Fotos: Remy Steiner
Der Tresen ist seine Bühne. Auf ein Essen bei Yutaka Kobayashi muss man sich als Gast einlassen. Er ist Küchenchef im «Minamo» im Mandarin Oriental Palace in Luzern, ausgezeichnet mit 15 Punkten und neu einem Michelin-Stern. Geboten wird dort ein achtgängiges Omakase-Menü, das der 39-Jährige vor den Augen von maximal acht Personen zubereitet. Omakase bedeutet übersetzt: «Ich vertraue Ihnen!» Konkret: Gegessen wird, was der Chef vorschlägt, an einem Bartresen aus dunklem Holz: «Es ist meine Bühne», so erklärt Yutaka. Im Idealfall werde im Laufe des Abends die Kundschaft Teil der Aufführung, «sie ist schliesslich auch ausschlaggebend für die Atmosphäre.» Schwierig werde es eigentlich nur, wenn an der einen Ecke des Bartresens ein verliebtes Paar sitzt, am anderen Ende zwei Börsenmakler in Feierlaune.
Frisch & knackig: Jakobsmuschel mit Gurke, Finger-Limes & Umeboshi.
«Tempura»: Carabinero packt der Chef in Panko-Kruste, dazu gibt's würzige Yuzu-Mayo.
Zehn Anläufe, bis es so perfekt war: Chawanmushi mit geräucherter Forelle.
80 Prozent ist Mise-en-place. Zurzeit startet das Menü mit einem besonders leichtfüssigen Gericht: Tranchierte Jakobsmuschel aus Hokkaido wird mit Finger-Limes, Melonengurke, Shiso und Salzpflaumen-Püree (Umeboshi) in eine Muschelschale gelegt; angegossen wird mit Jus aus japanischem Pfeffer, Gurken- und Yuzusaft. Für ein passendes Knacken zwischen den Zähnen sorgt die in milimetergrosse Würfel geschnittene Gurke. Viele der verwendeten Zutaten hat Yutaka schon nachmittags vorbereitet, denn seine «Aufführung» besteht aus «80 Prozent Mise-en-place», 20 Prozent mache er vor dem Gast. Der Koch ist froh, dass es nicht mehr ist: So bleibe die offene Küche ordentlich – das scheint ihm, merkt man schnell, wichtig zu sein.
Der Reis für Yutakas Nigiri ist auf den Punkt gesalzen und gesäuert.
Yutakas Sushi mit Blauflossen-Tuna wird dank etwas Zitronenzeste zur grossen Nummer.
Passendes Dessert im Omakase-Menü: Matcha-Rolle mit Yuzu.
Bald gibt es auch Seeigel! Der Executive Chef des MO Luzern, Gilad Peled, beschreibt den japanischen Koch in seinem Team als humorvollen Menschen: «Unsere Gäste lieben ihn geradezu.» Diskussionen tauchten höchstens mal auf, wenn für Peled ein Gericht etwas gar japanisch angelegt ist oder für Yutaka eine Zutat zu europäisch. Doch am Ende findet man sich immer: «Das Chawanmushi, das aktuell mit geräucherter Schweizer Forelle, Schnittlauch und Rogen serviert wird, haben wir zehnmal probiert, bis wir es perfekt fanden», erzählen sie einstimmig. Gibt es eigentlich eine Zutat, die er in Luzern nicht auftreiben kann? «Bisher habe ich vergeblich nach Seeigel in guter Qualität gesucht», so Yutaka Kobayashi. Er sei aber zuversichtlich, dass Lieferant Bianchi auch dies in den kommenden Wochen hinbekomme.
Yutakas «Bühne»: Maximal acht Personen können am Tresen des Restaurants Minamo Platz nehmen.
Zu europäisch? Zu japanisch? Am Ende werden sich Gilad Peled (l.) und Yutaka Kobayashi immer einig.
Sushi: perfekter Reis & frisch geriebener Wasabi. Sehr japanisch, zumindest für europäische Gäste, sind die Sushi, die serviert werden. Der Reis ist perfekt körnig, punktgenau gesalzen und gesäuert. Yutaka kombiniert ihn erst mit abgeflämmten Kingfish, dann mit Bluefin Tuna und etwas Zitronenabrieb. Das dritte Reishäppchen mit geräuchertem Aal im Shisoblatt überreicht er dem Gast mit blossen Händen. Und plötzlich versteht man, dass die gut 1,5 Meter Abstand zwischen dem Küchenchef und dem Kunden alles andere als zufällig sind. Isst man auch dieses grosse Sushi in einem Bissen? «Idealerweise schon», sagt Yutaka. «Auch wenn das manchen Ladies nicht ganz gelingt.» Immer in den Häppchen drin: etwas frisch geriebener Wasabi.
Teil der grossen Show im «Minamo»: die Messer von Yutaka Kobayashi.
Den Fisch für seine Nigiri tranchiert der Chef fachgerecht vor seinen Gästen.
Yutaka kann auch Rösti. Der «Minamo»-Chef sieht sich selbst als Brückenbauer zwischen europäischer und japanischer Kultur: Der berühmte Nobuyuki Matsuhisa habe ihm mal gesagt, dass es noch eine Weile dauern wird, bis die Mauer zwischen den beiden Kulturen falle – er möchte, so betont Yutaka, jedenfalls seinen Beitrag dazu leisten. A propos: Hat er ein Schweizer Lieblingsgericht? Da muss Yutaka Kobayashi lächeln: «Birchermüesli!» Es sei sein tägliches Frühstück, «mit möglichst vielen saisonalen Früchten». Was er zudem kochen gelernt hat in seiner Zeit in Zürich, als er im Hotel Widder unter Tino Staub gearbeitet hat: Zürcher Geschnetzeltes mit Rösti. Yukata hat offenbar, anders als viele Asiaten, keine Probleme mit Laktose.
Wissen weitergeben. Braucht es eigentlich viel Vorwissen, um bei ihm als Gast am Tresen zu sitzen? Küchenchef Yutaka Kobayashi verneint. «Es mag spannend sein, zu wissen, dass man Reis für Sushi deshalb säuert, weil Fisch traditionell mit Essig länger haltbar gemacht worden ist.» Aber solche Details wüssten auch viele Japaner nicht. Und genau um sie zu erzählen, sei er schliesslich da – auf seiner gastronomischen kleinen Bühne in Luzern.