Text: Urs Heller & David Schnapp I Fotos: Valeriano Di Domenico, Digitale Massarbeit
Abschied von der Sterneküche. «Er kam als Freund und geht als Freund.» Rudi Bindella legt Wert darauf, dass sich die Wege Ende April ohne Stress und Streit trennen. Antonio Colaianni zieht im «Ornellaia» an der Zürcher Bahnhofstrasse aus. Was zu einem Konzeptwechsel führt: Antonio Bordone, erfolgreicher Gastgeber in der «Cantinetta Antinori» und im «Bianchi» übernimmt. Sein Auftrag: «Italianità auf höchster Oktave», sagt Rudi Bindella. Heisst: Gut essen wird man im von Tilla Theus elegant gestylten Restaurant weiterhin. Aber: Sterneküche muss nicht sein. Ein Abschied in Raten. Bereits Colaiannis Vorgänger Giuseppe d’Errico (jetzt im Piemont) kochte hervorragend, aber die Rechnung ging an dieser Lage nicht auf.
Mission Impossible. Antonio Colaianni kommentiert den abrupten Wechsel ernüchtert. «Ich bin seit 1995 Küchenchef und immer mit dem Willen, das Beste für den Gast zu wollen, voran gegangen. Diese Mentalität geht verloren: Es ist fast unmöglich geworden, Mitarbeiter zu finden, die fünf Tage in der Woche mittags und abends vollmotiviert alles geben.» Rudi Bindella hat ebenfalls beobachtet, dass viele hochdotierte Chefs ihr Restaurant nur noch am Abend öffnen: «Den Jungen gefällt das natürlich. Doch mit einem Lokal an der hochfrequentierten Bahnhofstrasse sind solche Öffnungszeiten schlicht nicht umsetzbar.»
Grazie, Antonio! Colaianni hat in Zürich einen riesigen Fanklub. Seine engagierte Küche und seine moderne Umsetzung mediterraner Klassiker waren etwas vom Besten, was die Stadt kulinarisch zu bieten hatte. Ein paar Signature Dishes, die Antonio immer begleitet haben, werden die Foodies ganz besonders vermissen: Die wunderbaren Orecchiette, die Mamma Maria für ihn liebevoll geformt hat (mit Polpette und Tomatensugo), seine schlicht grandiose Bouillabaisse mit Loup de mer, Jakobsmuscheln, Wildfang-Crevetten, Pulpo, Rouget, frittierten Aquadelle und Gamberi di Fassa. Der freundliche Chef mit italienischem Herzen und Berner Dialekt, kocht noch bis Ende April. «Was nachher kommt, weiss ich wirklich noch nicht. Fine Dining geht nur noch, wenn alles stimmt.» Der GaultMillau sagt Grazie und hofft auf eine gute Lösung.