Text: David Schnapp Fotos: Fabian Häfeli
Styropor-Boxen im Reisecar. Für Heiko Nieder und seine drei Köche beginnt der Abend auf der Excellence Countess an diesem Sonntag schon ziemlich zeitig. Tags davor noch im Abendservice bis um Mitternacht, geht es um 8 Uhr morgens schon weiter: Über ein Dutzend gut isolierte Styropor-Boxen, dazu Kisten mit Küchen-Tools und einige schwarze, ausserordentlich schwere Kartonkisten, von denen noch die Rede sein wird. Das Material wird in den Bauch eines Reisecars geladen, Reiseziel: der Rheinhafen in Basel, wo um 14.30 Uhr ein weiterer, aussergewöhnlicher Event des Excellence Gourmetfestivals stattfindet, die das Reisebüro Mittelthurgau veranstaltet.
«Team Heiko» rollt. Um 9.05 ist alles Material aus der «The Restaurant»-Küche und den Kühlräumen verladen, «Team Heiko» rollt los. «Im Moment ist es alles andere als langweilig», sagt Nieder, der sich als neuer Culinary Director im Swiss Deluxe Hotel The Dolder Grand die letzten Monate auch ums Frühstück, den Biergarten in der «Sonne», Küsnacht und andere Aufgaben kümmern musste. «Ich arbeite 200 Prozent für ‹The Restaurant›, den Rest mache ich nebenbei», sagt Heiko Nieder mit seinem trockenen Hamburger Humor. Sein neuestes Projekt ist die «Lodge», in der Bar wird es über den Winter Gerichte geben, «die ich gerne auf einer Berghütte essen würde».
Neues Projekt. Während der 19-Punkte-Koch von für ihn bisher ungewohnten Gerichten wie Rösti, Rolf Beelers Käsefondue oder Kalbskopfsalat erzählt, ist der Car im Basler Hafen angekommen. Es ist jetzt 10.15 Uhr, die Küchencrew der Excellence Countess steht schon bereit, in wenigen Minuten sind die Kisten verladen und das Dolder-Team eingeschifft, wie das in korrektem Matrosenlatein heisst.
13 Uhr: Briefing. Ein Gourmetabend auf dem schwimmenden Flusshotel ist für alle Beteiligten – abgesehen von den Gästen natürlich – eine mit akribischem Organisationsaufwand bis ins Detail geplante Veranstaltung. Um 13 Uhr treffen sich deshalb die Verantwortlichen zum Briefing, Heiko Nieder, Mittelthurgau-Chef Stephan Frei, seine rechte Hand Gabi Herzig, der Reiseleiter, der Maître und einige mehr. Ein Dutzend Leute sitzen am Tisch und gehen das zwölfseitige Regiebuch durch. 132 Gäste werden erwartet, der Abend ist restlos ausgebucht, 50 weitere Personen stehen auf der Warteliste.
«Wir kriegen das hin.» Moderator Sven Epiney geht mit Heiko Nieder den Ablauf durch, eine Frage ist, wo die beiden Amuse bouches serviert werden und weitere Feinheiten wollen geklärt werden. Lange dauert das nicht, in der Küche wird bereits produziert, Dutzende Komponenten wollen vorbereitet sein, immerhin acht Gerichte werden abends serviert. Jeder Auftritt ausserhalb des eigenen Restaurants sei ein kleines Abenteuer, «aber wir kriegen das schon hin», sagt Nieder.
Vier Kilogramm Buch. Um 18.15 Uhr versammeln sich die Gäste zum Apero, um 18.45 Uhr sitzen sie, wie im Regiebuch vorgesehen, zu Tisch und bekommen ein Baiser mit Sardelle, Piment d’Espelette und Olivenöl sowie Balfego-Thunfischtatar mit Senfgurken-Granité und Eigelbsauce. Später, zwischen «Krustentieressenz sauer-scharf» und doppelt frittiertem Blumenkohl mit Fenchel und Sauce Maltaise geht es dann um die schweren, schwarzen Kartonkisten, die zehn Stunden zuvor in den Bus geladen wurden. 80 Exemplare von Heiko Nieders eben erschienenen Kochbuch «The Restaurant» lagen darin, es ist jetzt Thema in einer kurzen Präsentation von Moderator Sven Epiney mit den drei beteiligten Urhebern des rund vier Kilogramm schweren Bandes: Heiko Nieder selbst natürlich, Fotograf Fabian Häfeli sowie der Autor dieser Geschichte, der auch die Texte für das Buch verfasst hat.
Ein Buch für jeden. Manche Gerichte, die während dem Abend auf dem Schiff serviert werden, finden die Gäste später wieder auf ihren Kabinen sozusagen. Auf jedem Bett liegt eines der Bücher mit schwarzem Leineneinband und Silberprägung – ein Geschenk für Reisebüro-Geschäftsleiter Stephan Frei, der Schiffs-Events wie diesen Abend mit Leidenschaft, Umsicht und Engagement auf die Reise bringt.
03.00 Uhr: Ankunft in Zürich. Während die Excellence Countess lautlos über den Rhein Richtung Strassburg gleitet, neun Schleusen in aller Ruhe passiert, werden über zwei Wochen marinierte und geschmorte Wagyu-Böckchen mit Kräutern und Barbecue-Sauce sowie eine Creme aus weisser Schokolade mit Kirschsorbet, grünen Oliven und Kräuter der Provence serviert. Dann müssen Heiko Nieder und sein Team bevor Heikos Team seine Sachen wieder packen muss. Kurz nach Mitternacht verlassen sie das Schiff, zuvor gibt es noch etwas Fleisch, Käse, Brot und ein Glas Champagner, dann fährt der Reisecar wieder zurück nach Zürich. Um 03.00 Uhr ist Ankunft vor dem The Dolder Grand, das Ende eines langen, ziemlich unterhaltsamen Tages zu Lande und zu Wasser.