Fotos: HO
Arve, Eierschwämmli, Algen. Welch enormen Aufwand das Team des «Atelier Vert» betreibt, merkt man schon den ersten Häppchen an, die bezüglich Geschmack und Textur gleichermassen spannend sind. Bestes Beispiel: das Tartelette mit einer Sphäre aus Arvennadeln, Eierschwämmli und eingelegten Tannenschösslingen. Auf die Snacks folgt ein erfrischender Kombucha. Dessen Aromageber: Holunderblüten und Spirulina-Algen. Algen in den Bündner Bergen? Ja, und sogar aus eigener Zucht! Die Gläser, in denen sie wachsen, befinden sich auf einem Regal in der offenen Küche. «Der Kombucha – wir nennen ihn Neutralizer – ist dafür da, die Geschmacksknospen auf die folgenden sieben Gänge vorzubereiten», erklärt Manuel Zünd, der als Executive Chef des Hotels Alpengold auch die Küche des «Atelier Vert» leitet. Zum Einsatz kommen fast ausschliesslich Produkte, die in Graubünden wachsen. «Es sind nicht ganz 100, aber wohl 98 Prozent», so Zünd. Bild oben: Manuel Zünd und seine Lauchessenz mit Bündner Arve und Gersten-Tempeh.
Zylinder aus Bergackerbohnen-Mehl mit Bergackerbohnen-Hummus und Maggikraut.
Holz, Grün und Gläser mit Eingemachtem prägen das Interieur des «Atelier Vert».
Für Zünds Maluns-Adaption wird eine Kartoffel zwei Stunden in Erde gegart.
Ein Brotgang? Nein, zwei! So beschwingt wie das Menü startet, geht es weiter. Mit Kohlrabi aus dem eigenen Garten (ein Jahr zuvor eingelegt!), hausgemachtem Quark und Sauerrahm, gerösteter Kapuzinerkresse-Kohlrabi-Sauce sowie zweierlei Kapuzinerkresse-Öl (Blätter und Blüten). Jetzt haben wir Lust auf Brot – und grosse Freude am (selbstverständlich) selbst gebackenen Puschlaver Ringbrot (100 Prozent Roggenmehl, keine Hefe) mit Brennnesselbutter und fermentiertem Honig. Auch der folgende Gang dreht sich ums Brot. Genauer: um ein fluffiges Mais-Safran-Brötchen mit Sauerrahm-Trüffel-Creme und zahlreichen Trüffelscheiben. «Beim Trüffel handelt es sich um Burgundertrüffel aus Bad Ragaz. Er ist bedeutend aromatischer, als es diese Sorte gewöhnlich ist und stammt aus der Zucht von Adrina Biasz und Urs Horni», erläutert Manuel Zünd. Der Chef ist nicht nur ein ausgezeichneter Koch, sondern auch ein überaus aufmerksamer Food Scout.
Alles aus dem eigenen Garten oder hausgemacht: Kohlrabi mit Quark, Sauerrahm, gerösteter Kapuzinerkresse-Kohlrabi-Sauce und zweierlei Kapuzinerkresse-Öl.
Walderdbeere trifft Rüebli. Bisweilen klingen die Gerichte, die auf dem Menü stehen, ziemlich abenteuerlich. Doch Manuel Zünd, weiss genau, was er macht. Und so ist auch seine Kreation «Alpenverein» ein Volltreffer. Sie besteht aus einer erfrischenden Walderdbeer-Rüebli-Essenz (beide Hauptprodukte aus dem eigenen Garten), hausgemachtem Gersten-Tempeh, Rüebli-Kimchi, gepoppter Rollgerste und Schnittlauchöl. Der Star von Zünds Version des Bündner Klassikers Maluns ist eine zwei Stunden bei 85 Grad in Erde gegarte Kartoffel. Als Begleitung gibt es Alpkäseschaum, Bärlauch und ein Golden-Delicious-Kompott. Wow!
Rötheli fürs Pre-Dessert. Das Pre-Dessert trägt den Namen «Cavi-Art». Die Komponenten: thermophil fermentierter und deshalb schwarzer Sellerie, Hafer-Crumble, Sellerie-Creme, gefriergetrocknete Kirschen und Balsamessig. Serviert wird das kleine Meisterwerk in einem Kaviardöschen. Daneben steht ein Glas Rötheli zum Abschmecken.
«Cavi-Art» heisst das Pre-Dessert mit Sellerie, Hafer und Rötheli.
Bao-Bun mit Safran-Senf, Polenta und Popcorn-Crumble.
The Place to b. Das «Atelier Vert» ist ein Gesamtkunstwerk. Nicht nur die im Menü verarbeiteten Produkte sind bündnerisch, sondern auch Weine, Möbel, Geschirr und Besteck. Zu den einzelnen Gerichten gibt es Täfelchen mit liebevoll zusammengestellten Informationen. Die Chefs schauen immer wieder an den Tischen vorbei und erklären die komplexen, aber stets eingängigen Kreationen. Überaus fair sind die Preise: Der Siebengänger kostet 95 Franken. Das Mais-Safran-Brötli mit Trüffel schlägt mit 18 Franken extra zu Buche, für den Käsegang ist ein Aufpreis von 14 Franken veranschlagt. GaultMillau-Rating: 15 Punkte.
Die GaultMillau-Tester stellen im Auftrag der UBS jede Woche einen «Place to b.» vor: Adressen für den gepflegten Businesslunch, für den Brunch am Wochenende, für ein Essen mit Freunden, für Trendsetter & Entdecker, für Verliebte. Bereits erschienene «Tipps der Woche» finden Sie hier.