Pingpong-Partner. «Ohne Marcel Skibba wäre unser Restaurant nicht dort, wo es heute steht», sagt Andreas Caminada über seinen wichtigsten Mitarbeiter. «Niemand versteht mich in kulinarischen Dingen besser als er. Mit ihm kann ich kreatives Pingpong spielen – das ist unheimlich befruchtend. Und wenn ich einmal nicht selbst in der Küche stehe, weiss ich, dass Marcel souverän Regie führt.» Skibba und Caminada – das ist seit zehn Jahren ein harmonisches und schlagkräftiges Duo. Seit 2021 ist der stille Star aus dem Schwarzwald nicht mehr nur Küchenchef von «Schloss Schauenstein», sondern auch Teilhaber. «Eine mehr als verdiente Anerkennung für seine Verdienste», sagt Caminada. Bild oben: Marcel Skibba in der Schlossküche.

Marcel Skibba und Marco Campanella - Goldener Koch 2025 Finale - Kursaal Bern - Finalisten: Mirco Kristal, Elodie Schenk, Urs Koller, Joao Coelho, Olivier Hofer - Februar 2025 - Copyright Olivia Pulver

Marcel Skibba (l.) und Marco Campanella als Juroren des «Goldenen Kochs» 2025.

Schauenstein

Schloss Schauenstein ist seit zehn Jahren Skibbas kulinarische Heimat.

Marcel Skibba & Andreas Caminada: Chicorino Rosso - 20 Jahre Schauenstein, Fürstenau - Andreas Caminada, Marcel Skibba, Joan Roca, Jan Hartwig - Dezember 2023 - Copyright Olivia Pulver

Hohe Kunst à la «Schauenstein»: Cicorino rosso und Birne spielen hier die Hauptrollen.

Ein dreifacher Glücksfall. Für Caminada ist Skibba gleich in dreifacher Hinsicht ein Glücksfall: als Mensch, Leader und hochbegabter, technisch brillanter Koch. «Ich bin einfach unheimlich gern um ihn herum, geniesse es, mit ihm Menüs zu schreiben oder an Gerichten zu feilen», erklärt der Bündner. Und noch etwas streicht er heraus: «Viele Chefs, die nun in der kulinarischen Landschaft der Schweiz für Furore sorgen, haben eine Menge von Marcel gelernt.»

Caminada/Skibba

«Mit ihm kann ich kreatives Pingpong spielen»: Andreas Caminada (l.) hält grosse Stücke auf seinen Küchenchef und Teilhaber.

Wie Skibba Campanella & Co. prägte. Die Liste der von Caminada erwähnten Chefs beginnt bei Reto Brändli («Ecco», Ascona/18 Punkte) und reicht über Zizi Hattab («Kle», Zürich/15 Punkte) und Dominik Hartmann («Magdalena», Rickenbach SZ/18 Punkte) bis hin zu Marco Campanella («La Brezza», Ascona & Arosa/19 Punkte). Campanella, GaultMillaus aktueller «Koch des Jahres», betont, wie sehr ihn die Zeit mit Skibba in Fürstenau prägte: «Seine Ruhe und seine menschliche Art, die auch Andreas auszeichnet, hat uns allen gezeigt, dass man ein Küchenteam ohne laute Töne erfolgreich führen kann.» Ein gutes Klima in der Küche bedeutet treue Mitarbeitende und die wiederum sorgen dafür, dass ein Rädchen ins andere greift. «Kochen auf höchstem Niveau ist nur mit einem eingespielten Team möglich. Und wenn alle überall anpacken. Auch in dieser Hinsicht war Marcel stets ein Vorbild», betont Campanella.

hinten v.l.: Philipp Kössl (Chef de Bar Igniv Zürich), Silvio Germann (Igniv Bad Ragaz), Andreas Caminada (Schloss Schauenstein), Marcel Skibba (Küchenchef Schloss Schauenstein), Francesco Benvenuto (Gastgeber «Igniv» Bad Ragaz), Giuseppe Lo Vasco (Restaurantleiter Igniv St. Moritz) vorne: Daniel Zeindlhofer & Ines Triebenbacher (Igniv Zürich) - Andreas Caminada hat ein neues Kochbuch mit allen IGNIV Rezepten - IGNIV Zürich - 6. Dezember 2021 - Copyright Olivia Pulver

Bei der Realisierung des «Igniv»-Kochbuchs, das 2021 erschien, spielte Skibba (obere Reihe, Vierter von links) eine zentrale Rolle. 

18 Punkte & 2 Sterne in St. Moritz. Wo «Schauenstein» draufsteht, ist Caminada drin. Aber eben auch Skibba. Jüngstes Beispiel: das im Juni abgeschlossene Kochbuch «Beyond Peaks», das im Herbst im amerikanischen Phaidon-Verlag erscheint. «Es ist gespickt mit den besten Rezepten aus dem Schloss, erdacht und umgesetzt von uns beiden», so Caminada. Auch bei den vorherigen Caminada-Büchern spielte der leidenschaftliche Flugzeug-Fan Skibba eine wichtige Rolle, bildlich zu sehen war er aber nur im «Igniv»-Kochbuch, das 2021 erschien. Apropos «Igniv»: In der inzwischen leider geschlossenen St. Moritzer Filiale des Sharing-Brands zeigte Skibba, dass er auch ohne seinen Mentor Caminada («Er war mein Idol und ist es immer noch») alles im Griff hat. Er schaffte es hoch hinaus, bis auf 18 GaultMillau-Punkte und zwei Michelin-Sterne.

Ein nicht ganz freiwilliger Ausflug. «Als Andreas mich anfragte, ob ich nach St. Moritz gehen möchte, wollte ich eigentlich absagen. Mein Ziel war es ja gewesen, mit ihm zusammen auf dem Niveau von 19 Punkten und drei Sternen zu kochen», erinnert sich Skibba. «Für den Fall, dass er niemanden finden würde, gab ich ihm aber meine Zusage. Ich vermute, er hat nicht mit letzter Konsequenz gesucht, und so wurde ich ein wenig zu meinem Glück gezwungen. Schliesslich hat mir die Aufgabe im Engadin doch sehr viel Freude bereitet.» 

Schauenstein; Uccelin; Andreas Caminada, Björn Frantzén; Dominique Crenn, Marcel Skibba

Im Kreis der Stars: Marcel Skibba (ganz rechts) mit Andreas Caminada, Björn Frantzén und Dominique Crenn (v.l.).

Enormer Wissensschatz. Auf zahlreichen Reisen, unter anderem als «Igniv»-Botschafter in Asien, habe Skibba die verschiedensten Küchenkulturen wie ein Schwamm aufgesogen, sagt Caminada. «Marcel schöpft aus einem enormen Wissenschatz und beherrscht auch die Klassik aus dem Effeff. Trotzdem verliert er die alpine DNA der ‹Schauenstein›-Küche nie aus den Augen. Es sei denn, man bittet ihn darum. Für Stammgäste bereitet er auch schon mal eine Bouillabaisse zu.» Wer mit Skibba eine Runde durch Fürstenau dreht, merkt sofort, wie sehr der 38-Jährige für seinen Job brennt. Selbst in Feigenblättern («Ihr Aroma erinnert an Kokosnuss») oder Magnolien («Die Blätter kann man anstelle von Bittersalaten verwenden») erkennt er das kulinarische Potenzial. Caminada und Skibba machen einander gegenseitig besser und damit auch das Erlebnis «Schloss Schauenstein». «Seit Marcel wieder das ganze Jahr über in Fürstenau ist und nicht mehr für die Wintersaison nach St. Moritz muss, ist sein Einfluss auf das, was wir servieren, noch grösser geworden», sagt Caminada.

Marcel Skibba (Küchenchef, links) und Andreas Caminada - Restaurant Igniv - Badrutt's Palace Hotel © Marcus Gyger SI_2017_01

Spezialauftrag in St. Moritz: Skibba (l.) und Caminada 2016 im damals neu eröffneten «Igniv» im Hotel Badrutt's Palace.

Die aufgepumpte Skibba-Ente. Ein Glanzstück, das Skibba erdacht hat, ist die wahrscheinlich beste Ente im Land. «Wir verwenden nicht zu fette, maximal drei Kilo schwere Vögel einer Pekingenten-Art aus dem Appenzellerland. Diese waschen und parieren wir zunächst und injizieren dann eine Flüssigbeize in die Brust. Anschliessend pumpen wir die Enten mit dem Kompressor auf und überbrühen sie mit einem auf Honig, Sojasauce und diversen Gewürzen basierenden Mix», erklärt der «Schauenstein»-Küchenchef. In der Folge werden die Vögel auch innen gewürzt, zugenäht, geräuchert und für zehn Tage ins Kühlhaus gehängt. Während dieser Zeit verteilt sich die Beize gleichmässig in der Brust. «Gegart werden die Enten bei 140 Grad im Ofen, bis sie eine Kerntemperatur von 54 Grad erreicht haben. Ganz zum Schluss drehen wir die Hitze auf 200 Grad hoch, damit die Haut schön knusprig wird», erklärt Skibba.

Skibbas Ente

«Mit jeder Zubereitung wird sie besser»: Marcel Skibba (l.) mit Souschef Dominik Falk und seiner berühmten Ente.

Der Garten als ständige Inspiration. Auch andere kulinarische Attraktionen im Schloss tragen Marcel Skibbas Handschrift, zum Beispiel die Kombination Blumenkohl, Miso und Zitrone. «Das Gericht ist eine Ableitung von Kalbsmilke, Miso, Zitrone. Für einen vegetarischen Gast habe ich es erstmals abgewandelt und dann immer mehr Freude daran gewonnen. Heute ist es fast schon ein Klassiker», erklärt Skibba. Weil eine beträchtliche Zahl der Gäste auf dem Schloss sogenannte «Wiederholer» sind und das jeweils aktuelle Menü schon gegessen haben, muss das Küchenteam öfters improvisieren. «Die beste Inspiration für diese Improvisation bietet der Garten. Ich bin mindestens einmal am Tag dort und zwei- bis dreimal pro Woche mit Gästen auf einer kleinen Gartentour. Wir sind alle sehr stolz auf das, was in den Beeten und daneben spriesst», so Skibba.

Garten Schloss Schauenstein, Fürstenau Andreas Caminada 2. Verwendung nach Absprache mit Nino (Bilder wurden für Marmite gemacht)

Rund 800 Pflanzenarten gedeihen im Schlossgarten – ein unvergleichlicher Schatz für Skibba und Caminada.

Ein Beach-Lokal in Thailand mit Schnipo. Und könnte sich Marcel Skibba überhaupt noch vorstellen, Fürstenau zu verlassen? «Im Moment nicht. Ich fühle mich auf dem Schloss und in der bewährten Konstellation sehr gut aufgehoben. Auch wenn der Gedanke, mein ganz eigenes Ding zu machen, natürlich schon irgendwie reizvoll ist», erklärt der stille Star in Caminadas Reich. In einem anderen Fine-Dining-Restaurant in der Schweiz zu arbeiten, komme für ihn aber nicht infrage. «Dafür ist meine Verbindung zu Andreas zu stark, der Respekt und die Dankbarkeit zu gross. Vielleicht eröffne ich ein ganz einfaches Beach-Lokal in Thailand und serviere dort Wiener Schnitzel mit Pommes frites, wenn ich sechzig bin», sagt er und lacht. 

Fotos: Olivia Pulver, Digitale Massarbeit, Caspar Martig, Nino Valpiani, Marcus Gyger