Text: Urs Heller

Der Mann mit dem scharfen Messer. «Nur ein einziges Menü anbieten? Geht gar nicht», sagt Philippe Chevrier, «unsere Gäste wollen eine breite Auswahl haben. Und dafür sind wir Köche da.» Also leisten sich Chevrier und sein Langzeit-Küchenchef Damien Coche eine riesige Brigade und der immer fröhliche Maître und Chef-Tranchierer Esteban Valle Trujillo hat ziemlich zu tun: Er schneidet schwungvoll und blitzschnell saftige Poularden und Perlhühner von Jean-Claude Miéral aus der Bresse auf. Er löst mit scharfem Messer souverän eine Rascasse von der Gräte. Es gibt kaum einen hässlicheren Fisch im Meer als diesen Roten Drachenkopf, der eigentlich eher für den Bouillabaisse-Topf bestimmt ist, aber er passt zu Chevriers herzhafter Küche; eine elegante «Fricassée de couteaux» (Messermuscheln) gibt es dazu. 

Lachs & Langustine. Purer Luxus zum Start ins Menü, aufgetragen auf der grossen Terrasse mitten in den Weinbergen: Lachs aus Lostallo, mariniert wie ein Graved Lachs, eingefärbt mit Randensaft, mit knackigem Oscietra Kaviar aus dem chinesischen Qiandao Lake. Ein Stück Bretagne-Hummer vom Grill. Eine Langustine mit gelbem Pfirsich, Orange und Campari (!). Chevrier ist Krug-Ambassador, also perlt dazu Nobles ins Glas: Krug Grande Cuvée 171ème Edition. «Rouge de Mazara» folgt: Die eleganten roten Krebse aus Mazara del Vallo werden zu einem sanften Ceviche verarbeitet, die kühle Gazpacho dazu sorgt für Sommerfrische.

Domaine de Châteauvieux, Philippe Chevrier, Satigny, GE

Ein eingespieltes Team: Philippe Chevrier (r.) mit seinem Langzeit-Küchenchef Damien Coche.

Abalones, frisch vom Felsen. Dann wird es richtig spannend: Chevrier lässt in der Bretagne die raren und teuren Ormeau (Seeohren) vom Felsen schlagen, schneidet sie dünn auf, legt Champignon-Würfel und eine Sellerie-Roulade dazu. «Abalone» heissen die Dinger in Asien, sind dort Kult und sauteuer. Der nächste Gang kommt uns vertrauter vor: Rouget des Roches Noires! Die Rotbarbe wird auf der Haut knusprig gebraten, die Filets bleiben bewundernswert saftig. Borlotti-Böhnchen und Artischocken gibt es dazu und etwas überraschend eine sommerliche Ponzu-Sauce (Miso, Soja).

Domaine de Châteauvieux, Philippe Chevrier, Satigny, GE

Erfrischend: Flusskrebse «pattes rouges» aus dem Lac Léman, mit einer Kardamom-Emulsion.

Domaine de Châteauvieux, Philippe Chevrier, Satigny, GE

Kaviar, nicht zu knapp: Philippe Chevrier arbeitet mit Top-Produkten.

Domaine de Châteauvieux, Philippe Chevrier, Satigny, GE

Sommergericht: Ein Salat mit Sellerie und Kartoffeln, dazu ein Liebstöckel-Sorbet.

Das Apfelschwein aus dem Thurgau. Den Hauptgang kauft der Genfer Chef im Thurgau ein: Apfelschwein, eine Entdeckung der Bianchi-Boys! Chevrier: «Ich mag den Bauern. Er kultiviert Äpfel für seinen Most und füttert mit dem Rest seine Schweine.» Das «Côte de cochon» ist von verblüffender Qualität, die Beurre noisette schmeichelt dem Gaumen, und in der Tartelette, unter einer Schicht Radiesli, entdecken wir noch mehr Schwein: Die über Nacht langsam konfierte Schulter. Beilage? Eine Kartoffel-Mousseline, Robuchon-Style, mit viel, viel Butter. Dann rollt der beeindruckend dotierte Käsewagen vor und verwandelt Pâtissier Jason Anaya die Früchte der Saison (Himbeeren, Pfirsich) in federleichte, erfrischende Desserts.

Domaine de Châteauvieux, Philippe Chevrier, Satigny, GE

Chevriers Hauptquartier: «Châteauvieux» mitten in den Rebbergen. 

Esteban Valle, Gastgeber Domaine de Châteauvieux, Satigny, GE

Gastgeber & Tranchiermeister aus Leidenschaft: Esteban Valle Trujillo.

Das Wein-Wunderland Genf. Eine Reise nach Satigny ist immer auch eine Reise ins Wein-Wunderland Genf. Sommelier Maxime Cullet schenkt glasweise aus, was in der übrigen Schweiz kaum zu kriegen ist: Sauvignon blanc von Jean-Pierre Pellegrin aus den für ihn schwierigen Jahren 2018/2019. Viognier «Galopine» von Christian Guyot (ein Geheimtipp!), Cabernet franc 2020 von der Domaine de la Comtesse Eldegard (Nicolas Bonnet), Sauvignon Doux 2021 aus der «Cave de Genève».

«Lièvre à la royal» im Herbst. 37 Jahre nun schon führt Philippe Chevrier seine beeindruckende «Domaine de Châteauvieux» mit angenehmen Zimmern in Satigny vor den Toren Genfs. Der nimmermüde Patron freut sich schon auf den Herbst. Dann ist «la chasse» angesagt, mit spektakulärer Karte: Rebhühner, Schneehühner, Schnepfen, Krickenten, Wildschweine und noch viel mehr. Paradegang: «Lièvre entier à la royale». Der Hase stammt aus Schottland, wird tagelang verarbeitet und in mehreren Gängen verarbeitet, wie früher am Hof von König Louis XIV!

 

www.chateauvieux.ch

 

>> Fotos: André Meier / Switzerland Tourism, Fred Merz / Lundi 13, HO