Text: David Schnapp Fotos: Thomas Buchwalder

Kompromisslos. Seit 25 Jahren. «Wir beginnen am Montag um 6 Uhr», sagt mir Daniel Amrein am Telefon. Eben haben wir vereinbart, dass ich bei ihm zwei Tage in die Lehre gehen darf, um etwas mehr über das Handwerk des Brotmachens zu erfahren. Amrein, der sich selbst Eigenbrötler nennt, gilt als einer der besten Bäcker der Schweiz. Seit 25 Jahren folgt er kompromisslos seinen Überzeugungen, was gutes Brot ausmacht: Er bäckt nur mit Bio- oder Demetermehlen, manche Getreidesorten werden eigens für ihn angebaut, den Roggen- und Weizensauerteig namens Josef und Maria für viele seiner Brote hat schon Amreins Vater angesetzt – vermutlich in den sechziger Jahren, aber so genau weiss das niemand mehr.

Eigenbrötler mit David Schnapp 2020 Eigenbrötler, Daniel Amrein, Wauwil © Thomas Buchwalder

Der: «Eigenbrötler» ist der Charakterdarsteller unter den Bäckern.

Eigenbrötler mit David Schnapp 2020 Eigenbrötler, Daniel Amrein, Wauwil © Thomas Buchwalder

Die beiden Leidenschaften des Bäckers: Holzofenbrot und alte Motorräder.

Weizen, Kamut, Emmer. Als ich um sechs Uhr in Wauwil LU eintreffe, ist Daniel Amrein in seiner zweigeschossigen Bäckerei offensichtlich schon einige Zeit aktiv. Er brauche nicht viel Schlaf, wird er später sagen, eine Stunde da, zwei Stunden hier seien ausreichend. Am ersten Tag werden Teige angesetzt, am zweiten Tag werden sie «aufgearbeitet», wie das im Bäckerjargon heisst, und gebacken. In drei Rührgeräten entstehen die Eigenbrötler-Backwerke aus alten Weizensorten, Kamut oder Emmer. Die Brote werden kunstvoll komponiert wie Gerichte. Zu den Grundzutaten wie Wasser, Mehl, Hefe und Sauerteig kommen oft so genannte Brühstücke – gekochtes, aufgequollenes Getreide wie geschroteter Roggen.

Eigenbrötler mit David Schnapp 2020 Eigenbrötler, Daniel Amrein, Wauwil © Thomas Buchwalder

In der Welt von Mehl, Teig und Hefe: Channel-Autor David Schnapp.

Eigenbrötler mit David Schnapp 2020 Eigenbrötler, Daniel Amrein, Wauwil © Thomas Buchwalder

Einmal pro Stunde werden die Teige gefaltet, um das Glutennetz zu entwickeln.

Schwere Teige. Während wir in den grossen Mischmaschinen Teige zusammenrühren, ahne ich schon, dass dies zwei intensive Tage werden könnten. 15 bis 20 Kilogramm wiegt einer der Teige, den ich nun nach und nach von Hand aus der Maschine hole und in grosse Kunststoffbecken lege. Es wird mit Olivenöl ausgepinselt, so dass sich der Teig nach der Gärphase leicht löst. «Sonst würden die Luftblasen aufreissen, das wäre schade», erklärt Daniel Amrein. In den Wannen geht der Teig bis um Mitternacht, dann werden Brote geformt und gebacken. Wir kommen im zweiten Teil dieses Tagebuchs darauf zurück.

Eigenbrötler mit David Schnapp 2020 Eigenbrötler, Daniel Amrein, Wauwil © Thomas Buchwalder

In den Knetmaschinen werden die Teige am ersten Tag angerührt.

Der sture Bäcker. Nachdem wir in rund drei Stunden etwa ein Dutzend Teige gemischt haben, und ich die grossen Wannen in die Rollregale gewuchtet habe, ist erstens das Workout erledigt, und zweitens ist es Zeit für eine Kaffeepause. «Ich wollte nie Bäcker werden», erzählt Daniel Amrein. Er habe deshalb eine Lehre als Konditor gemacht. Und um sich noch weiter von seinem Vater abzugrenzen, hat Amrein später, als er doch in den elterlichen Betrieb eingestiegen war, stur an seiner Idee vom Backhandwerk festgehalten. Es war die Zeit, als industrielle Hilfsmittel den Bäckern die Arbeit erleichtern und beschleunigen sollten, was für Amrein nie in Frage kam.

 

Amreins Vision. «Am Anfang lief es überhaupt nicht, und ich wusste oft nicht, ob ich die Rechnung für den nächsten Sack Mehl noch bezahlen konnte», erzählt Amrein. An seiner Vision hat er festgehalten, und auch Amreins Sohn Sven arbeitet mittlerweile bei ihm, die Geschichte geht weiter. Der freundliche Bäcker mit dem zum Zopf geflochtenen Bart sagt von sich, er sei «eigen und schwierig». Im kleinen Dorf im Luzerner Hinterland hatte er zu Beginn einen schweren Stand, man kaufte kein Brot bei Amrein, der sich weder für Lokalpolitik noch für das Vereinsleben interessierte.

Eigenbrötler mit David Schnapp 2020 Eigenbrötler, Daniel Amrein, Wauwil © Thomas Buchwalder

Lektion im Brotmachen: Daniel Amrein und Schnupperlehrling Schnapp.

Eigenbrötler mit David Schnapp 2020 Eigenbrötler, Daniel Amrein, Wauwil © Thomas Buchwalder

«Eigenbrötler»-Brot soll immer etwas wild und eigen daherkommen.

Mein Brot. Zurück an der Teigmaschine lässt Amrein mich jetzt ein eigenes Brot anrühren. Es ist eine ebenso schöne wie praktische Komposition – ein Teig für drei verschiedene Brotvarianten. Als erstes mache ich ein Poolish, einen Vorteig aus wenig Bio-Hefe, Wasser und Weizenmehl. Während die Mischung aktiv wird, rühre ich Hartweizengriess in kochendes Wasser. Dieses Brühstück wird das Brot am Ende durch die darin eingeschlossene Feuchtigkeit saftiger machen. Zum Teig schliesslich kommt neben dem Poolish und dem gekühlten Brühstück etwas Sauerteig «Maria», noch mehr Mehl und Wasser. Am Ende werden noch getrocknete Tomaten und Oliven eingearbeitet, der dritte Teig bleibt wie er ist.

 

Zeit, Ruhe und Schlaf. Um zwölf Uhr ist der erste Tag zu Ende, die Teige sind bereit und haben nun Zeit und Ruhe, um Geschmack und Volumen zu entwickeln. Zeit, Ruhe und etwas Schlaf brauche ich nun auch. Die Arbeitszeiten als Bäcker sind für meine Begriffe ziemlich gewöhnungsbedürftig. Um 23.30 Uhr geht es weiter, dann wird der grosse Holzofen im Obergeschoss eingefeuert.

 

>> Demnächst auf dem GaultMillau-Channel: Tag 2 - das grosse Backen