Text: Max Fischer | Fotos: Kurt Reichenbach, Tina Sturzenegger

Mit Richie Stöckli auf den See. Als «Lauberlihänsel» ihm von seiner Terrasse aus zurief, er könnte doch in seiner Fischerei helfen, war es um Beat Abegglen geschehen. Heute ist er 57 und der letzte Berufsfischer auf dem Brienzersee – als ihn damals sein Nachbar in Iseltwald BE für die Ferien anheuerte, war er ein 11-jähriger Knirps. «Bald war ich, wann immer möglich, mit einer Angelrute am Wasser.» Heute Morgen begleitet ihn Spitzenkoch Richard Stöckli vom «Alpenblick» aus dem benachbarten Wilderswil BE beim Einholen der Netze. Auch er ein Fischliebhaber. Mit seinen letzten 100 Franken in der Tasche würde Richard Stöckli «einen guten Fisch essen, da ich auch im Sternzeichen Fische geboren bin». Mit Fantasie für Geschmackskombinationen bereitet er die Fische zu, auf dem Teller präsentiert er filigrane Meisterwerke. Kunsthandwerk eben. Etwa bei der Kartoffelbrandade mit (von Beat Abegglen) geräuchertem Saibling. Dazu eine Limonenmarinade mit geröstetem Sesamöl, Tupfen von Sauerrahm, Stücke von fermentierten Gurken und Würfeln von geräuchertem Saibling. Das Werk dekoriert Stöckli mit Thymianblüten, Schnittlauch, Löwenzahn, violetten Blüten der Gundelrebe und einem Dillsträusschen. Grosses Bild oben: Fischer Beat Abegglen (l.) und Richard Stöckli mit ihrem Fang: 30 Kilo Felchen.

Ad Brienzer-/Thunersee, Richard Stöckli, Alpenblick

Kunsthandwerk auf dem Teller: Die Kartoffelbrandade mit (von Beat Abegglen) geräuchertem Saibling.

Ad Brienzer-/Thunersee, Richard Stöckli, Alpenblick

Seit über 40 Jahren ein Team: 16-Punktechef Richard Stöckli mit Ehefrau Yvonne. Sie wählt die passenden Weine aus.

Yvonnes Weinbibel wiegt 5,555 Kilo. Seit mehr als 40 Jahren empfangen Yvonne und Richard Stöckli ihre Gäste im über 400 Jahre alten Chalet, in der Dorfstube mit ihrer Bistroküche und im Gourmetstübli mit Fine Dining. Beide Wirtsleute sind hochdekoriert: er mit 16-GaultMillau-Punkten, drei Hauben und einem Michelin-Stern, sie mit der GaultMillau-Auszeichnung «Sommelière des Jahres 2016». Ihre Weinbibel wiegt 5,555 Kilo, zählt in der Schweiz zum allerbesten. Trotz Tradition mit eigenen Kühen auf der eigenen Alp Nessleren und eigenem Käse wagt sich der Altmeister in neue Gefilde vor. Gekonnt setzt er biochemische und physikalische Erkenntnisse aus der Molekularküche ein. Stöckli kocht zuerst Haut und Gräten von Saiblingen aus, vermischt sie mit geräuchertem Saibling und formt aus der Masse kleine Kügelchen. Kurz vor dem Servieren gibt er sie in gekühltes Öl. Und wie von Zauberhand entstehen winzige Perlen mit einem intensiv frischen Fischaroma. 

Restaurant La Terrasse, Victoria Jungfrau Grand Hotel und Spa, Menu vo hie, Interlaken

Heimisch: Chef Stefan Beer kocht im «Victoria-Jungfrau» mit allem, was im 40-Kilometer-Umfeld wächst und gedeiht.

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Ein Bild von einem Gericht: Im «Victoria-Jungfrau» gibts Vitello tonnato hundertprozentig regional – mit Sigriswiler Forelle.

Güggeli, Säuli & Yacon Wurzeln. Die Formel im «Victoria-Jungfrau Grand Hotel & Spa»: Blick auf die Jungfrau, Luxus pur, Genuss «vo hie». Stefan Beer (16 Punkte), Küchenchef in diesem berühmten Swiss Deluxe Hotel bringt nur auf den Tisch, was im Umkreis von 40 Kilometern wächst und gedeiht, von Güggeli bis Säuli, von Sesam, Quinoa, Amaranth und Yacon-Wurzeln bis zu allerlei Gemüse und Kräutern. Angeräucherte Agnolotti von Marco’s Brienzersee-Hecht im Sud, Kirchdorfer Fenchel, Dill sowie orientalisch abgeschmeckte Kiesener Rhabarber und Meiringer Alpenmilch.

Eine verschworene Truppe. «Best of» auf der aktuellen Karte: Eine sanfte Escabeche von der Sigriswiler Forelle mit hausgemachtem (!) Essig. Ein verblüffend eleganter Gnagi-Salat in Aspik. «Nose to tail» vom Berner Oberländer Kalb. Im eleganten «La Terrasse» ist Teamwork Trumpf: Stefan Beer und sein erstklassiger Vize Michael Althaus leiten die verschworene Truppe in der Küche. Torsten Noah wacht über die unglaubliche Weinkarte. Und Pâtissier Pierre Cardona sorgt für spektakuläre Desserts und Friandises; er hat vorher beim Pariser Superstar Guy Savoy gearbeitet.

AD Thunersee/Brinzersee, Salzano

Naturnahe Erlebnisküche: Sonja, Patrizio und Fabian Salzano in ihrem gleichnamigen Haus in Interlaken.

Best of Interlaken: Stöckli, Beer & Salzano August 2021 AD Thunersee/Brinzersee, Salzano

Auf Holz angerichtet: Sorbet aus Wildkräutern vom eigenen Garten, eingelegte Birne, kurz abgeflämmte, hausgebeizte Lachsforelle.

Spareribs & Ravioli bei den Salzanos. Ganz in der Nähe bieten Sonja und Patrizio Salzano im gleichnamigen Haus in Interlaken eine naturnahe Erlebnisküche (15 GaultMillau-Punkte). Die Idee dazu hatte Sonja Salzano bereits vor 20 Jahren. Bei der Realisierung des Spa wurde die Idee dann konkret. «Viel Holz, auch Altholz, natürliche Materialien, Steine, Heu, Arve, Getreide, Kräuter und warme, ruhige Farben prägen ihn», sagt Sonja Salzano. Da sei es auf der Hand gelegen, mit der Küche in die gleiche Richtung zu gehen. Zum Beispiel so: Die Salzanos stellen dem Gast ein Mini-Holzöfelchen auf den Tisch. Öffnet er das Türchen, strömen ihm Rauch und ein verführerisches Aroma entgegen. Im Innern warten im Green Egg geräucherte Spareribs, gepickelter Kohl mit Sprossen und Pancetta. Die Küchenbrigade verführt weiter: Randencake mit rekonstruierter Rande obendrauf, in der Mitte ein Randengelee, in der zweiten Schicht eine Creme vom «Geiss-Chäs» mit Randen. Bärlauch-Cannelloni mit Spargel-Pickel-Gelee und Löwenzahn sind in ihrer Textur einzigartig. Doch es geht auch klassisch: Von weit her reisen Liebhaber für die Ravioli des Patrons an. Patrizio, aus der Nähe von Napoli kommend, weiss, was er seinen Gästen schuldig ist: «Seit Jahrzehnten bereite nur ich die Ravioli zu – ich kenne jeden Griff.»