Text: Anita Lehmeier I Fotos: HO

Für Gerngutesser! Biel war schon immer beliebt bei Natur- und Kunst-Liebhabern. Der See, das Kunsthaus Pasquart und der Swatch-Firmensitz von Star-Architekt Sigheru Ban, der vor zwei Jahren eröffnete schillernde «Tatzelwurm», lockten Besucher von nah und fern. Nun punktet die Uhrenmetropole neuerdings mit kulinarischen Hotspots und mausert sich dank junger, innovativer Gastronomen zum Ausflugsziel für Gerngutesser.

 

15 Punkte für 15 Plätze! Im Rampenlicht plötzlich das «Du Bourg» mitten in der Altstadt. Seit diesem Sommer sind Christian Aeby und Fiona Liengme (grosses Bild oben) in dem winzigen Restaurant (15 Plätze) und der Mini-Küche (6 x 6 Meter) am Werk; beide arbeiteten zuvor in der berühmten «Eisblume» in Worb, bis diese vor zwei Jahren schloss. Das junge Duo legte in der kurzen Zeit im roten Eckhaus aus dem 12. Jahrhundert einen Raketenstart hin, machte fleissig Eigenwerbung auf Instagram mit bildschönen Gerichten. Die stellten sich dann in echt als so gut heraus, dass die Tester jubelten. Christian Aeby holte sich im eben erschienen Guide GaultMillau 15 Punkte quasi aus dem Stand, er ist die «Entdeckung des Jahres 2022 in der Deutschschweiz». Auch der ehemalige Chef in der «Eisblume», Simon Apothéloz, war voll des Lobes: «Ich war baff, ihr Menü hat mich vom Stuhl gehauen!» Das Viergang-Menü startet bei 95 Franken, sechs Gänge kosten 115 Franken.

Du Bourg Bienne Christian Aeby Fiona Liengme Découverte de l'Année 2022

Raketenstart mit 15 Punkten: Das Restaurant «Du Bourg» mitten in der Altstadt.

Du Bourg Bienne Christian Aeby Fiona Liengme Découverte de l'Année 2022

Instagram-tauglich: Felchen aus dem Bielersee, Karotte und Beurre Blanc mit Estragonöl.

Very instagrammable! Schon die Amuse bouche sind umwerfend, Aeby steigert sich aber mit jedem Gang. Er arbeitet mit einfachen, einheimischen Produkten wie zum Beispiel Kürbis, den er in allen Zubereitungsarten gekonnt variiert. Oder Topinambur, sein Lieblingsgemüse, das er mit Forelle kombiniert. Birnenpurée habe ihm seine Grossmutter als Nutella-Ersatz vorgesetzt, er serviert es nun zur Ente, zusammen mit Knollensellerie, seinem zweitliebsten Gemüse. Oder zum rosa Kalbfleisch, ergänzt mit der Stangenvariante. Die Lachsforelle türmt er zum Zylinder, Felchen verarbeitet er zu Cevice. Zur Milke gibt’s grillierten Blumenkohl. Das gesamte Geschirr – von der Tasse über Teller bis zur Vase – stammt von der Keramikerin Sara Spirig, sie entwarf es in Absprache mit dem Wirte-Duo. Very instagrammable!

Die Mutter hilft in der Küche aus. Ändern soll sich jetzt nach den Auszeichnungen wenig in der «Bourg». Die Anzahl Plätze bleiben, die Preise ebenso, auch die erstklassige Käseauswahl. Aeby kocht weiter allein mit der Küchenhilfe Michael und seiner Mutter. Das Restaurant bleibt abends von Dienstag bis Samstag geöffnet. Nur Fiona Liengme soll im Service Hilfe bekommen, um den Gästen alle Fragen zu den Kreationen beantworten zu können. Und Auskunft über die Weinkarte zu geben, die viele regionale Weine umfasst und alkoholfreie Alternativen mit Kombucha. Für den kommenden Sommer haben Aeby und Liengme grosse Pläne, verraten aber noch keine Details. Vorerst wollen sie ihren Auszeichnungen gerecht werden, weiter lernen und ihren Gästen ein Lächeln ins Gesicht zaubern, mit jedem Gang von neuem.  

Elite

Schönste Terrasse in Biel: Rooftop-Restaurant «Repas» im Hotel Elite.

Unterwegs mit Journalistin Sabrina Glanzmann. Zu Besuch bei der Land Beiz "Aux Trois Amis" in Schernelz am Bielersee. Inhaber Duo Cynthia Lauper und Marc Joshua Engel servieren das Rezpt "Coq aux Chasselas"

Powerduo: Marc Joshua Engel und seine Parnerin Cynthia Lauper.

Eine Terrasse ist nicht genug. Die zweite frohe Botschaft aus Biel kommt aus dem Hotel Elite. Im Rooftop-Restaurant (früher «Entrecôte», neu «Repas») des prächtigen Art-Deco-Baus an zentraler Lage starten im Januar das Duo Marc Joshua Engel und Cynthia Lauper. Die «Jeunes Restaurateurs» führen seit 2016 das «Aux Trois Amis» in Schernelz (15 Punkte), berühmt für seine kreative, lustvolle Küche und die vielleicht schönste Terrasse der Gegend inmitten von Rebbergen hoch über dem See. Über ein paar Ecken wurde ihnen die Führung des «Entrecôte» angeboten, vom Luzerner Immobilien-Tycoon Franz Glanzmann. Der war von der Küche des «Aux Trois Amis» so begeistert, dass er den beiden «jungen und sehr talentierten Menschen einen Platz bieten will, grossartiges zu leisten. Biel hat Potenzial!». Dazu Engel: «Uns war schnell klar, dass wir zusagen. Bald haben wir nicht nur die schönste Terrasse am See, sondern auch in der Stadt.» Dank der jungen Talente, die sich hier angesiedelt haben in den letzten Jahren, fühlt sich das Duo Engel/Lauper in guter Gesellschaft. «Biel erwacht aus dem Dornröschenschlaf», ist Engel überzeugt.

Bistronomie. Mit einem jungen Team. Die beiden Jung-Gastronomen haben viel vor, das neue Restaurant mit Namen «Repas» soll nicht eine Kopie des «Aux Trois Amis» werden. Ihre Idee: Bistronomie. Ein französischer Begriff, der die Worte Bistro und Gastronomie verbindet. Konkret: Sie wollen gehobenes Essen mit der legeren Atmosphäre eines Bistros verbinden, die Klassiker der Bistro-Küche mit einem Twist versehen. Engel denkt beispielsweise an Seezunge mit Yuzu-Hollandaise und Kalbskopf. Mittags soll ein wöchentlich wechselnder drei- bis fünfgängiger Business-Lunch angeboten werden, am Abend ist à-la-Carte-Service vorgesehen und samstags ein Brunch. Sie haben sich für ihr Konzept von den besten Betrieben in Paris inspirieren lassen. Der Macher im «Repas»: Corentin Rérat, der langjährige Sous-Chef im «Aux Trois Amis». Der 29-jährige Jurassier sei «ein exzellenter Fachmann, der meine Küche und meine Qualitätsansprüche genau kennt», erklärt Engel. Mit Sabine Nussbaumer übernimmt die ehemalige Stellvertreterin des «Entrecôte»-Wirtepaares den Posten der Chef de Service. 

Die «Bisherigen» sind in Form. Mit dem «Maruzzella», dem «Palace» (beide 14 Punkte) und dem «Café Perroquet Vert» (13 Punkte) hatte die Stadt Biel schon bisher drei Adressen im GaultMillau. Brasserie-Stil ist angesagt. Im «Maruzzella» sind Isabel Johner und Chef Wilfried Köster die Gastgeber. Im «Palace» hat Daniel Lauper zusammen mit Chef Daniel Odermatt die Erfolgsformel gefunden. Das «Perroquet Vert» bringt ein Stück Paris nach Biel: Schwarz gekleidete Garçons, Tagesangebot auf der Schiefertafel. Die Bieler haben eine intakte Beizenlandschaft zu haben. Das ist Lebensqualität!

 

>> Fotos: HO, Claudia Link, Karl-Heinz Hug, Marcus Gyger