückliegt, kann ich es kaum glauben. Aber wenn die Zeit schnell vergeht, ist das doch im Allgemeinen ein gutes Zeichen, oder?
Gab es neben diesem Titel noch andere Höhepunkte für Sie im Jahr 2025?
Es gab keine grossen Höhepunkte, nein. Aber ich freue mich jeden Tag auf meine Arbeit, die ich auch immer wieder hinterfrage. Natürlich war es etwas Besonderes, die Auszeichnung in Ascona entgegenzunehmen und all diese Deutschschweizer Köche zu treffen; ich arbeite ja in Genf, gewissermassen am anderen Ende der Schweiz.
Titouans Markenzeichen: Geometrische Formen. Auch beim Cheesecake.
Titouan Style: Klare Linien auch bei einem einfachen Blätterteig.
Der Bestseller im Comptoir Woodward: La Bûche Mosaique.
Hat es Sie unter Druck gesetzt, so ins Rampenlicht gerückt zu sein?
Ich glaube nicht. Im Gegensatz zum Gewinn eines Wettbewerbs, der ein einmaliges, stressiges Ereignis ist, belohnt der Titel «Pâtissier de l'année» von GaultMillau die Karriere, die langfristige Arbeit. Im Alltag setze ich mich selbst schon zu 110 % unter Druck. Der Titel hat mich eher bestärkt, so weiterzumachen.
Hat Ihnen die Medienpräsenz geholfen?
Ich hatte tatsächlich viele Medienanfragen. Und die Besucherzahlen in der Boutique sind stark gestiegen. Unsere «Bûche mosaique» ist ein Bestseller geworden.
Titouans Schokoladen-Dessert. Kriegt man auch im Atelier Robuchon.
Titouans Leidenschaft: Klassiker wie Lebkuchen neu interpretiert.
Fast zu schade, um reinzubeissen: die genialen Croissants.
Haben Sie neue Projekte?
Wir möchten 2026 eine zweite Filiale des «Comptoir Woodward» eröffnen. Das wird mich sehr beschäftigen.
Wie würden Sie sich selbst beschreiben?
Modern, zeitgemäss. Auch ziemlich künstlerisch. Als ich hier angefangen habe, hatte ich Angst, meinen Stil nicht zu finden. Aber eines wollte ich um jeden Preis vermeiden: diesen oder jenen Kollegen zu kopieren. Ich wollte nicht, dass man zum Beispiel sagt, ich mache «Cédric Grolet». Also habe ich mir viele Gedanken gemacht, bevor ich meine Identität als Konditor gefunden habe.
GaultMillaus «Patissier des Jahres» arbeitet in Genf an zwei Fronten: Im noblen Hotel Woodward und in seiner Patisserie «Comptoir Woodward».
Geometrisch ist Ihr Markenzeichen. In Ihren Kreationen finden sich immer Rauten und Dreiecke.
Rauten und Dreiecke, ja, das ist eine echte Marotte von mir! Ich bin ein sehr geradliniger Mensch, fast schon pedantisch. Ich brauche Ordnung und Symmetrie. Ich werde meinen Stil weiterentwickeln und verfeinern. Aber alles ändern? Nein. Heute sagen Kunden, die meine Kuchen sehen und essen: «Das ist typisch Titouan Claudet». Das ist wichtig. Es gibt jedoch Dinge, die ich niemals tun würde.
Was etwa würden Sie niemals tun?
Desserts mit Gemüse zum Beispiel. Oder solche, die in alle Richtungen gehen. Undenkbar! Leichte Backwaren, gluten-, laktose- oder eifreie Produkte sind gekommen, um zu bleiben. Wir werden täglich danach gefragt.
>> Titouan Claudet, 33, ist GaultMillaus «Patissier des Jahres 2025». Er arbeitet für die zwei Restaurants im Genfer Fünfsternehotel «The Woodward» (L’Atelier Robuchon, Le Jardinier) und führt mit grossem Erfolg mitten in der Stadt eine eigene Pâtisserie: «Le Comptoir Woodward». www.lecomptoir-woodward.com
Fotos: Guillaume Cottancin, HO