Text: Daniel Böniger I Fotos: Dave Biedert
Der volle Gefrierschrank. Da ist Markus Stöckle ausnahmsweise mal überfragt. Es geht um die Herkunft des Wortes «Fleischpflanzerl», wie das schweizerische Hacktätschli in seiner bayerischen Herkunftsregion genannt wird. Von seiner Mutter hat er nämlich ein Rezept vorliegen, wie sie diese gebräunte und saftige Spezialität herzustellen pflegt. Wohlgemerkt: Mit einem Kalbfleischanteil von gut 25 Prozent. «Wir hatten damals eigene Tiere zur Milchproduktion auf unserem Hof - und darum war auch unser grosses Gefrierschrank immer wieder ordentlich mit Fleisch gefüllt», sagt der Starchef vom Restaurant Rosi in Zürich, wo zeitgmässe, bayrisch inspirierte Fleischgerichte auf der Karte stehen.
Mutter freut sich über den Anruf. Noch etwas fällt bei der Zubereitung auf: Dass da ein ordentlicher Teil Kalbsbrät für die besonders geschmeidige Konsistenz drin ist. «In Bayern gibt es das Brät als Basis für den Leberkäs in jeder Metzgerei.» Stimmt das Rezept so? Zur Sicherheit telefoniert Stöckle seiner Mutter, um das Rezept Zutat für Zutat nochmals zu checken. Auch wenn die gute Frau nicht zu hören ist - man merkt, wie sehr sie sich freut, dass der Sohn anruft. «Ich ruf dann mal wieder an, wenn ich mehr Zeit habe. Pfiat Di!»
Das süsse Geheimnis: Pfanne zudecken! Doch der Kalbfleischanteil sei tatsächlich so hoch, bestätigt der Koch. Wobei der Schuhbeck in München ja Fleischpflanzerl ausschliesslich mit Kalb angeboten habe. Markus Stöckle betont nochmals, wie wichtig es sei, dass man die Pfanne «ganz nach Hausfrauenart» zudecke, damit sich der typische Saft darin bildet und karamellisiert. Und: «Wir verwenden Löwensenf, den scharfen, das gibt diesen ätherischen Extrakick.» Als Beilage gab es oft, so erinnert er sich, Kartoffelsalat und Meerrettich aus dem Glas.
Auch kalt ein Genuss. Das Rezept ergibt fast zwei Kilogramm Masse, was fünfzehn «Pflanzerl» entspricht. Warum diese beachtliche Menge? Sie seien daheim vier Brüder und zwei Tanten und die Oma gewesen, und die Arbeiter am Hof seien auch dazugesessen: «Schnell waren da mal mehr als ein Dutzend Leute am Tisch, etwa wenn das Heu eingebracht wurde», so der Koch. Und wenn doch etwas übrigblieb - auch nicht schlimm, dann gab es die Fleischklopse halt kalt und aufgeschnitten nochmals zur Brotzeit.
Wikipedia weiss warum. Warum es Fleischpflanzerl heisst? Das googelt Markus Stöckle schliesslich. Das Wort «Pflanzerl» meint die Form, es gebe auch Fischpflanzerl. Der Ausdruck kommt vom altertümlichen «Pfannzelte», womit flache, in der Pfanne zubereitete Kuchen bezeichnet werden. Mit Grünzeug hat die bayerische Spezialität also doch ziemlich wenig am Hut.