Restaurant Lucide

Lehrmeister? Nik Gygax! Wer beim leider verstorbenen 18-Punkte-Chef in Thörigen BE ausgebildet wurde, kocht nicht zwingend nach Rezept, dafür mit viel Gefühl und einer gewissen Besessenheit, das Beste aus einem Produkt herauszuholen. Michèle Meier, Boss im KKL-Restaurant Lucide (früher: «Red») ist so eine Frau. Sie hat Talent, arbeitet hart und ist drauf und dran, die Hierarchie in der Stadt auf den Kopf zu stellen. Michèle Meier ist GaultMillaus «Köchin des Jahres», Christian Gujan ihr Partner an der Front; auch er ein Gewinn für Luzern.
Michèle Meier hat bereits ihr erstes Signature Dish: Tortellini in immer neuen Varianten. Diesmal mit Kräutern und Ricotta, Rande und Apfel, Beurre blanc und Macadamianuss. Natürlich sind die Dinger prima und erst noch perfekt geformt; Tortellini nur mit Nussbutter und ohne Drum und Dran könnten wir uns eigentlich auch vorstellen. Der Starter «Kalb & Thunfisch» baut auf dem klassischen Vitello tonnato auf. Michèle setzt aber noch einen teuflisch starken Akzent: rosa, weisser und schwarzer Pfeffer umhüllen die marinierten Thunfischwürfel. Power pur!
Gang des Abends? Vielleicht die Kombination Saint-Pierre/Pulpo. Der Petersfisch war so gut wie in vielen Spitzenrestaurants, der Pulpo verblüffend zart. Die Chefin verrät: «Bei 89 Grad im Steamer, vakuumiert, mit Rotwein, Gemüse und Geflügelfond!» Grossartig, und das gilt auch für die Safran-Fisch-Nage, die zu Meergetier, Fenchel, Karotte und Artischocke gegossen wird. Bei der Ente aus Mörschwil war die Brust butterzart, aber das Beste lag darunter: geschmortes und gezupftes Schenkelfleisch. Den Geissfrischkäse kauft die Chefin bei Toni Odermatt in Stans, und auch dafür hat sie einen Trick: Der Käse wandert für eine Minute bei 200 Grad in den Ofen – und entfaltet dann seinen wunderbaren Geschmack noch besser; Pinienkerne, Feige und Honig begleiten ihn.
Fürs Dessert wird pochiert: Pfirsich. Mit Schafmilchglace, Pistazie und Thymian-Zitronen-Crumble. Für Vegetarier liegt ein gleichwertiges Menü auf: Burrata mit Tomate und Haselnuss. «Mais & Mais» mit Eierschwämmli. Drei Blumenkohl-Varianten mit Meaux-Senf-Vinaigrette.
Das KKL hat sein Vorzeigerestaurant nicht nur umgetauft, sondern auch umgebaut. Michèle Meier kocht mit ihrer stattlichen Brigade in einer grell erleuchteten, offenen Küche, gewissermassen auf einer Bühne. Am Tisch fühlt man sich ausgesprochen wohl. Nur die seltsamen Stahlvorhänge, die den fantastischen Blick auf See und Stadt einschränken, irritieren. Kluge Weinkarte. Freundliches Pricing.