Interview: Max Fischer Fotos: Lucia Hunziker, Gabriel Ammon

Eine beeindruckende Familiengeschichte. Die Gebrüder Matthias (l.) und Raphael Bachmann führen die Firma in vierter Generation und mit stetig wachsendem Erfolg. Die beiden sind Chocolatiers und Bäcker aus Leidenschaft, mit unübersehbarem Markenzeichen: Pink ist die Hausfarbe! Die Confiserie Bachmann ist in Luzern ein Begriff, seit Weihnachten 2018 ist das Unternehmen auch in Zürich präsent. An bester Lage: Bahnhofstrasse! Das Interview. 

 

Wie viele Kilos bringt Ihr auf die Waage?

Raphael: So um die 80, ich bin zwei Kilos zu schwer.

Matthias: Mein Ziel ist 70 – jetzt bin ich 71

 

Ihr seid so schlank und rank – sind Eure Schokoladen und Torten doch nicht so gut?

Raphael: Ich geniesse sehr viel «Bachme-Schoggi», auch ich kann der Einzigartigkeit nicht widerstehen. Aber ich bin ein Genussesser. Und ich kompensiere meinen Schoggikonsum mit Sport. Zwar etwas weniger als Matthias…

Matthias: …ich habe vor 15 Jahren mit Marathon angefangen, jetzt mache ich Ultra-Trail-Running. Bei Langdistanzläufen über 24 oder 48 Stunden spielt die Ernährung neben dem Kopf eine grosse Rolle.

Raphael Bachmann, Leiter Produktion + Logistik; zu Gast bei Matthias Bachmann und Raphael Bachmann, Confiserie Bachmann in Luzern, 23.09.2020, Foto Lucia Hunziker

Raphael Bachmann: «Think pink - willkommen in unserer rosaroten Welt». 

Matthias Bachmann, leiter Administration und Verkauf; zu Gast bei Matthias Bachmann und Raphael Bachmann, Confiserie Bachmann in Luzern, 23.09.2020, Foto Lucia Hunziker

Matthias Bachmann: «Wir wollen den Kakao für unsere Schokolade direkt beim Bauern beziehen».

Vor dem Start ein typischer Bachmann-Zmorge mit einem feinen Buttergipfeli und einem Kakao als Erfolgsrezept?

Matthias: Obwohl ich dies oft auch sehr gerne geniesse, käme ich damit keinen Kilometer weit... Kohlehydrate haben bei Ausdauersportarten einen wichtigen Einfluss. Deshalb habe ich mich intensiv mit Brot, beziehungsweise dem Getreide auseinandergesetzt. Meine Erkenntnisse und Erfahrungen mit gesunder Ernährung fliessen in die Produktentwicklung ein – vor allem beim Brot und unserem breiten Snackangebot. Eine schnelle Verpflegung muss nicht immer ungesund sein.

 

Ihr seid zwei bunte Hunde.

Raphael: Wir beide sind Chocolatier und Bäcker aus Leidenschaft. Wir zeigen unsere Liebe zum Handwerk sehr gerne. Deshalb: Think Pink und willkommen in der rosaroten Welt!

Matthias: Seit fast 50 Jahren ist Rosa unser Markenzeichen. Unsere Mützen, Tüten und Lieferwagen sind alle rosa.

Raphael: Kürzlich erzählte mir die Mutter eines 5-Jährigen: Sie sei mit ihrem Sohnemann in der Stadt unterwegs gewesen und habe ihn auf zwei lustige Rosa-Lieferwagen aufmerksam gemacht. Da meinte der Kleine, der weder schreiben noch lesen kann: Meinst Du das Bachmann-Auto?

 

Rosa ist für den Kleinen nicht einfach rosa...

Raphael: …sondern rosa ist Bachmann. Das geht mittlerweile vielen so und wir werden oft darauf angesprochen.

 

Wer von Euch beiden hatte die goldene Idee?

Matthias: Unser Grossvater Hans zog in den 50er-Jahren von Sursee ins Wesemlin-Quartier nach Luzern. Da tauchte Rosa zum ersten Mal auf. Unser Vater Raymond erkannte die Kraft dieses Alleinstellungsmerkmals. Das war aber noch in einer Zeit, als man rosa nicht mit Süssem in Verbindung brachte. Damals beklagten sich oft Männer, dass sie sich nicht wohl fühlten, mit einer rosaroten Tragtasche durch die Stadt zu laufen. Unbeirrt zog unser Vater aber das Farbmarketing durch.

 

Aber nur weil Ihr in der Innerschweiz auffällt, heisst das noch lange nicht, dass die weltbekannte Zürcher Bahnhofstrasse auf Euch gewartet hat.

Raphael: In der Tat! Es gibt Chancen, die kommen nur einmal im Leben. Aber ohne unsere Bach-MANNSCHAFT hätten wir diesen Schritt auch nie gewagt. Unsere Mitarbeitenden machen den Unterschied.

Matthias: Die grosse Arbeit begann mit der Eröffnung vor zwei Jahren. Wir mussten uns in einem neuen Marktumfeld beweisen. Wir sind stolz, dass es uns in Kürze gelang, auch an der weltberühmten Zürcher Bahnhofstrasse eine Fan-Gemeinde aufzubauen. Viele sind der Meinung, dass Zürich ein bisschen rosarot gut tut. Das freut uns sehr.

 

Viele reissen sich um diesen Standort. Stimmt es, dass Ihr den Besitzern jeden Tag bis ans Lebensende Pralines, Macaron und Schutzengeli liefern müsst?

Raphael: (lacht) Wir rechneten uns in der Tat keine Chancen für einen Mietvertrag aus. Aber der Hauseigentümer bevorzugte einen Familienbetrieb. Es zeugt von weitsichtigem Denken, wenn man an einer solchen Prestigelage einem Schweizer Handwerksbetrieb gegenüber namhaften internationalen Labels und Ketten den Vorzug gibt. Vor fünf Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Dies zeigt auch, dass die Wertschätzung des Handwerks in der Schweiz steigt.

 

Viele Bäckereien landauf, landab gehen ein. Ihr seid mit 20 Filialen immer breiter aufgestellt. Wie ist das möglich?

Raphael: Mit unserem breiten Angebot und unserem Frischekonzept holen wir tagtäglich die Kunden in unsere Fachgeschäfte. Früher kam ein Kunde am Morgen wegen des einzigartigen Schoggibrötlis. Heute nimmt er zusätzlich einen Kaffee, kauft gleich einen gesunden Mittagssnack und am Valentinstag auch noch eine Schachtel Schutzengeli. Unsere Back-MANNSCHAFT zählt inzwischen 550 Mitarbeitende, wir sind aber noch ein einfach strukturierter Handwerksbetrieb. Nicht die Grösse des Betriebs ist massgebend für die Qualität der Produkte, sondern die Arbeitsweise.

Chatzestreckerli

«Chatzestreckerli»! Die Bachmanns sind Luzerner. 

Schoko

Alles frisch, alles hausgemacht. Der Bachmann-Produktionsbetrieb.

Macarons

Darauf sind die «Bachmänner» stolz: Die wunderbaren Macarons.

So könnt Ihr schneller als andere Trends aufnehmen.

Matthias: Einige Branchenkollegen beachten dies zu wenig. Und wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. So einfach ist das. Gesunde Bowles und zuckerarme, frischaufgebrühte Tees gehören heute einfach in ein Grundsortiment. Viele Bäcker kritisieren die Discounter und Grossverteiler. Wir stellen jedoch fest, dass in der Schweiz die Nachfrage nach hochstehenden und nachhaltig hergestellten Handwerks-Backwaren und -Spezialitäten noch nie so gross war.

 

Eure DNA ist aber ganz klar…

Raphael: …die Tatsache, dass wir als eine der wenigen in der Schweiz sowohl als Bäckerei wie als und Chocolaterie wahrgenommen werden – mit handwerklich hergestellten Top-Produkten aus hochwertigen Rohstoffen zu einem einzigartigen Preis-Leistungsverhältnis.  

 

Was heisst das konkret?

Raphael: Ein Demeter-Bauer in Sempach produziert ausschliesslich für uns auf seiner ganzen Fläche Dinkel und Roggen.

Matthias: Bei Kakao und Schokolade geht es uns nicht nur um hervorragende Qualität, hier setzen wir auch ein Zeichen gegen Kinderarbeit und Ausbeutung. Schon vor acht Jahren haben wir in Ghana eine Schule gebaut. Letztes Jahr haben wir in der Elfenbeinküste, dem weltweit grössten Kakaoanbaugebiet, das Konzept „Family Farm School“ lanciert. In drei Jahren lernen die Jugendlichen dort das Wichtigste über den Kakaoanbau und die Produktion. In Farmaufenthalten können sie in den Familienbetrieben 1 zu 1 umsetzen, was sie an Theorie gebüffelt haben. Damit erzielen sie bessere Ernten und höhere Erträge.

 

Jetzt setzt Ihr noch einen drauf.

Matthias: Wir arbeiten an einer Single-Bar-Schokolade. Das heisst: Wir wollen den Kakao direkt beziehen, beim Kakaobauer bezahlen und verarbeiten. Dann können wir sagen, diese Tafel kommt aus dieser Region, von diesem Bauer und von diesem Kakaobaum. Das ist ein absolutes Novum in der Schweiz. Kommt hinzu, dass alles ohne Lecithin und Vanillin hergestellt wird. Reine Natur. So können Liebhaber mit gutem Gewissen eine hochwertige Schokolade geniessen.  

 

Und auch Zopfliebhaber dürfen sich freuen.

Raphael: Schon bald stellen wir unsere Zöpfe nur noch mit Bergbutter von der Alp her. Der ist kräftiger im Geschmack. Bei uns muss jedes Produkt seinen eigenen Charakter haben. Jedes Jahr aufs Neue werden Rekordmengen an Backwaren in die Schweiz importiert. Es gibt an jeder Strassenecke Backwaren.

 

Für die Konsumenten ist das eine Überforderung…

Raphael: … und für uns Handwerksbetriebe eine Herausforderung. Doch je grösser das Angebot an Standardbackwaren, desto grösser ist auch die Marktnische für individuelles Gebäck mit eigenem Charakter. Es gibt mehr denn je Konsumenten mit der Sehnsucht nach Genuss und einem schönen Einkaufserlebnis.

 

Kann sich denn eine Familie solche Spezialitäten noch leisten?

Raphael: Wir wollen mit unserem einzigartigen Preis- und Leistungsverhältnis 80 Prozent der Bevölkerung ansprechen. In Luzern am Hauptsitz kommen viele Schüler der nahegelegenen Kanti vorbei. Sie leisten sich vielleicht zwei-, dreimal in der Woche ein Sandwich von Bachmann. Dafür zahlen sie einen Franken mehr. Aber der Mehrwert muss da sein, sonst kommen diese preissensiblen Jugendlichen nicht mehr. Erlebnis und Genuss bedeuten nicht unbedingt höhere Preise.

 

Frische ist Euer grosser Trumpf.

Raphael: Wir haben den grossen Vorteil, dass wir keine Zulieferer sind. 95 Prozent unserer Produkte verkaufen wir selber in unseren Fachgeschäften.

Matthias: Wenn ein Hotel 50 Weggli und Gipfeli für morgens um 5 Uhr bestellt, dann sagt dieses Unternehmen, um welche Zeit der Teig in den Ofen muss und beeinflusst unser Frischekonzept. Daher verzichten wir bewusst auf einen B2B-Markt. Wir können dadurch die Qualität selber steuern. Jedes Brot hat mindestens 12 Stunden Teigruhe, bevor es in den Ofen geht. Und das ist frühestens um 1.30 Uhr der Fall – je später desto frischer. Und wir beliefern unsere Filialen bis zu sechsmal am Tag. So geniessen unsere Kunden stets ofenfrische Produkte. Und unsere Mitarbeitenden haben zum grössten Teil Tagesarbeitszeiten.

Raphael: Diese Produktionsmethode ist zwar nicht sehr betriebswirtschaftlich, aber für die Kunden ein massiver Mehrwert. Zudem bekämpfen wir so auch Food Waste.

Ihr bietet bis Feierabend frische Produkte an, da bleibt doch trotzdem einiges liegen?

Matthias: Unsere Mitarbeitenden können gegen den symbolischen Betrag von einem Franken einen Sack füllen. Wir arbeiten aber auch mit «Äss-Bar», «Tischlein deck dich» und «Teller statt Kübel» zusammen, zudem sind wir sind Mitglied der Vereinigung «United Against Waste». Und altes Brot wird geröstet, zusammen mit Gerste, Hopfen und Hefe angereichert und dann im Appenzellischen zu Bier gebraut. Zwei Bauern verfüttern weitere Abfallreste. Wir haben einen geschlossenen Produkte-Kreislauf, denn Nachhaltigkeit ist uns wichtig, damit auch unsere fünfte Generation unser Handwerk zelebrieren kann. Eines unserer grossen Ziele ist es, ganz ohne Plastik auszukommen. Wir stellen jedoch immer wieder fest, dass viele der neuesten Technologien und Verpackungsinnovationen keinen kleineren CO2-Fussabdruck hinterlassen, da man sie durch die halbe Welt transportiert.

 

Kommen kreative Ideen nur von Euch?

Raphael: Vorschläge kommen auch von Kunden und Mitarbeitenden. Wir haben eine eigene Entwicklungsabteilung. Und meine Frau Juliane bringt als erste Chocolatier-Weltmeisterin auch wichtige Inputs. Wir sind offen. Innovation ist der Pulsschlag unseres Familienunternehmens. Wir haben schnelle Entscheidungswege, das ist unser grosses Plus.

 

In der Regel führen Manager Unternehmen von Eurer Grösse…

Raphael: …wir führen die Firma als Berufsleute und Handwerker.

Matthias: Wir haben beide Konditor-Confiseur gelernt, Raphael zusätzlich Bäcker, ich habe zudem ein KV beim Edelschokoladenhersteller Felchlin in Schwyz gemacht.

Raphael: Unsere Lebensschule waren aber mehrere Auslandsjahre, die wir zusammen in Südkorea, Dubai, Singapur, Japan und in Europa verbracht haben. Dabei haben wir gesehen, wie es ist, als Ausländer in einer fremden Umgebung zu arbeiten. Wir haben oft 12 Stunden geschuftet und nichts verdient, standen in der Wertschöpfungskette zuhinterst. Bei Bachmann arbeiten Menschen aus 36 Nationen. Diese Lebenserfahrung gibt uns das Feingefühl, um auf diese einzugehen. Trotz unserer Grösse sind wir ein sehr flach organisierter Familienbetrieb. Jeder Mitarbeitende hat die Möglichkeit, jederzeit mit einem «Bachmann» zu sprechen. Das meine ich nicht wertend, denn viele unserer Mitarbeitenden sind in ihrem Job besser als Matthias und ich.  

 

Aber mal ehrlich: Klöpft es nie zwischen Euch? Und wer setzt sich durch, wer gibt nach?

Matthias: Wir haben die gleichen Wertvorstellungen und die gleiche Denkweise. Die gleiche Kinderstube, unsere gemeinsamen Auslandsjahre und denselben Beruf – all das ist der Nährboden dafür, dass es funktioniert.

Raphael: Und es funktioniert gut. Sehr gut! Dies umso mehr, wenn man seinem Bruder mehr gönnt als sich selber. Mein Bruder und ich haben aber auch die Fähigkeit, uns sehr gut ein- und unterzuordnen. Dies vor allem, wenn Mitarbeitende eine Eigendynamik entwickeln. Was gibt es Schöneres, als Unternehmer im Unternehmen zu haben.

 

>> Raphael (47) und Matthias (50) Bachmann führen das Luzerner Traditionsunternehmen in vierter Generation. Nächstes Jahr feiert die Firma ihr 125-jähriges Jubiläum. 550 Mitarbeitende arbeiten in 20 Filialen. Seit kurzem auch an der Zürcher Bahnhofstrasse. Die Bachmanns aktuell 34 Lehrlinge in verschiedensten Berufen aus.

 

www.confiserie.ch