Text: David Schnapp Fotos: Lucia Hunziker

Der Ort: ein malerisches Hofgut mit Wäldern, Reiterhof, Pferdeställen und Gasthaus im Südschwarzwald. Der Mann: ein Koch, der sich so viel kindliche Neugier und Verrücktheit bewahrt hat, um seine Gäste immer wieder zu überraschen. Wir sind auf dem Hofgut Albführen, ein idyllisches Anwesen, wo es sich Menschen und Pferde gleichermassen gut gehen lassen können.

 

Bewegte Vergangenheit. Für das Wohl der Menschen ist in erster Linie Chris Trewer verantwortlich. Der energiegeladene Küchenmeister ist in der Schweiz kein Unbekannter: Entdeckung des Jahres 2001 im Gault Millau, später holte er die ersten 15 Punkte im neu eröffneten «Mesa» in Zürich, eröffnete das «Times» im Kreis 5 und war davor mehrere Jahre Küchenchef im «Grödeli» in Kreuzlingen (14 Punkte). Seit knapp einem Jahr ist Trewer nun für die kulinarischen Geschicke im Restaurant «Albführen» verantwortlich.

Chris Trewer Küchenchef Hofgut Albführen, umringt von seinen Essig-Kreationen, 79802 Dettighofen DE, 17.01.2019, Foto Lucia Hunziker

«Mein Malkasten»: Rund 180 verschiedene Aromen-Essige hat Chris Trewer in seiner Sammlung.

Chris Trewer Küchenchef Hofgut Albführen, beim Anrichten seiner Forelle, umringt von seinen Essig-Kreationen, 79802 Dettighofen DE, 17.01.2019, Foto Lucia Hunziker

Das besondere Gewürz: mit der Pipette bekommt eine Forelle eine feine Bärlauchnote.

«Mein Malkasten.» Wir besuchen den «kochenden Wirbelwind» («Bilanz») an einem kühlen Sonntag, das Hofgut ist in von Zürich aus in knapp 30 Minuten erreichbar. Chris Trewer führt uns durch das Clubhaus, wo ein Feuer im Kamin brennt und gleich ein Familien-Schinkenessen stattfindet. Trewer weist uns auf eine Ansammlung von Flaschen und Gläsern hin: «Das ist mein Malkasten», sagt Trewer mit spitzbübischem Lächeln. Gemeint sind Essige in rund 160 verschiedenen Geschmacksrichtungen von Vanille bis Chili. Die Kollektion wächst fast täglich. Sie stehen überall: in der Küche, im Restaurant, im Keller.

 

Und das geht so: Der Aromaträger wird in einen Grundessig mit 12,5% Säure gelegt. «Der Läuterungsprozess dauert je nach Gargut einen bis zwölf Monate. Danach wird der Aromaträger entfernt und die Säurespitze wird mit Zucker gebrochen, das heisst der Geschmack wird ausbalanciert. Das passiert alles ohne Hitzezufuhr, um den Geschmack nicht zu verfälschen», erklärt Trewer. Durch den Zucker kann er je nach Aromaträger den Säuregehalt regulieren – stark wasserhaltige Gemüse etwa brauchen weniger Zucker als Zitrusschalen mit vielen ätherischen Ölen. Am Ende kann Trewer mit einem sehr individuellen Gewürze-Set seinen Speisen eine persönliche Note gehen. Eine gebratene Forelle bekommt eine frische Bärlauchnote und selbst ein gewöhnlicher Salat wird mit ein paar Tropfen Bergamotte-Essig zu einer aussergewöhnlichen Beilage.

Chris Trewer (r.), Küchenchef, und Christian Andlauer, Leiter Gastronomie & Hotel, Hofgut Albführen,79802 Dettighofen DE, 17.01.2019, Foto Lucia Hunziker

Innovatives Duo auf «Albführen»: Gastronomieleiter Christian Andlauer und Küchenchef Chris Trewer.

Unverwechselbare Handschrift. Zu einem Suppenshot mit Bauernspeck und knusprigem dunklen Brot gibt Trewer homöopathische Dosen Ingwer- und Chili-Essig hinzu und gestaltet so immer wieder faszinierende Geschmacksbilder mit subtilen Nuancen. Auf Basis einer klassischen Küche, in der Entenleberterrinen zubereitet werden und ganze Rehe aus eigener Jagd im Kühlraum abhängen, gelingt es Chris Trewer so, eine unverwechselbare Handschrift zu entwickeln. Das Reh zum Beispiel kombiniert er mit Steinpilzen, Ingwergelee und Kimchi-Kürbis und kombiniert erstklassiges Wildfleisch mit fein dosierten asiatischen Aromen zu einer kraftvollen Mischung. Ein typischer Trewer, gestaltet mit seinem einmaligen Essig-Malkasten.