Text: Urs Heller

«Wir freuen uns auf den Endspurt.» «Ich darf aufhören. Ich muss nicht aufhören», sagt 18-Punketchef Franz Wiget, 61. Das Restaurant Adelboden ist fast immer restlos ausgebucht, seine Brigade stark, der Applaus riesig. Aber: «Ich habe mir immer gewünscht, auf dem Höhepunkt abzutreten. Jetzt ist der richtige Moment: Meine Frau Ruth und ich freuen uns auf den Endspurt, geben noch sechs Monate lang alles. Am 30. Juni 2022 schliessen wir dann den «Adelboden» für immer.» Franz Wiget hat Jahrzehnte lang Gäste und Kritiker begeistert. Noch wichtiger: Er hatte den Respekt und die ungeteilte Bewunderung seiner Berufskollegen.

Signature Dish? Gummelistunggis! Franz Wiget hat die Küche weit über die Kantonsgrenzen hinaus geprägt. Er hat früh nach den besten Produzenten in der Region gefahndet, lange bevor «Farm-to-table» zum Modewort der Szene wurde, er hat seine (Stamm-)Gäste mit einer präzisen, aufwändigen, auf der klassischen Lehre aufgebauten Küche über Jahrzehnte begeistert. Dass im «Adelboden» ein auf den ersten Blick einfaches Gericht zum «Signature Dish» wurde, passt zum Chef, der nie abgehoben hat: «Gummelistunggis» (Kartoffelstock) darf in keinem Menü fehlen.

Franz Wiget Adelboden Steinen SZ Kalbsblankett mit Gummelistunggis

Comeback eines Klassikers: Kalbsblanquette by Franz Wiget. 

Franz Wiget kocht an Garden Party 2019 Blanquette vom Moutathaler Milchkalb mit Gummelistunggis

Franz Wigets Signature Dish: Gummelistunggis (Kartoffelstock).

Franz Wiget Dessert Apfeltarte mit Vanilleglace

Apfeltarte der Extraklasse: Das Rezept gibt es auf dem GaultMillau-Channel.

Zugersee, Muotathal, Alp Chüeneren. Wiget-Gerichte bleiben dem Gast lange in Erinnerung. Das Beste aus dem Zugersee etwa: Röteli und Egli. Der Chef hat dafür eine treue Verbündete: Das Fräulein Speck liefert ihm diese Raritäten frisch und von Hand filetiert auf den Berg. Der Chef gehört auch zu den Gänseleber-Königen im Land; das Gänseleber-Süppchen, das er dazu serviert, ist grandios. Aufregend gut sind im «Adelboden» auch immer die Saucen: Château Chalon etwa zu einem Fisch, den alle machen (Zander). Oder Bouillabaisse-Fumet zu einer wild gefangenen Seezunge. Zu den wichtigsten Hoflieferanten gehört auch Markus Heinzer im Muotathal. Er liefert unter anderem zarte Gitzi. Der Chef pochiert Schulter und Brust 16 Stunden lang; abends kommen sie dann butterzart auf den Tisch.  Und dann gibt es noch einen treuen Wegbegleiter:  Res Gut von der Alp Chüeneren. Wiget ist von der Qualität seines Sbrinz begeistert, präsentiert ihn den staunenden Gästen mit Jahrgang.

Breaking News Chef Franz Wiget Restaurant Adelboden Steinen 2022

Schlemmen am Kachelofen. Wetten, dass das gemütliche Restaurant in den nächsten sechs Monaten restlos ausgebucht sein wird.

Breaking News Chef Franz Wiget Restaurant Adelboden Steinen 2022

GaultMillaus Leuchtturm in der Innerschweiz: Das Restaurant Adelboden Steinen SZ. Grosse 18-Punkteküche.

Die Chefin des Chefs. Ruth und Franz Wiget haben den «Adelboden» 1988 übernommen. Der Erfolg stellte sich schnell ein: Beim GaultMillau war der Chef «Aufsteiger des Jahres 2001» und «Koch des Jahres 2012» und war in den letzten zehn Jahren mit hohen 18 Punkten gelistet. Der Guide Michelin schickte 2002 den ersten und 2009 den zweiten Stern in die Innerschweiz, traf 2020 eine besonders gute Entscheidung: Ruth Wiget wurde mit dem «Service Award» ausgezeichnet. Verdiente Ehrung für eine Gastgeberin, die ihrem Mann immer den Rücken freihielt, über den Keller wachte, diskret den Service leitete und auch eine erstklassige Ausbildnerin war. Ruth Wiget drängt sich nie nach vorne. Aber sie ist die «Seele» des Restaurants, die souveräne «Troubleshooterin», die heimliche Chefin des Restaurants. Der Erfolg des «Adelbodens» ist auch ihr Erfolg.

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Mehr Zeit für sein Schwyzerörgeli: Franz Wiget (l.), er musiziert mit Kochkollege Röbi Gisler, Riemenstalden.

«Schwyzerörgeli» & Reisen. Die Wigets freuen sich auf den Endspurt, schreiben die besten Gerichte der letzten 35 Jahre auf die Karte und haben die Weichen für die Zeit danach gestellt: Das Restaurant im ehrwürdigen «Adelboden» (Baujahr 1733!) bauen sie zu ihrer Wohnung um. Zeit zum Lesen, Zeit zum Musizieren («Schwyzerörgeli»), Zeit zum Reisen. Nicht zwingend in ferne Länder, «eher nach Frankreich, ans Meer.»

Der GaultMillau meint: Wir gönnen den beiden den Ruhestand. Aber wir werden ihr Restaurant, wie viele Feinschmecker im Land, sehr vermissen.

 

>> Fotos: Thomas Buchwalder, Kurt Reichenbach, Pascal Grob, HO 

 

www.wiget-adelboden.ch