Text: Elsbeth Hobmeier I Fotos: Marcus Gyger

Achtung, mit uns ist zu rechnen! Es ist nicht zu übersehen: Junge Leute bringen die alte, etwas behäbige Gastroszene in Biel auf Trab. Mit neuem Elan mischen sie die Altstadt auf, gut ausgebildet und voller Ideen. Sie sehen einander nicht als Konkurrenz, sondern spannen zusammen, spornen sich an. Ihre Botschaft lautet: Achtung, mit uns ist zu rechnen! Achtung, in Biel tut sich was! Biel als kulinarische Wüste? Das war einmal. Die Stadt ist erwacht. Höchste Zeit für einen GautMillau-City-Report.

Du Bourg

Fiona und Christian Aeby mischen im «Du Bourg» die Bieler Gourmetszene auf. Sie kochen nach zwei Jahren bereits auf 17-Punkte-Niveau.

Randen, Zwiebel, Apfel

Ein Entrée im «Du Bourg»-Stil: Randen, Fenchel, Apfel, Zwiebel. Aufgepeppt mit Oona-Kaviar (o.). 

«Du Bourg»-Reservationssystem im Stresstest! Für das Restaurant du Bourg in der Bieler Altstadt gibt es im Guide GaultMillau 2024 neu 17 Punkte. Und die haben das Reservationssystem von Fiona und Christian Aeby (grosses Bild oben) beinahe zusammenkrachen lassen. Das ist die höchste Note, die im Seeland zurzeit vergeben wird, und ein Michelin-Stern leuchtet auch noch über dem Haus. Vor zweieinhalb Jahren hat das Ehepaar Aeby das einstige Tapas-Lokal übernommen und radikal umgekrempelt. Die Philosophie der einst in der Worber «Eisblume» gestählten Profis ist kompromisslos klar: Nur abends geöffnet. Ein einziges Menü, wahlweise mit einem Fisch- und einem Fleischgang. Gemüse als wichtige Komponente. Auch in der kalten Jahreszeit: Was Christian Aeby in der winzigen Küche mit den Wintergemüsen Sellerie, Randen, Topinambur und Schwarzwurzel zaubert, lohnt jeden Umweg. «Das Seeland ist mein Gemüsegarten», sagt Aeby begeistert.

Flusskrebse aus dem Bielersee. Aus dem Bielersee kommen Zander, Seeforelle, Felchen und hin und wieder auch Flusskrebse ins Haus. Rind, Lamm, Chüngel liefert die Landmetzgerei Lehmann in Ueberstorf FR, von Tieren aus einem Umkreis von zehn Kilometern. Für den Wein ist Fiona Aeby verantwortlich. Nach einer Koch- und Servicelehre bildete sie sich an der Weinakademie als Sommelière weiter. Und so stellt sie eine Weinbegleitung zusammen, die auch weinversierte Gäste immer wieder überrascht. Mit viel Begeisterung investiert sie auch in alkoholfreie Alternativen. «Mit Früchten, Gemüsen, Tee, Gewürzen, Essig kreieren wir zum Gericht passende Getränke, das kommt supergut an.» Und wie geht es weiter auf dem Erfolgsweg? «Jetzt erst mal die erreichte Qualität halten. Und dann möglichst immer noch besser werden», sagt das junge Paar, das auch ohne Sponsor im Rücken gut auf Kurs ist.

v.l. Gerardo Metta Chef de Cuisine und Tommaso Patti Gastgeber

Zwei Italiener im «De la Tour»: Chef Gerardo Metta (l.) und Maître Tommaso Patti.

Ravioli gefüllt mit Ricotta, Hummer, Koralle, knusprigem Fenchel

Edle Ravioli: Ricotta, Hummer, Koralle und knuspriger Fenchel.

De la Tour

In der Bieler Altstadt: Das «De la Tour» mit seinem Turm. 

 

Bei Gerardo und Tommaso im «De la Tour». Ein junges Team hat das geschichtsträchtige Altstadthaus De la Tour auf Touren gebracht (14 Punkte). Im prächtigen hohen Saal (mit Piano!) und im kuscheligen Turmséparée wird seit einigen Monaten die gehobene italienische Küche zelebriert. Der erst 30-jährige Gerardo Metta hat ein grosses Know-how nach Biel und auch nach Neuenburg (Schwesterbetrieb «La Dispensa») gebracht. In Brüssel war Metta der jüngste Michelin-besternte Koch Belgiens, seine Wirkungsstätte «Da Mimmo» zählte zu den 50 besten italienischen Küchen weltweit. Ein Stammgast warb Gerardo ab und holte ihn in die Schweiz. Der quirlige und charmante Maître Tommaso Patti empfiehlt am Tisch die Gerichte und den (italienischen) Wein. Gerardo Metta schöpft in der Küche aus dem Vollen: Carpaccio von der Seebrasse mit Austern. Polpo mit Crema di Fave und Spinaci. Raviolo mit Ricotta und Hummerbisque. Schweinebauch mit Sellerie und Kürbis. Rindsfilet mit Artischocken. Gerardos Credo: «Alles muss ganz frisch sein. Und bezahlbar bleiben!»

Repas

Rooftop-Bistronomie im «Repas» Wenn das Wetter es erlaubt, sitzt man gern draussen mit Sicht über die Dächer von Biel.

Hausgemachte Pastete

Über den Dächern zu geniessen: Die hausgemachte Pastete im «Repas».

«Repas»: Sharing Konzept und 14 Punkte. Von der Bieler Altstadt ist man in etwa zehn Gehminuten in Bahnhofsnähe und beim Hotel Elite. Rauf in die Höhe!, raten wir hier. Also per Lift in den obersten Stock ins Rooftop-Lokal Repas. Über den Dächern von Biel wird ein abwechslungsreiches Sharing-Konzept geboten: Vier Amuse-Bouches, je sieben Entrées und Hauptgänge plus einige Desserts. Der Gast stellt sich sein Menü selbst zusammen, für sich allein oder zum Teilen am Tisch. Die fröhliche Sabine Nussbaumer empfiehlt die passenden Weine und umsorgt ihre Gäste. In der Küche wirkt der junge Jurassier Corentin Rérat. Das Team hat das Lokal als «Filiale» des «Trois Amis» in Schernelz BE seit Januar 2022 aufgebaut und in Windeseile zur Erfolgsadresse gemacht. Rérats Kreationen kommen gut an. «Ich probiere immer wieder Neues aus. Und ich habe Glück – die Leute lieben es», sagt er und verschwindet in die Küche, um eine Pastete mit Tortelloni und Hirsch zuzubereiten. Mann im Hintergrund ist der Luzerner Immobilienkönig Franz Glanzmann: «Ich bin glücklich, dass wir mit dem Hotel Elite und dem Restaurant Repas so viel Erfolg haben.»

Die Brasserie des EHC Biel. Nur ein paar Schritte weiter liegt das Restaurant Palace. Unter einem Dach befinden sich eine Brasserie und, etwas erhöht, ein weiss aufgedeckter Gourmetbereich. Chantal Bühler wirkt seit 2009 als gute Seele und versierte Weinberaterin des Hauses, das vor Kurzem vom EHC Biel übernommen wurde. In der Küche steht jetzt Traice Nikolov. Einige traditionelle Spezialitäten des «Palace» haben den Wechsel überdauert: das Chateaubriand mit Sauce béarnaise, das knusprige und fluffige Wienerschnitzel, im Herbst auch der traditionelle Rehrücken. GaultMillau-Rating: 13 Punkte.

Perriquet Vert

Comme à Paris, aber in Biel – das «Perroquet Vert» und seine Crew. In der Mitte, Küchenchef Tobias Sailer (l.) und Inhaber Patrik Mürner (in heller Kleidung). 

Wintergemüse mit Honig-Oliven-Emulsion

Saisonal: Wintergemüse mit Honig-Olivenöl-Emulsion im «Perroquet Vert».

«Les Garçons du Perroquet Vert». Ein kleines Juwel versteckt sich im Bieler Neustadt-Quartier. Das Café Perroquet Vert ist ein Bistro, das ebenso gut in Paris stehen könnte (13 Punkte). Die klassisch gewandeten Garçons sprechen français, naturellement. Auf der Schiefertafel werden Tatar, Bouillabaisse, Filet de bœuf und Sole Meunière angeboten. Und in der Vitrine mit Süssem locken Saint-Honoré und Paris-Brest. Inhaber Patrik Mürner legt Wert auf Vielseitigkeit: «Wir haben von 8 Uhr bis 23 Uhr geöffnet. Man kann gross essen, aber auch nur eine Suppe oder ein Dessert bestellen. Und natürlich nach dem Theater oder Kino noch bei uns einkehren.» Im ersten Stock liegt der Salon Rouge, eine Augenweide sind die Cigar Lounge und die historische Wiener Bar aus dem Hotel Sacher mit einer breiten Cognac-Auswahl. Breit ist auch das Angebot an offenen Weinen in Flaschenqualität mit vier verschiedenen Champagnern. Am Herd des «Perroquet» steht seit einem Jahr Tobias Sailer. Er hat zuvor im «La Brezza» in Ascona und im «Da Enzo» in Ponte Brolla TI gekocht, pflegt die Mittelmeerküche und freut sich, wenn er einen ganzen Loup de mer oder Turbot zubereiten kann. Über die Festtage wurde eine Austernbar aufgebaut. Comme à Paris!

>> www.du-bourg.ch
>> www.delatour.ch
>> www.repas-biel.ch
>> www.restaurantpalace.ch
>> www.perroquetvert.ch