Alla Stazione

Die Dame am Nebentisch kommentierte es so: «Assolutamente meraviglioso!» Kein Einspruch: Ermanno Crosetti kocht im «Stazione» tatsächlich wunderbar, gradlinig, schnell und zum Schnäppchenpreis. Wir halten immer wieder vor diesem unscheinbaren rosaroten Haus, und der Chef hat uns noch nie enttäuscht. Für ältere Gäste ist es eine kleine Reise in die Vergangenheit: So war sie mal, die Bella Cucina italiana. Unkompliziert, aber voller Geschmack. Tipp für Erstbesucher: Bestellen Sie, was Signor Ermanno gerade aktuell auf dem Notizblöckli aufgeschrieben hat. Oder überlassen Sie ihm gleich die ganze Menüzusammenstellung: «A discrezione dello chef» heisst so ein «Menu surprise» auf dem Land (82 Franken).
Ganz oben auf dem Notizblöckli: Tonno! Als Tatar oder als Carpaccio. Wir wählten Carpaccio, freuten uns über die dicken Tranchen; dünne «Teller-Kleber» wie in vielen Restaurants sind nicht Ermannos Ding. Dann die Pasta: Raviolini mit Füllungen aller Art und Cortecce mit Fagiolini (grüne Bohnen) stehen auf der Karte; aber da waren noch diese Tagliolini «al ragù di luganighetta». Perfekte Teigwaren, etwas glitschig und dennoch al dente, mit Abschnitten von der wunderbaren, eher fettigen Tessiner Schweinswurst. Das «Stazione» ist bekannt für unkonventionelle Zubereitungsarten: mal mit Taubenfleisch (!), mal mit Luganighetta. Beides schmeckt herzhaft und gut.
Eine «Milanese» (mit Rucola und Tomätli) und eine Tagliata (mit Senfkörnern in der Sauce) gibt es auch. Aber wir wissen, dass die Crosettis mit dem sehr engagierten Dorfmetzger eng zusammenarbeiten. Der hatte Kaninchen im Angebot und Chüngel sind bei einem klassisch ausgebildeten Koch immer in guten Händen: Coscia di coniglio, stufata al vino rosso! Wir griffen zum himmelblauen Laguiole-Messer (!) und kratzten das zarte Fleisch vom Knochen. Das Dessert war erneut Nostalgie pur: saftige Pfirsiche in einem grossen Glas, unkompliziert aufgeschnitten, mit prickelndem Moscato d’Asti aus einer frisch geöffneten Flasche.