«Splendide Royal»: Violette Gamberi & Kutteln. Domenico Ruberto ist der Vorreiter der «neuen Luganeser Küche». Ein stolzer Kalabrier, frei von allen Selbstzweifeln, ziemlich mutig unterwegs. Bestes Beispiel: In die «Plin», ursprünglich mal ein Arme-Leute-Gericht, packt er violette Krebse aus dem Ionischen Meer («gamberi viola»), dazu serviert er unerschrocken Kalbskutteln! Seine Paradegerichte im kleinen Gourmet-Restaurant «Il Due Sud»: Linguine di Gragnano, im Tomatenwasser zubereitet. Und «Triglia allo Scoglio», ein perfekter Rouget mit Meergetier in der Sauce. Zweite Attraktion im Traditionshaus «Splendide Royal»: Der neue Spa, mit Terrassen zum Luganersee. Grosses Bild oben: Trendsetter im Tessin v.l. Andrea Bertarini, Domenico Ruberto, Diego della Schiava.
«The View»: Scampo morbido mit Bloody Mary. In «The View» hat’s geknallt: Chef Mauro Grandi hat das sehr moderne Boutique-Hotel über Lugano während des Corono-Lockdowns praktisch über Nacht verlassen. Jetzt ist Souschef Diego della Schiava der Boss. Er hat den Job bei einigen italienischen «Granden» gelernt (Gualtiero Marchesi, Niko Romiti, Andrea Berton) und packt seinen erstes Chef-Posten furchtlos an. Den teuren südafrikanischen Scampo gart er äusserst sanft, um den Eigengeschmack herauszuarbeiten. Die Sauce dazu ist ultrafrech: «Bloody Mary», eine kühle Tomatenessenz. Für die Tortelli macht die Brigade Überstunden: Kalbsschwanz, mühsam ausgelöst, kommt in den dünnen Teig. Das Dessert passt zur «Bloody Mary» beim Start: «Bellini in piatto» ist angesagt, mit Amaretto; der kostbare Louis Roederer wird zum Sorbet eingefroren…
«Villa Principe Leopoldo»: Swiss Lachs & Swiss Shrimps. In der «Villa» brennt nach dem Abgang von Dario Ranza (30 Jahre Chef im «Leopoldo»!) nichts an. Dafür sorgen allein schon die beiden überragenden Gastgeber Claudio Recchia und Gabriele Speziale. In der Spezialdisziplin «Branzino tranchieren» halten sie wohl den Schweizer Rekord: Salz weg, Haut weg, Bäggli raus, anrichten in Rekordzeit, und kein einziges Salzkorn liegt noch auf dem Loup aus der Bretagne. Der junge Chef Cristian Moreschi verwaltet das Erbe gut, kriegt auch den berühmten Risotto des Hauses tadellos, wenn auch mit etwas weniger Butter, hin. Variante diesmal: Ganz in grün, Basilikum drin und Jakobsmuschel-Scheiben drüber. Cristian kauft im Corona-Jahr gezielt in der Schweiz ein. Also gibt es Swiss Shrimps aus Rheinfelden AG und Swiss Lachs aus Lostallo GR friedlich vereint auf einem Teller, mit einer süsslichen (!) Senfsauce.
«Meta»: Pata Negra-Ravioli & Segreto Iberico. Meine Neuentdeckung in Lugano: Das «Meta» (früher «Metamorphosis») im spektakulären «Palazzo Mantegazza» am See, gegenüber der Schiffstation Lugano-Paradiso. Sieht aus wie ein ganz normales Boulevard-Restaurant für Banker und örtliche «Bellezzen». Aber bei Burger und Bowls bleibt es nicht. Der weitgereiste Sizilianer Luca Bellanca kocht, hervorragend und überraschend. Spanien hat es ihm angetan: Pata Negra selbst in den Ravioli, dazu eine «Vellutata» von Parmigiano Vacche Rosse» und ein paar Spritzer Aceto Balsamico Tradizionale di Modena. Toll auch das «Segreto Iberico»: Zum saftigen Maialino gibt es den intensiven Jus und erfrischenden griechisches Tzatziki. Klarer Fall: Chef Luca schafft es in den nächsten Guide GaultMillau.
«Ciani»: Risotto mit Wachteln, Tacozette mit Carbonara. Im «Ciani» mitten in der Stadt traf ich zwei, die Luganos Gastronomie über Jahrzehnte geprägt haben: Dario Ranza in der Küche, Martin Dalsass (jetzt «Talvo», St. Moritz-Champfer). Nach Ranzas Risotti bin ich süchtig, kenne fast alle Varianten. Diesmal: Tiefgrüne Spargelspitzen, feuerrote Safranfäden, und drüber ein perfekt gebratenes Wachtelbrüstchen. Und was sind «Tacozette»? Wellige Tagliatelle aus Gragnano, mit einer «Carbonara nostrana». Heisst: Tessiner Salsiccia statt Guancala (Schweinebacke) in der Sauce. Heftigste Vorspeise: Zweierlei vom Kalbskopf, mit Zwiebeln aus Tropea.
«Lac» Melide: Nudo e Crudo. Geheimtipp zehn Minuten ausserhalb der Stadt: Das unscheinbare Hotel «Lac», mit einer feinen Terrasse über dem See. In der Küche haben wir einen «verlorenen Sohn» wiederentdeckt: Andrea Bertarini, 2017 in Vacallo unser «Aufsteiger des Jahres». Sein Comeback ist spektakulär. «Crudo e nudo» heisst das Hammergericht: Zehn rohe Fische und Krebse in einem Teller! Auch gut: Die Ricotta-Gnocchi al ragù bianco, mit Kalbfleisch, Milken, Steinpilzen und den ersten «Ovoli» der Saison, die Ravioli mit Kalbsbauch in der Füllung. GaultMillau-Tipp: Am Abend hingehen, den Sechsgänger «a mano libera dello Chef» bestellen, einen Merlot zum Schnäppchenpreis aussuchen. La dolce vita direkt am See!
>> Fotos: Marcus Gyger, Egle Berruti, Roberto Patti, Remy Steinegger