«Fröhlich, freudig, freudig.» Johann-Fichte-Strasse 7, München. Ein auf den ersten Blick wenig einladendes, graues Haus. Mit zwei aus Stein gehauenen Fabelwesen vor dem Eingang. Und vor allem mit einem unglaublichen Restaurant drin. Rot oder genauer hummerrot ist das Intérieur, und seit 1971 übergeben sich hier Chefs die riesige Küche, die Weltstars sind oder zumindest auf dem Weg dazu. Die «Ahnengalerie»? Zuerst der unglaubliche und noch immer unglaublich beliebte Eckard Witzigmann. Dann Peter Knogl-Entdecker Heinz Winkler. Schliesslich der stillere, aber nicht schlechtere Hans Haas. Und heute? Benjamin Chmura heisst der junge Boss. Zwei Sterne hat er schon. Mit dem dritten wird’s wohl etwas schwieriger, weil München mit zwei Dreisterne-Restaurants (Jan Hartwig, Tohru Nakamura) schon gut bedient ist. «Fröhlich, freudig, feurig», soll’s im «Tantris» sein; Chmura löst das Versprechen, das in riesigen Lettern von den Wänden leuchtet, mühelos ein. Bild oben: Benjamin Chmura.

Die «Tantris»-Formel: Hummerrotes Design. Stars am Herd. Fine Dining auch am Mittag.
Ein Team, zwei Restaurants. Chmura und das Tantris ist eine ganz besondere Geschichte: Er ist in Brüssel aufgewachsen, aber immer, wenn er seine Oma in München besuchte, führte ihr Spaziergang an diesem grossen grauen Gebäude vorbei. Benjamin blickte durch die bodentiefen Fenster, beobachtete fasziniert die vielen gut gelaunten Menschen im Restaurant. «Wenn du gross bist, lade ich dich hier zum Essen ein», versprach die Grossmutter. Heute ist Benjamin hier der Chef, führt eine 27köpfige Brigade und bespielt gleich zwei Restaurants. Fine Dining im Tantris, traditionelle, wunderbare à-la-carte-Gerichte im «Tantris DNA». «Eine Küche, ein Team, zwei Speisekarten», sagt der Chef dazu ganz cool. Konversationssprache am Herd ist Englisch, «weil wir so viele ausländische Köche im Team haben».

Er schreibt die «Tantris»-Erfolgsgeschichte weiter: Chef Benjamin Chmura.

Auch der «Tantris»-Patissier ist ein Star: Maxime Rebmann aus der Bretagne.
Zum Wegschlürfen gut. Menü Chmura? Aufwändig, aufregend, austariert bis ins letzte Detail, à la minute zubereitet. Zum Start sechs zauberhafte Amuse-bouches; das «goldene Blatt» mit karamellisierten Zwiebeln und grünem Apfel war besonders beeindruckend. «Sous Bois» ist eine Liebeserklärung an den Steinpilz, der dieses Jahr in Bayern förmlich aus der Erde schoss. Chmura deklinierte den Pilz ordnungsgemäss durch, mit Tartelette und Marmelade, mit einem Mini-Pilz an Kräutern und Vin Jaune. Highlight war die auf den ersten Blick unscheinbarste Variante: Eine intensive Steinpilz-Essenz, zum Wegschlürfen gut. «Wir werfen die Abschnitte in einen grossen Topf, lassen alles den ganzen Tag köcheln und machen daraus dann die Essenz», sagt Chmura.

Spargeln? Im «Tantris» angerichtet wie ein Gemälde.

«Tantris»-Tradition: Es muss (fast) immer Kaviar sein.

Die Sauce macht den Unterschied: Vin Jaune zu Jakobsmuscheln.
Koshihikari, angenehm verbrannt. Ziemlich frech der Umgang mit dem japanischen Kult-Reis Koshihikari. «Wie eine Paella», vermeldet der Service. Also kratzen wir den leicht angebrannten und mit Sepia schwarz eingefärbten Reis vergnügt vom Tellerboden und sind auch begeistert von den Seppioline, die in allen Grössen drüber liegen. Auch das Gericht «Petit Bateau» begeistert: Seezunge, vernünftig portioniert, mit Seezungen-Farce gefüllt, dazu Miesmuscheln und ein feines Kräuteröl. Und natürlich ist bei Chmura ein «Wellington» nicht einfach ein Rindsfilet im Teig. Tuna wird verpackt, paniert (!) und dann bei hohen 210 Grad kurz gebraten. Ein Masterpiece! Gilt auch für den Maibock: Nicht nur das in Nussbutter zubereitete «Mignon» wird aufgetragen, sondern auch eine klassische «Pâte Chaud», hergestellt aus Schulter und Keule.

Wer im «Tantris» kocht, wird ein Star. Eckhard Witzigmann hat das erste Kapitel geschrieben, hat heute noch Legendenstatus.
Taschenkrebs, Froschschenkel & Suzette! Das «Tantris» ist ein Gesamtkunstwerk, erfreulicherweise auch mittags geöffnet, mit smarten jungen und sattelfesten Sommeliers, mit einer eigenen Bäckerin (!) im Team und mit einer wundervollen «Filiale»: Den Tisch im «Tantris DNA» muss man nicht lange im Voraus reservieren, statt Gourmet-Menü liegt ein à la carte-Angebot auf; Taschenkrebse aus der Bretagne. Froschschenkel von der Loire. Gnocchetti mit Alba-Trüffel, Pastetli mit Flusskrebsen, Felsen-Rotbarbe mit Bouillabaisse, Poltinger Lamm, gefülltem Kalbskopf und jederzeit auch eine Crêpe Suzette. Der Mittagslunch ist ein Schnäppchen: Drei Gänge in Chmura-Qualität für 95 Euro.
(Mitarbeit: Patricia Bröhm)
Fotos: Ilya Kagan, Joerg Lehmann, David Biedert, HO

