AN DER SCHNEEWEISSEN KOCHINSEL. Ein König braucht Platz in der Küche – erst recht, wenn es sich um einen Schwingerkönig handelt. Entsprechend grosszügig ist in Christian Stuckis Haus in Lyss der Bereich mit der schneeweissen Kochinsel gestaltet. Stucki und das Kochen, das ist eine Liebesbeziehung – seit den Kindertagen des heute 40-Jährigen. Man merkt es an seinen geschickten Handgriffen: Die Finger der linken Hand winkelt er an, wenn er mit dem grossen japanischen Messer Peperoni in Streifen schneidet, den Wok lässt er so heiss werden, dass es raucht, ehe er Öl hineingiesst. Und wenn Stucki mit einer schwungvollen Bewegung das Gemüse in der Pfanne wendet, könnte man meinen, er habe sein Leben lang nichts anderes gemacht. Bild oben: Christian Stucki in seiner Küche.

GM, Chrigu Stucki, Schwingerkönig

Viel Gemüse, perfekte Ordnung: Blick in Christian Stuckis Kühlschrank.

Das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest - ESAF 2019 Zug Christian Stucki ist neuer Schwinger Koenig mit sieger Muni Kolin. Bild © Remo Naegeli  Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest, ESAF, Zug 2019 - © Remo Naegeli

Meilenstein: Stucki 2019 in Zug als frisch gekrönter Schwingerkönig.

GM, Chrigu Stucki, Schwingerkönig

In den Ferien bei Stucki: Der Sauerteigansatz eines guten Freunds.

Christian Stucki, Sie haben als Teenager eine Schnupperlehre in der Küche des «Lenkerhofs» absolviert. Warum sind Sie eigentlich nicht Koch geworden?
 Ich habe ziemlich schnell gemerkt, wie anstrengend dieser Beruf ist. Ausserdem arbeitet man als Koch sehr häufig am Wochenende – das wäre meinen Ambitionen als Schwinger in die Quere gekommen.

Die Freude am Kochen begleitet Sie aber bis heute.
Absolut! Ich stehe daheim mehrmals pro Woche am Herd, koche regelmässig für die Familie. Zudem bin ich Mitglied in einem Kochklub. Einmal haben wir an einem Fest hier in Lyss zu zweit für 75 Personen gekocht. Es gab Randensuppe, Tafelspitz aus dem Ofen mit Risotto und zum Dessert Panna cotta.

Was bereiten Sie am liebsten zu?
Mein Herz gehört der gutbürgerlichen Küche. Ich liebe Geschmortes, zum Beispiel Voressen mit Kartoffelstock. Lange bevor dieses Gericht auf dem Tisch steht, erfreue ich mich schon an seinem Duft, der mit vielen schönen Erinnerungen verknüpft ist.

GM, Chrigu Stucki, Schwingerkönig

Wenn König Stucki kocht, tanzt das Gemüse in der Pfanne. Jeder Handgriff sitzt.

Wie viel Butter kommt bei Ihnen in den Kartoffelstock?
Ein paar «Möckli» sind es schon. Die 50:50-Variante, bei der sich Kartoffeln und Butter die Waage halten, kommt für mich aber nicht infrage. Lieber giesse ich ein «Seeli» in den Stock oder vermische ihn einfach so mit der Sauce. Man muss es mit den Kalorien nicht übertreiben. Mein Motto heisst: 80 Prozent kontrolliert essen, 20 Prozent zügellos geniessen.

Wo gehen Sie gerne essen?
In Restaurants, die sorgfältig und ambitioniert kochen, aber nicht zu ausgefallen. Bei uns in Lyss mag ich das «Hardern Pintli», das «Petit Palace» und den «Bären» sehr, dazu die «Sonne Scheunenberg» in Wengi, das «Schüpbärg-Beizli» in Schüpfen und das «Commerce» in Aarberg.

In Ihrer Küche steht ein Block mit einem knappen Dutzend japanischer Messer. Eine Leidenschaft von Ihnen?
Ich habe einfach gerne ein richtiges Messer in der Hand, nicht so ein kleines Ding, wie es einige Leute zum Rüsten von Gemüse verwenden. Als ich 2019 Schwingerkönig wurde, erhielt ich ein Damastmesser mit einer speziellen Gravur als Geschenk. Seither ist meine Sammlung stetig gewachsen.

Beim letzten Finale der Schweizer Bocuse-d’Or-Ausscheidung sassen Sie als Gastjuror neben Kochgrössen wie Franck Giovannini oder Anton Mosimann. Eine spezielle Erfahrung, nicht wahr?
Allerdings! Das Tempo, die Präzision und die Kreativität der Kandidaten haben mich tief beeindruckt. Als Hobbykoch einen Chef vom Kaliber eines Anton Mosimann treffen zu können, war auch eine Riesensache. Er ist eine grossartige Persönlichkeit und war obendrein in seiner Jugend ein ambitionierter Schwinger. Als Geschenk habe ich von ihm den «Pauli», das grosse Lehrbuch der Küche, erhalten.

Nutzen Sie den «Pauli» regelmässig?
Ich würde jetzt gerne Ja sagen. Aber das ist ein richtiges Möbel von einem Buch. Es steht viel Interessantes drin, nur bin ich eher ein spontaner Koch. Was ich zubereite, entscheide ich meist erst, wenn ich den Kühlschrank öffne. Bei meinem nächsten Projekt wird mir Antons Geschenk aber gute Dienste leisten: Ich möchte meinen eigenen Fond kochen, mit Knochen, Gemüse und allem Drum und Dran.

GM, Chrigu Stucki, Schwingerkönig

Das könnte man auch im Restaurant servieren: «Planted Steak» mit Sojalack und Wokgemüse à la Stucki.

Besitzen Sie viele andere Kochbücher?
Ein paar sind es schon. Aber ich bin kein Sammler. Wer mir imponiert, ist der Food-Influencer Noah Bachofen. Ich schaue mir seine Videos auf Instagram sehr gerne an. Das Fondue mit Ziger zum Beispiel ist eine super Idee.

Wie sieht es in Ihrer Küche aus, wenn Sie fertig sind mit Kochen?
Fast so gut wie vorher. Ich räume immer sofort alles auf. So kann ich das Essen noch mehr geniessen – und muss nachher nur die Teller, das Besteck und die Gläser in den Geschirrspüler räumen.

Graben wir ein wenig in der Vergangenheit. 2010 reisten Sie nach Japan, um mit Sumo-Ringern zu trainieren. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihr erstes grosses Essen dort?
Das Essen an sich löste in mir keinen Kulturschock aus. Aber die Art und Weise, wie wir es zu uns nehmen mussten. Wir sassen im Schneidersitz am Boden, an einem flachen japanischen Tisch. Eigentlich lagen wir mehr, als dass wir sassen. Und das mit einem saftigen Muskelkater vom Training.

Stadt vs Land; Chrigu Stucki, Beat Schlatter

Gegensätze – und Freunde fürs Leben: Christian Stucki mit Schauspieler und Regisseur Beat Schlatter.

Wie ernähren sich Sumo-Ringer?
Sie essen nichts Ungewöhnliches: Fleisch, Fisch, Reis, Gemüse, Nudelsuppen. Nur die Mengen sind gewaltig. Erstaunlich war, dass sie ziemlich viel Bier und Whisky tranken. Nicht einfach zum Spass, sondern wegen der vielen Kalorien. Unvorstellbar für Sportler aus Europa! Die Sumo-Ringer sagen sich: Je schwerer ich bin, desto mehr Mühe hat mein Gegner, mich aus dem Ring zu schieben.

Neben Ihrem Schwingerkollegen Roger Brügger war damals auch der Regisseur und Schauspieler Beat Schlatter mit Ihnen in Japan und berichtete in seinem Dokumentarfilm «Hoselupf» über dieses Abenteuer.
Wir kannten einander damals noch nicht und siezten uns anfangs sogar. Bald aber entstand eine sehr gute Verbindung, eine Freundschaft. Hin und wieder treffe ich Beat zum Essen. Leider nicht so oft, wie wir es uns wünschen würden. Wir haben beide viel zu tun, und von Lyss nach Zürich ist es schon eine rechte Strecke. Als ich ihn das erste Mal in Zürich besuchte, fuhr ich verbotenerweise mit dem Auto ins Niederdorf, weil das Navi mich zu seiner Wohnung lotste. Darüber lacht er heute noch.

Sie beide sind gerngesehene Gäste bei Kochshows. Wer hat denn mehr drauf in der Küche?
Beim Promi-Special von «Mini Chuchi, dini Chuchi», das im Februar auf SRF 1 ausgestrahlt wurde, habe ich das Cordon-bleu-Duell gegen Beat gewonnen – und auch die Dessert-Challenge im Finale gegen Tina Weirather. Man kann bei Beat und mir aber nicht wirklich von einer Rivalität sprechen. Das Wichtigste war für mich ohnehin, dass ich 10 000 Franken erkochen konnte für die von Adolf Ogi initiierte Stiftung «Freude herrscht», die den Kinder- und Jugendsport unterstützt.

GM, Chrigu Stucki, Schwingerkönig

Ob beim Kochen oder beim Tischdecken, der frühere Spitzensportler nimmt es ganz genau.

Sind Sie auf Reisen ein experimentierfreudiger Esser?
Im Prinzip schon. In der Mongolei kam ich allerdings an meine Grenzen. Es gab Schaf, Schaf und noch mal Schaf. Und wenn ich Schaf sage, meine ich Schaf, nicht Lamm. Dicke Stücke mit viel Fett dran. Zu meinem Glück hatte ich ein paar eigene Fettreserven und konnte mich entsprechend zurückhalten beim Essen. Die Küche in Indien mit ihrer grossen vegetarischen Tradition und den Gewürzen hat mir dagegen ausserordentlich gut gefallen.

Welches Schweizer Essen vermissen Sie am meisten, wenn Sie länger im Ausland sind?
Ganz klar: einen richtig guten Cervelat vom Metzger meines Vertrauens. Aber roh, nicht grilliert. Dazu brauche ich nur noch ein wenig Senf und ein Stück Brot.

Heute gibt es bei Ihnen nicht Cervelat zum Zmittag, sondern ein veganes Gericht.
Genau, es gibt ein «Planted Steak» mit Sojalack und Wokgemüse. Ich bin vor Kurzem eine Partnerschaft mit Planted eingegangen und schätze Produkte wie das «Planted Steak» als schmackhafte und unkomplizierte Basis für viele Gerichte. Dass ich kein Vegetarier oder Veganer werde, ist klar, aber ich probiere gern Neues aus. Kürzlich habe ich eine Asia-Pfanne mit «Planted Chicken» zubereitet und niemandem gesagt, worum es sich handelt. Elia, mein jüngerer Sohn, ass mit grosser Freude davon und war sehr überrascht, dass es kein Fleisch war.

GM, Chrigu Stucki, Schwingerkönig

Mit diesem Messer begann Christian Stuckis Leidenschaft für scharfe japanische Klingen.

Haben Sie ein kulinarisches Laster?
Eigentlich nicht. Wenn ich Lust auf einen Snack habe, hole ich ein Glas mit Essiggurken aus dem Kühlschrank oder aus der Vorratskammer. Die schmecken mir ausgezeichnet und haben fast keine Kalorien. Als ich zu Besuch in Berlin war, gab es auf dem Frühstücksbüffet riesengrosse Essiggurken aus dem Spreewald. Da konnte ich nicht widerstehen, obwohl es erst sieben Uhr morgens war.

Und Süssigkeiten reizen Sie überhaupt nicht?
Als Kind war ich verrückt nach dem Schleckzeug aus der Bäckerei in unserem Dorf. Ich ging mit einem Fünfliber hinein und kam mit einer grossen Tüte Süssigkeiten heraus. Heute esse ich vielleicht mal eine oder zwei Gummischlangen, wenn meine Kinder so etwas zu Hause haben, mehr nicht. Die kulinarischen Vorlieben verändern sich ja zum Glück mit den Jahren.

In Ihrem Kühlschrank steht ein Sauerteigstarter. Sind Sie ein passionierter Bäcker?
Ich komme leider nicht oft zum Backen. Kürzlich ist mir aber ein Roggenbrot mit 24-stündiger Teigruhe sehr gut gelungen. Der Sauerteigstarter gehört einem Freund, der auf Weltreise ist. Bevor ich ihn zurückgebe, stibitze ich vielleicht ein wenig davon. Dann könnte ich dem Sauerteig endlich auch einen Namen geben, das ist ja so üblich. 

Fotos: Kurt Reichenbach, Remo Nägeli


Mehr News & Rezepte der Starchefs? Abonnieren Sie hier den kostenlosen Newsletter von GaultMillau Schweiz.

 

Ich bin
Ich möchte folgende Newsletter abonnieren: