Text: Max Fischer I Fotos: Kurt Reichenbach

Hightech trifft auf Nostalgie. Schalten Sie Ihr Handy auf Flugmodus, vergessen Sie den Laptop: Eine Zugfahrt von Interlaken BE über Gstaad nach Montreux VD ist traumhaftes Kino mit magischen Bildern. Reality statt Virtuality. Unverschandelte Landschaften, urige Holzchalets, mehr Kühe als Menschen, viele gastronomische Höhepunkte. Und Sie mittendrin statt nur dabei. Der «Golden Pass Express» fährt direkt von Interlaken nach Montreux und in der Gegenrichtung. Und das vier Mal täglich. Bis jetzt mussten die Passagiere in Zweisimmen BE umsteigen, jetzt sorgt ein revolutionäres Gleiswechselsystem dafür, dass Sie sitzen bleiben können. Hightech trifft Nostalgie. Die luxuriösesten Varianten: Eine Reise im Panoramic- oder Belle-Epoque-Zug, mit Champagner und Oona-Kaviar aus Frutigen. Grosses Bild oben: Drei Starchefs an der Golden Pass-Route, von links Stefan Beer, Benoît Carcenat, Stéphane Décotterd.

GM MOB,

Edel und pompös: Gastgeber Jimmy Haydari serviert im Belle-Époque-Wagen kurz vor Zweisimmen kühlen Weissen. Er ist stolz auf den liebevoll gestalteten Zug.

GM MOB, Stefan Beer, Chef Hotel Victoria Jungfrau

Die Militär-Käseschnitte weckt Erinnerungen, auch wenn sie zeitgemäss und stylish serviert wird. Am besten schmeckt sie übrigens mit dem hauseigenen Victoria-Jungfrau-Bier.

Belle Époque & «z‘Menü vo hie» in Interlaken. Goldener Start zur Golden Pass-Reise? «Victoria-Jungfrau» in Interlaken. Belle Époque, majestätisch und opulent. Stuckverzierte Räume mit goldenen Spiegeln, von der Decke funkelt Kristall. Allein der Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau ist schon einen Aufenthalt wert. Im neuen Vorzeigerestaurant «Radius» zeigt sich 17-Punkte-Koch Stefan Beer auf der Höhe der Zeit. «z‘Menü vo hie» nennt er seine Karte. Er verwendet für seine Gerichte nur Zutaten aus dem Umkreis von 50 Kilometern. «Ich kenne alle Produzenten persönlich», sagt er. Beispielsweise Sandra Gertsch von Einigen, die extra für ihn Perlhühner und Enten im Freien aufzieht und Wachteleier liefert; jeden Samstag backt sie 80 «Züpfe». Oder Roland Feuz aus Unterseen. Von der Alp Saxeten stammt der Feuzes-Bärgli-AOP-Käse. «Der steckt auch in unserer legendären Militär-Käseschnitte», sagt Stefan Beer. Serviert wird sie in angepasster Form auch im Fine-Dining-Menü bei Beer – vor allem aber als eigenständiges Gericht auf der Terrasse, mit frischem, hauseigenem Bier. Der Clou in diesem Sommer: ein Hotdog-Stand – und das in einem Fünfsternehotel!

Die Duroc-Schweine von Abländschen. Die Gstaader Hoteliers Brigitte und Thomas Frei wirbeln an zwei Fronten: Der «Bernerhof» direkt bei Bahnhof und an der «Promenade» ist eine echte Gourmetadresse: 42 GaultMillau-Punkte, vier Restaurants. Und das in einem Viersterne Hotel! Ein verrücktes Projekt setzt Frei in Abländschen um, dem entlegendsten Kaff im Saanenland, im Niemandsland unter den wilden Zacken des Gastlosen-Massivs. 59 Einwohner. Mit diesen ziehen Frei & Co. einen geschlossenen Kreislauf auf bis zum Berggasthof Zur Sau. Mit Alpauaufzucht (Duroc), Alphärdöpfelanbau, eigenem Rohmilchkäse. Für die Côte de Cochon von Küchenchef Ralph Pietsch nehmen Fans jeden Weg unter die Füsse. Neu fährt auch ein Postauto von Saanen innerhalb von 40 Minuten ans Ende der Welt.

Hirsch & Gemse beim Hahnenkamm-Sieger. Gast sein bei einem Hahnenkamm-Sieger? Das ist möglich im Hotel Kernen beim Bahnhof in Schönried BE. Chef Bruno Kernen stand vor genau 40 Jahren zuoberst auf dem Treppchen in Kitzbühel. Heute jagt er lieber Rehe, Hirsche und Gemsen. Bei ihm gibts das beste Wild im Tal. Ein Dorf weiter: Saanenmöser BE. Ein paar Schritte vom Bahnhof entfernt schmiegt sich an traumhafter Lage das Romantikhotel Hornberg (13 Punkte) in die Landschaft. Beliebt sind die Chef-Picknicks mit Brigitte und Christian Hoefliger. Gourmet-Adressen in Saanen: Kein Weg führt an den Buchs-Brüdern Nik und Simon vorbei. Im angesagten «16 Art Bar Restaurant» (14 Punkte) im Gewölbe einer Glockengiesserei geben sich Einheimische und Promis die Klinke in die Hand. Vor der Weiterfahrt nach Gstaad ist ein Besuch im Café Délice fast obligatorisch, bei Reto und Heidi Sigrist. Letztere gewann bei den World Skills die Weltmeisterschaft im Schokolademachen.

Benoit Carcenat, Hotel-Restaurant Valrose, Rougemont, VD

Neben den Gleisen: Das «Valrose» ist ein kleines, feines Boutiquehotel mit einer sensationellen 18-Punkte-Küche. 

Benoit Carcenat, Restaurant Valrose 2022: Sous-Chef Victor Mories Chef de Patisserie Josselin Jacquet

GaultMillaus «Koch des Jahres 2023» Benoît Carcenat (M.) mit Souschef Victor Mories (l.) und Chef de Patisserie Josselin Jacquet im «Valrose» in Rougemont. 

Das beste Bahnhofbuffet der Schweiz! Bahnhof Rougemont, unbedingt aussteigen! Benoît Carcenat ist der Boss im Hotel Restaurant Valrose und GaultMillaus «Koch des Jahres 2023» (18 Punkte)! Mit Gastgeber Mathieu Quetglas, Sommelier des Jahres 2022, und einem hochmotivierten Team rockt er das kleine, feine Boutiquehotel. Ein kleines, sympathisches Bistro gehört dazu. Gstaader Gourmets reisen in wenigen Minuten mit der MOB an und können auf der Weinkarte unbesorgt zuschlagen. Zweite Adresse in Rougemont: «Le Cerf». Edgard Bovier (früher «Lausanne Palace») schreibt die Karte. Im urchigen Restaurant ist das «Fondue Edgard» ein Must: «Es enthält zwölf Käsesorten. Zwei Teile Etivaz, je fünf teile Gruyère und Vacherin Mont-d’Or.»

Lolita, Freddie Mercury & Claude Nobs. Endstation Montreux. Das Swiss Deluxe Hotel «Montreux Palace» ist ein Prachtbau, verschnörkelt, verspielt und grosszügig. Der Blick über den meerähnlichen Lac Léman ist von der Terrasse des Pavillons aus überwältigend. Hier schrieb Vladimir Nabokov seine weltberühmte «Lolita». Das Jazzfestival zog Musikgrössen an. Queen-Sänger Freddie Mercury. Michael Jackson und Prince. Elton John und Carlos Santana. Im «Jazz Café» speist man inmitten von Erinnerungen an den Gründer Claude Nobs. Küchenchef Domenico Valentino tischt vorzügliche Hörnli mit Schinken, Sommertrüffel und Gruyère AOP auf. Das «Montreux Palace», geführt von Swiss Deluxe-Präsident Michael Smithuis überrascht immer wieder mit spannenden Pop-ups. Im Winter war das «Nikkei Nine» aus dem Hamburger «Vier Jahreszeiten» mit japanisch-peruanischer Küche zu Gast. Im Sommer ist Levante-Cuisine angesagt: Der Pariser Selfmade-Koch Alan Geaam aus dem «Lemantine» zeigt, was er draufhat.

 

GM MOB Montreux

Saftiges Grün, zartblauer Léman. Die hügelige Landschaft ob Montreux verströmt zusammen mit dem See einen speziellen Zauber.

GM MOB, Montreux Palace

Die Chefs vom «Montreux Palace»: Chef-Patissier Maxime Frossard, Küchenchef Fabrice Puissant, Executive Chef Frédéric Gardette und Chef de la Terrasse du Petit Palais Thomas Vételé (v. l.).

Ein Fensterplatz bei Stéphane Décotterd. Die besten GaultMillau-Adressen rund um Montreux? Im «Pont de Brent» über der Stadt wirken Antoine Gonnet und Amandine Pivault (17 GaultMillau-Punkte). Es gibt nur ein Menü, dafür acht Gänge. In Glion begeistert Stéphane Décotterd (18 Punkte). Highlights in seiner neuen «Maison»: Fine Dining im Belle-Époque-Saal, denkmalgeschützte Bar, Bistro. Die Aussicht ist sensationell, unbedingt einen Fensterplatz reservieren! «Die Sonnenuntergänge über dem Léman magisch», schwärmt auch der Chef. Bei ihm gibts nur heimische Fische. Etwa «Le Brochet du Lac Léman aux fleurs de tussilage et radis nouveaux, rôti en croût, jus de têtes et crème de vermouth». Gleich um die Ecke das nächste Juwel. Das «Victoria», ein kleineres Belle-Époque-Hotel im Besitz der Familie Mittermair (14 Punkte).

Chüngel & Polenta in Les Avants. Weitere kulinarische Etappenhalte zwischen Montreux und Gstaad: In Les Avants VD aussteigen, mit dem Funi himmelwärts, auf 1300 Meter Höhe. Zehn Minuten zu Fuss, vorbei an den (weltberühmten) blühenden Narzissenfeldern, bis zum kleinen Alpchalet mit Garten. Vor kurzem haben Köchin Lisa Stucki und Partnerin Orianne Weber das Bijou übernommen. Den Klassiker, Chüngel mit Polenta nach uraltem Familienrezept, behalten sie klugerweise auf der Karte. Auch vegetarische Gerichte haben Platz. In «Les Jardins de la Tour» in Rossinière VD kocht Patrick Gazeau seit fast 20 Jahren in einer Küche, die kleiner ist als die in einer Mietwohnung. Mit einem steinernen Schüttstein aus dem 16. Jahrhundert. Ganz allein. Und das auf 16-Punkte-Niveau. Ein paar Schritte, und man ist beim Grand Chalet. Im grössten reinen Holzhaus der Schweiz lebte der weltbekannte Maler Balthus bis zu seinem Tod. Lohnenswert ist ein Abstecher nach L’Etivaz VD. In den Kellern reifen jedes Jahr 450 Tonnen Alpkäse AOP. Von 70 Herstellern, 130 Alpen und 3000 Kühen.